Der Streamer Tyler „Ninja“ Blevins hat noch immer die meisten Follower auf Twitch. Aber er vermisst die gute alte Zeit, als auf Twitch noch gespielt und nicht so viel geredet wurde. Er kritisiert die Entwicklungen der letzten Jahre seit Mai 2020, vor allem das viele Drama und die Cancel-Culture.
Wer ist Ninja?
- Tyler „Ninja“ Blevins (33) war lange ein typischer Shooter-Streamer auf Twitch: Talentiert und extrem ehrgeizig, aber unbeherrscht, schimpfte er vulgär auf jeden, der es wagte, ihn in einem Shooter zu besiegen. Er spielte Games wie Halo, PUBG oder H1Z1.
- 2017 entdeckte er Fortnite: Battle Royale. Da war das Hauptspiel, eine Art Shooter-Minecraft, grade gescheitert, und die Entwickler von Unreal Tournament hatten eine dreiste PUBG-Kopie hochgezogen. Ninja stürzte sich auf das Game. Als talentierter Shooter-Spieler konnte er damals in Matches mit 99 zufällig ausgewählten Spielern frei wüten und die frühen Tage des Shooters dominieren.
- Es begann ein märchenhafter Aufstieg auf Twitch, der bis 2019 andauerte. Ninja hörte auf zu fluchen, wurde reich, berühmt, etwas größenwahnsinnig. Bis heute hat Ninja noch aus dieser Zeit die meisten Follower auf Twitch: An seine 19 Millionen kam bislang noch keiner ran – wobei ihn in absehbarer Zeit wohl der Spanier Ibai überholen wird.
Ninja schimpft über Cancel-Culture auf Twitch
Das sagt Ninja jetzt: Ninja beklagt in einem Stream den aktuellen Zustand von Streaming auf Twitch:
- Es gehe manchen Leuten nur noch darum, andere zu canceln oder ihnen Ärger zu bereiten – wie zuletzt bei dem populären Sketch. Jeden Tag werde entweder jemand gecancelt oder man versuche es zumindest
- Streaming sei mittlerweile so doof, sagt Ninja. Er habe es so satt. Irgendwer mache was Verdächtiges und eine Million Leute würden aufspringen und ihre Meinung dazu abgeben, nach der keiner gefragt habe
- Die Leute würden Sachen sagen wie „Win hier“ – „Loss da“ – „Ich kann das nicht unterstützen“. Ihm hänge das alles zum Hals raus.
Wonach sehnt sich Ninja? Ninja wünscht sich ein Twitch wie im Jahr 2016 zurück, als sich alles nur um Videospiele drehte.
Er vermisst die Zeiten von PUBG; wo Clips geteilt wurden, die Leute lachten und sich gegenseitig markierten.
Mittlerweile hätten Millionen von „Drama Kanälen“ Twitch übernommen, die Zeiten von lustigen Clips verdrängt und es werde immer schlimmer.
„Bin zu alt für den Scheiß“
Wie geht’s weiter? Ninja wird etwas melancholisch und sagt: „Vielleicht werd’ ich zu alt für den Scheiß.“ Er mache das ja schon seit 13, 14 Jahren.
Er erinnert sich an die „gute alte Zeit zurück“; als er noch aus dem Keller des Elternhauses streamte und wird ganz nachdenklich, wenn er heute junge Streamer sehen, die mit einer 5$-Webcam aus dem Keller ihrer Eltern ihre Karriere auf Twitch starten.
Er schließt mit: „Ich weiß nicht, wie lange ich das noch machen werde – Vielleicht 5 Jahre, vielleicht noch ein Jahr.“
Twitch kippte im Mai 2020 mit Covid vom Gaming weg
Das steckt dahinter: Viele Streamer, die mit Gaming groß geworden sind, haben erkannt, dass sie mehr Geld damit verdienen und noch mehr Zuschauer erreichen, wenn sie sich einfach Videos oder Content von anderen anschauen und darauf reagieren.
In Deutschland ist MontanaBlack mit Shootern wie Call of Duty oder Fortnite groß geworden, wechselte später aufs Gambling und wurde weitgehend zu einem Reaction-Streamer, der sich die Videos von anderen ansah, während er was aß, oder zur Not auch mal eine SpiegelTV-Dokumentation einlegte:
- 2018 zeigte MontanaBlack 618 Stunden Fortnite, 166 Stunden CoD: Blacks Ops 4 und 39 Stunden Just Chatting
- 2020 waren es 333 Stunden Just Chatting und 284 Stunden CoD: Warzone, 78 Stunden Fortnite, 62 Stunden FIFA
- 2022 waren es 381 Stunden Just Chatting, 97 Stunden GTG 5, 96 Stunden FIFA 23 und 64 Stunden Fortnite
- In den letzten 365 Tagen zeigte MontanaBlack 260 Stunden Just Chatting, 100 Stunden IRL, 87 Stunden Special Events und 72 Stunden CS:GO (vor er vor allem Glücksspiel betrieb und Boxen öffnete)
Man sieht an MontanaBlack gut die Entwicklung vom Gaming hin zum Reagieren und Interagieren mit dem Chat in den letzten 4 bis 6 Jahren. Wobei MontanaBlack in letzter Zeit eher aus dem Haus rausgeht, weil er sich da nicht mehr so sicher fühlt, und lieber von “draußen” streamt.
Der Trend, dass „Just Chatting“ zur dominanten Kategorie auf Twitch wurde, begann im Mai 2020 mit der Covid-Pandemie. Damals wurde vor allem über „Hot Tub“-Streamerinnen gemeckert: Frauen, welche die Bekleidungsvorschriften von Twitch umgingen, indem sie sich eine Badewanne ins Wohnzimmer stellten und im Bikini streamten.
Spätestens seit dem „Johnny Depp/Amber Heard“-Prozess 2022 ist einiges gekippt und viele männliche Streamer, die mit Gaming groß geworden waren, sind vom Gaming weggegangen und auf Reactions und Drama umgestiegen. Hier in Deutschland, wo wir Trends aus den USA imitieren, ist die Meta schon lange angekommen.
Das „Canceln“, was Ninja beklagt, ist bei uns in den letzten Wochen noch stärker ausgeprägt gewesen als in den USA. Was dort DrDisrespect passiert ist und Sketch, für den es glimpflich ausging, hat bei uns zwei bekannte Influencer hart getroffen: Wie 2,50 € das deutsche Twitch ins Chaos stürzen und zum Karriere-Ende von 2 Influencern führen
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Merkt er eigentlich das er genau das tut, worüber er sich aufregt?
Wenn kritische Infrastrukturen und wichtige Wirtschaftszweige nicht schon so stark digital vernetzt wären, nicht Menschenleben davon abhängen könnten, würde ich mir mindestens einen vierwöchigen Internet-Crash wünschen, dieses ganzes toxische Bubblewesen zum zerplatzen bringen, Menschen können sich wieder erden, sich nicht mehr durch Likes bestätigt und in gewisser Weise wichtig fühlen. Don Mephisto und Schumann haben es gut zusammengefasst. Dieses sich in einer Opferrolle suhlen geht mir inzwischen so auf den Sack, niemand möchte mehr dafür einstehen, wenn er/sie/es dabei ertappt wurde, das man Schei…e labbert.
Es ist gut und richtig, dass Arschlöcher Gegenwind bekommen.
Allerdings ist Opfer-sein populär. Viele sind lieber das Opfer eines anderen als von sich aus selbst etwas aufzubauen – nicht nur auf Twitch bzw. im Internet. Dazu kommt, dass reagieren einfacher ist als kreieren. Passives zuschauen und seinen Senf dazu zu geben ist entspannter als selber aktiv etwas zu gestalten. Außerdem muss man dann der Welt noch zeigen, dass man selber der beste Mensch ist (zumindest besser als die Konkurrenz) und das ganze wird dann noch Gebetsartig von den Ja-und-Amen-Sagern in der selbst geschaffenen Bubble bestätigt.
Würde jeder sich einfach nur um seinen eigenen Scheiß kümmern und private Konflikte auch privat klären, statt die eigene Bubble Hexenjagdsmäßig aufzuhetzen wären wir wieder bei der entspannten Atmosphäre die er beschreibt. Für uns unbeteiligte Zuschauer wäre es wohl aber auch nur halb so belustigend…
Ja, ich glaube es trifft es sehr gut. Wenn du zuschaust und kommentierst, exponierst du dich nicht selbst, und kannst den moralischen Highground besetzen.
Ich finde, da kommt echt oft so ein moralischer Ton rein, wo ich mir auch denke: Du bist ein Millionär, der in seinem Zimmer 200 leere Fast-Food-Packungen liegen hat. Wie kannst du denn darüber urteilen, wer geistig normal ist und wer nicht?
In Deutschland ja auch, da sind Leute, die für antisemitische Witze verurteilt wurden und die angeblich ihre Frauen geschlagene haben, ständig Pädo-Sprüche und die geschmacklosesten Witze machen. Und die stellen sich dann hin: “Also das Verhalten geht meiner Ansicht aber gar nicht klar”. Ja, vielen Dank für deine Einschätzung, Kollege moralischer Kompass. Na ja – die Leute gucken das ja und finanzieren ihn. Ist dann halt so. Dann soll aber auch keiner rumheulen, was die Jugend für komische Vorbilder hat und das alles vor die Hunde geht. 😀
Kurze Frage aber schaust du wirklich streamern zu die so Zugemüllt sich vor Gott und der Welt entblöden? Fals ja… Warum?…
Dir ist schon klar, was ich beruflich mache, oder? – ALso, wär ich Filmkritiker, würde ich auch Filme sehen, die ich privat nie schauen würde.