Erscheint nie wieder ein richtig gutes MMORPG? Ein ganzes Genre kämpft mit Problemen, für die es keine Lösung gibt

Erscheint nie wieder ein richtig gutes MMORPG? Ein ganzes Genre kämpft mit Problemen, für die es keine Lösung gibt

Wie komfortabel darf es sein?

Schauen wir uns ein weiteres Beispiel an, das zeigt, vor welchem Dilemma die Entwickler stehen. Automatisierte Gruppenfinder, Inhaltssuchen und Dungeonbrowser ermöglichen es, komfortabel und zeitnah Mitspieler für eine PvE-Instanz, den PvP-Bereich oder andere Inhalte zu finden. Den Teleport zum Einsatzort gibt es obendrauf. Liegt der letzte Gegner besiegt am Boden, geht’s per Knopfdruck zurück.

So ein Feature gibt’s mittlerweile in so gut wie jedem modernen MMORPG. Auf Servern mit geringer Bevölkerungszahl wäre es ohne so eine Gruppensuche unmöglich, überhaupt irgendwann ausreichend Mitspieler für einen Raid oder Dungeon zu finden.

Den Komfort erkaufen sich die Spieler jedoch erneut mit einer Beschneidung der MMORPG-Spielerfahrung.

  • Alle PvE-Inhalte, die Teil so einer Gruppensuche sind, müssen so designt sein, dass sie von einer Zufallsgruppe ohne Absprache geschafft werden können. Das Ergebnis ist oft, dass diese gar keine Herausforderung darstellen.
  • Durch den niedrigen Schwierigkeitsgrad und die vollständige Automatisierung kommt es kaum noch zu Interaktionen zwischen den Spielern. Man kann froh sein, wenn ein „Hi“ oder „bb“ im Chat landet. Sollten doch mal viele Worte gewechselt werden, dann meist, weil jemand unzufrieden mit seinen Mitspielern ist.
  • Durch das ständige Teleportieren zu den Instanz-Inhalten geht das Gefühl für die Größe der Spielwelt verloren.

Dass man in immer mehr MMORPGs Gruppeninhalte an der Seite von KI-Gefährten angehen darf, bietet zwar weiteren Komfort und Flexibilität, verschärft die Situation aber noch.

Transmog-Features sind eigentlich toll, können aber ebenfalls die bestmögliche MMO-Erfahrung stören.

Ein flächendeckendes Problem

Weitere Beispiele wie den Dungeonbrowser, die aus einem MMORPG zwar ein komfortableres, zugänglicheres oder/und optionsreicheres Spiel, aber ein schlechteres MMO machen, lassen sich leicht finden.

  • Transmog-Features, mit denen man Skins über die eigentliche Rüstung legen kann, steigern die Flexibilität bei der Anpassung des Charakters, verhindern jedoch, dass man an einem Alter Ego direkt ablesen kann, welche Inhalte ein Spieler gemeistert hat.
  • Ingame-Shops bieten zusätzliche Optionen für Spieler mit Geld, entwerten jedoch die erspielten Beutestücke sowie die Charakterprogression.
  • Mehrere Schwierigkeitsgrade für Gruppenherausforderungen verringern Frust und bieten Neulingen sowie Gelegenheitsspielern einen leichteren Einstieg. Durch die leichten Modi fühlen sich Siege über die immer gleichen Gegner aber nicht mehr so belohnend an.
  • Viele Inhalte solo meistern zu können, erweitert die Zielgruppe eines MMORPGs enorm, torpediert aber das so wichtige Mit- und Gegeneinander.
  • Statt drögen Questtexten durchgehend vollvertonte Dialoge anzubieten, kann das Erlebnis der Geschichten spürbar verbessern. Das sorgt aber auch dafür, dass man häufig allein loszieht, statt mit anderen Spielern zu questen oder parallel im TeamSpeak oder Discord über Gott und die Welt zu quatschen.
  • Frühes Mount zum Start, dazu Schnellreisemöglichkeiten an jeder Ecke? Das ist komfortabel, ja, das MMO-Gefühl leidet jedoch. Fragt nur mal alle Vanilla-WoW-Veteranen, wie gut und belohnend es sich damals angefühlt hat, mit Level 40 endlich das erste Reittier kaufen zu dürfen. Und wie verbunden man sich mit Gebieten wie dem Brachland gefühlt hat, die man zu Fuß erleben musste.

Die Events von Guild Wars 2 ziehen Massen von Spielern an, bieten aber kaum soziale Interaktion.

Ich höre euch schon rufen: Aber Karsten, niemand muss die automatisierte Gruppensuche, den leichten Schwierigkeitsgrad oder die vertonten Dialoge nutzen! Man kann sich auch in ESO, Lost Ark, New World und Co. zu Gemeinschaften zusammenschließen und den Spaß seines Lebens haben!

Damit habt ihr recht. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die meisten Spieler stets den Weg des geringsten Widerstands gehen. Sprich: Wenn etwas solo leichter und komfortabler gemeistert werden kann als in einer Gruppe, dann entscheiden sich die meisten für den leichten und komfortablen Weg.

Ich würde zudem argumentieren, dass sich die meisten erinnerungswürdigen sozialen Momente aus modernen MMORPGs meist auf recht kleine Gruppen beziehen, und nicht auf große Server-Gemeinschaften, in der fast jeder jeden kennt, oder auf Zufallsbekanntschaften, die man beispielsweise in WoW Classic fast täglich erfahren konnte.

Erinnerungswürdige Erfahrungen innerhalb einer recht kleinen Gruppe von Menschen kann man heutzutage indes in so ziemlich jedem Multiplayer-Online-Game haben, fast egal, welches Genre. Das ist nicht das, was MMORPGs im Vergleich zu anderen Spielen so besonders machen kann.

Gibt es ein Licht am Ende des Tunnels?

Ich würde euch jetzt nur zu gerne mit einem optimistischen Ausblick aus dieser Kolumne entlassen. Die traurige Realität ist jedoch, dass die Entwicklung von Spielen über alle Genres hinweg nur immer noch teurer wird. Gleichzeitig ist es schwer, Spieler aus ihrem bisherigen MMORPG wegzulocken, da sie dort sozial gebunden sind, sich wohlfühlen, auskennen und so viel Erspieltes zurücklassen müssen.

Jeder Entwickler muss also zwingend versuchen, mit seinem MMORPG-Projekt der Zukunft eine möglichst breite Zielgruppe anzusprechen und daher Entscheidungen treffen, mit denen sich die Besonderheiten des Genres nicht vollumfänglich abbilden lassen. Uns erwarten mehr MMO-Hybride, mehr Mobile-Portierungen und mehr Solo-RPGs mit optionalem Multiplayer.

Wer indes eine spitzere Zielgruppe ansprechen möchte, muss zwingend kleinere Brötchen backen, was sich natürlich auf die Qualität von Technik sowie Inhalten auswirkt. Zudem werden auch Teams mit einem kleinen Budget ziemlich wahrscheinlich keine Sprachen-Server für alle wichtigen Ländern anbieten oder auf einen Ingame-Shop verzichten.

Alte MMORPG-Hasen wie ich werden sich also wahrscheinlich damit abfinden müssen, dass viele Spiele in Zukunft nur an der Oberfläche von dem kratzen werden, was das Genre eigentlich zu leisten imstande ist. Die gute Nachricht: Auch das kann Spaß machen und kostet nicht ganz so viel Zeit. Mehr persönliche Erfahrungsberichte: Als das Geld knapp war, schrieb ich Geschichten über schlüpfrige Superhelden

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N0ma

Die Frage wäre erstmal in welche Richtung sollten MMORPGs generell gehen. Was ist modern? Dazu hatte ich schon vor 5 Jahren was geschrieben und der Meinung bin ich immer noch.

Das wäre eine Mischung aus Themepark und Survival / Sandbox. Die reinen Survival sind zu flach. Die Themeparks hat man irgendwann satt. Man braucht für die Abwechslung usergenerated Content. Da bietet sich an Gear/Handwerk (Albion Online) und freies Bauen. Der Rest kann bleiben, wie Dungeon Instanzen, Quests. Was dann noch fehlt ist gutgemachtes PvP (Albion) – Aufteilung in verschieden gefährliche Zonen incl Safe Zonen.

Jue

Ein bisschen Themepark würde ich in Albion auch gut finden. Einfach ein paar missions ect. was man halt so kennt, oder offene dynamische PvE Events wie in GW2.
Aber ansonsten finde ich ein gelungenes MMO das vieles richtig macht. Bin neu in Albion, arbeite a T5.1 und hab schon lange nicht mehr so viel spass gehabt in einem MMORPG…
Auch das Full Loot stört mich nicht mehr nachdem ich “prepared” bin. 🙂

N0ma

Man hat halt unterschiedliche Safe Zonen. Der schlechte Ruf von PvP kommt wenn man an jeder Ecke gegankt wird. Da hab ich dann auch kein Bock drauf. Das würde ich aber auch als schlecht umgesetztes PvP bezeichnen.

Jue

Das Problem gibt es seit es MMORPGs gibt, wo unterschiedliche Level und/oder Gear(Albion) aufeinander treffen, und das ärgert mich auch.
Beispiel Wow und PvP Server: Warum wurde nie ein levellimit eingebaut das ich zb keinen angreifen kann der ein paar Level unter mir ist? Mobs werden grau da kann man mit einen einfachen Code “graue oder grüne Spieler” unangreifbar machen.
In Albion könnte man ganze Zonen Tier abhängig machen. Habe ich T7 an komme ich nicht in eine T4 Zone. Man könnte in allen MMORPGs solche Systeme einbauen aber keiner machts was ich absolut nicht verstehe. Da muss man sich wie in meinem Fall 20jahre herum ärgern.

Zuletzt bearbeitet vor 15 Tagen von Jue
N0ma

Bei WoW müsste bei PvP ne ganze Menge gemacht werden.

Man könnte in allen MMORPGs solche Systeme einbauen aber keiner machts was ich absolut nicht verstehe.

Ist mir auch schleierhaft.
Die knallen den Leuten 0815 PvP vor die Füße und wundern sich das es keiner spielt. 😳

Firefix

Seit 10 Jahren behaupte ich das schon. Ich glaube auch nicht, dass es ohne “vernünftigen” KI EInsatz, es nie besser werden kann.

N0ma

Und seit 20 Jahren hat GW1 Helden NPC die man mitnehmen kann. Was brauchts noch mehr?

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