Sind Mikrotransaktionen die neuen Markenklamotten? – So werden Kinder in Videospielen manipuliert

Sind Mikrotransaktionen die neuen Markenklamotten? – So werden Kinder in Videospielen manipuliert

Immer mehr Videospiele setzen auf das Finanzierungs-Modell der Mikrotransaktionen. Besonderem Druck sind dabei Kinder ausgesetzt. Eine neue Studie untersuchte diese Problematik.

Fast alle Kinder und Jugendliche spielen irgendeine Form von Videospielen. Das macht Gaming zu weit mehr als reiner Unterhaltung. Videospiele werden zum wichtigen Teil des sozialen Umfelds. Welcher Druck dabei vor allem auf Kinder ausgeübt wird, zeigen neue Untersuchungen.

Im Auftrag des norwegischen Ministeriums für Kinder und Familie beschäftigten sich Kamilla Knutsen Steinnes und Clara Julia Reich von der Oslo Metropolitan University vor allem mit zwei Themen:

  • Manipulatives Spieldesign
  • Der Einfluss von Videospielen und In-Game-Käufen auf die sozialen Beziehungen von Kindern

Mehr zum Thema Gaming-Kultur erfahrt ihr hier:

Wie sich Gamer von „ungeduschten Kellerkindern“ zu einer echten Kultur entwickelt haben

13 Formen der Manipulation

Videospiele sind eine weit verbreitete Form der Unterhaltung, nicht nur bei Kindern. Das macht die Branche weltweit zu einer Multi-Millarden-Dollars-Industrie. Besonders lukrativ sind dabei In-Game-Käufe, die einen signifikanten Anteil der Einnahmen darstellen.

Kein Wunder also, dass Spiele häufig gerade so designt werden, dass sie zu möglichst vielen Mikrotransaktionen verleiten.

In ihrer Forschung identifizierten Steinnes und Reich verschiedenste Arten von manipulativem Design, die sie auch dark patterns (zu Deutsch: dunkle Muster) nennen.  

„Manipulatives Design ist ein Mittel, das Nutzer dazu zwingt, drängt oder verleitet Entscheidungen zu treffen, die im Interesse des Unternehmens liegen und die Schwächen des Konsumenten ausnutzt“, erklärt Seinnes.

Dabei teilen sie die dark patterns in vier verschiedene Kategorien ein:

  • Visuelles Design
  • Unklare Kennzeichnung
  • Zeitbasierte Elemente
  • Glücksspiel-Mechanismen

Was Spiele im Gegensatz dazu besonders positiv auszeichnet, erfahrt ihr hier:

Wie wirkt das auf Kinder? Natürlich finden sich solche manipulativen Designs auch in Spielen, die häufig von Kindern gespielt werden. Für ihre Studie kategorisierten die Norwegerinnen alle Gegenstände der In-Game-Stores von den Spielen Fortnite, Robolox: Adopt Me! und Hay Day.

Insgesamt fanden sie dabei 13 unterschiedliche Formen des manipulativen Designs, zum Beispiel:

  • Versteckte Kosten, versteckte Werbung, Zeitinvestitionen, Countdown-Mechanismen, tägliche Belohnungen, Glücksräder, Loot Boxen, kostenlose Proben

Das könne vor allem problematisch sein, da Kinder und Jugendliche eine besonders anfällige Gruppe darstellen, die sich in einem fast unregulierten Markt zurechtfinden müssen.

„Junge Menschen haben eine fantastische technische Gaming-Kompetenz, aber es mangelt an Konsum-Kompetenz. Es gibt auch einen großen Unterschied darin, wie sehr sich Eltern mit einbringen“, erklärt Reich. Außerdem hätten auch nicht alle Eltern die nötige digitale Kompetenz, um sich ausreichend mit dem Thema befassen zu können, fügt sie hinzu.

In der Studie gaben Kinder im Alter von 10-15 insgesamt 100 bis über 1.000 norwegische Kronen für In-Game-Items pro Jahr aus, das entspricht etwa 8,70 € bis 87,00 €.

In-Game-Items als Statussymbol

Doch nicht nur die Spiele selbst können Kinder zu Mikrotransaktionen verleiten. Vor allem sozialer Druck spielt hier eine entscheidende Rolle.

In 19 Interviews befragten Steinnes und Reich Kinder mit verschiedenen Hintergründen, und beobachteten diese gleichzeitig beim Spielen. Dabei fanden sie heraus, dass In-Game-Items neben Vorteilen im Spiel vor allem eine soziale Funktion besitzen.

„Es gibt keine scharfe Grenze zwischen ihrer Online- und Offline-Welt. Das sind einfach verschiedene Teile der sozialen Welt, in der sie sich bewegen und Aussehen, oder Skins, sind wichtiger Ausdruck der Identität“, erklärt Seinnes.

Ohne Skin wirst du vielleicht als “arm” bezeichnet

Man könnte In-Game-Käufe, insbesondere Skins, also als Markenklamotten der heutigen Zeit betrachten. Wer dazugehören und „cool“ sein will, muss Geld ausgeben – früher vor allem für physische Gegenstände, heute auch digital.

„Kinder werden möglicherweise als arm bezeichnet, wenn sie kein Geld für ihren Charakter ausgeben. Kinder, die Geld für ihren In-Game-Charakter ausgegeben haben, können erhöhte Aufmerksamkeit und andere Vorteile erlangen und sich so Popularität erkaufen“, sagt Kamilla Knutsen Steinnes.

Entscheidender Einfluss seien vor allem Freunde, sowie Trends auf Social Media.

Was kann man dagegen tun? Die Beziehung zwischen Kindern und Mikrotransaktionen ist komplex. Natürlich spielt hier vor allem die Zustimmung Eltern eine entscheidende Rolle. In einigen Fällen kommt es jedoch auch zu Käufen, die aus Versehen von Kindern getätigt werden.

Um dem entgegenzuwirken, könne es schon helfen, dass man zweimal klicken muss, um etwas tatsächlich zu kaufen, sagt Steinnes.

Außerdem bringen die Forscherinnen an: „Einen weltweiten Markt von einem Land aus zu regulieren ist schwierig, es sollte eine einheitliche Regelung für die EU geben.“

Dass man dies tatsächlich anstrebt, zeigte ein Beschluss des Europäischen Parlaments vom Januar letzten Jahres. Dieser enthielt zahlreiche Vorschläge, wie die EU mit Videospielen verfahren könne: EU-Parlament fasst Beschluss gegen Lootboxen, Spielsucht und Goldfarmen – Gaming-Industrie zeigt sich „besorgt“

Quelle(n): Studie: manipulatives Spieldesign, Studie: Videospiele und sozialer Druck , www.oslomet.no
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T.M.P.

Oha. Das Thema finanzielles Statussymbol ist in dem Bereich neu für mich. Ausser das ich zum Beispiel in Helldivers 2 meinen Deluxeversion-Titel “Super-Bürger” versteckt habe.^^

Tatsächlich glaub ich aber, dass die Kinder weniger von Freunden als arm bezeichnet werden, sondern sich einfach selbst arm vorkommen, wenn sie sich mit den Geld verprassenden Influencern vergleichen.

Mein 12jähriger Neffe hat nicht wirklich Freunde mit denen er diese Tabletspiele daddelt.
Trotzdem wird jedwedes Guthaben quasi sofort auf den Kopf gehauen, ohne lange zu überlegen ob das überhaupt irgendeinen Sinn hat.
Dabei hat er mich letztesmal ganz stolz zuschauen lassen. Ein Skin für 6,49 und einige Lootboxen oder sowas. Als ich ihn das fragte was er nun davon hätte, kam halt keine Antwort. 😕

Es macht einfach Spass Dinge zu kaufen. Damit können schon viele Erwachsene nicht umgehen, und so ist es wenig verwunderlich wenn es für Kinder umso schwerer ist zu widerstehen.

Luripu

Der Unterschied der Markenklamotten ist,
jeder sieht sie,ohne das ich ihn extra drauf hinweisen muss,
ala “Hey kuck hier meiner neuester Fortnite Skin” *Smartphone unter die Nase halt*

In der Community die das selbe Spiel zockt,
ist das natürlich etwas anderes.
Da kann schon Neid und Status dadurch erzeugt werden.

Lamoras

Da kommt halt der Teil zu tragen mit der Vermischung. Die Kinder zocken mit ihrem erweiterten Bekanntenkreis zusammen. Damit sieht jeder Bekannte dann auch gleich die tollen Skins. Witzig ist, dass sie diese Spiele teils nicht einmal aus eigenen Antrieb heraus spielen. Die anderen spielen, also müssen sie auch spielen, da sie ansonsten nicht mitreden können.

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