Der Videospiel-Journalist Danny O’Dwyer (37) veröffentlicht auf seinem YouTube-Kanal Noclip Dokumentationen über die Entstehungsgeschichte von Spielen und gewährt Einblicke hinter die Kulissen der Gaming-Industrie. Nun rettete er kistenweise Aufnahmen vor der Müllhalde.
Was ist das für ein Kanal? Noclip veröffentlicht Dokumentationen über Videospiele, die über Crowdfunding finanziert werden. Auf dem Kanal werden die Entstehungsgeschichten von Spielen und interessante Anekdoten aus der Spieleindustrie gezeigt.
Es ist also nicht verwunderlich, dass ein Tipp das Interesse des Gründers Danny O’Dwyer weckte: Ein Medienunternehmen in San Francisco habe eine riesige Sammlung von Tapes, die er ganz sicher sehen wolle. Die Aufnahmen stünden zudem kurz davor, einfach entsorgt zu werden.
O’Dwyer mietete einen Lastwagen und fuhr bald darauf mit kistenweise Videotapes zurück in sein Studio. Seitdem retteten er und sein Team weitere Aufnahmen davor, im Müll zu landen oder in irgendwelchen Lagerräumen zu verrotten.
Nun hat er wohl eine der laut eigener Aussage größten Sammlungen an Videospiel-Geschichte – doch die eigentliche Arbeit hat gerade erst begonnen.
Mehr als 10 Jahre Gaming-Geschichte
Was sind das für Aufnahmen? In den Kisten befinden sich unzählige Videokassetten in verschiedenen Formaten: Darunter sind bekannte Formate wie VHS, aber auch seltene Formate für den professionellen Gebrauch, von denen der YouTuber noch nie zuvor gehört hat.
Auf den Tapes befinden sich tausende Stunden von Aufnahmen aus den 90er-Jahren bis ungefähr 2010: Trailer, Interviews, Gameplay-Mitschnitten und Aufnahmen von Dingen, die sich hinter den Kulissen der Spieleindustrie abgespielt haben.
In einer Zeit, bevor viele Leute Zugang zu schnellem Internet hatten, seien solche Videos im Fernsehen oder einigen wenigen Gaming-Websites verbreitet worden, so O’Dwyer. Die Assets dafür seien nicht in digitaler Form, sondern auf eben solchen Tapes übermittelt worden.
Das Besondere: Das Material auf den Kassetten ist größtenteils in Vergessenheit geraten oder war nie für die Öffentlichkeit bestimmt. So sagt O’Dwyer, er habe bereits ein Interview mit dem legendären Entwickler Hideo Kojima gefunden, das vor 10 Jahren aus dem Internet getilgt worden sein soll.
Außerdem seien die Videos zur Veröffentlichung auf Websites mit den damaligen technischen Möglichkeiten stark komprimiert worden. Auf den Tapes hätte man nun etwa die qualitativ hochwertigste Version der Pressekonferenz der E3 2009, so O’Dwyer.
Das englischsprachige Video von Noclip zur Sammlung haben wir euch hier eingebunden:
Weißt du noch, damals … ?
Was hat er mit den Aufnahmen vor? O’Dwyer und das Team von Noclip wollen sämtliche Tapes durchsehen und „historisch wertvolle“ Aufnahmen digitalisieren, um sie dann online zur Verfügung zu stellen.
Auf einem eigens dafür eingerichteten YouTube-Kanal finden sich bereits „nie gesehene“ Präsentationen von Spielen wie Star Wars: Knights of the Old Repblic und Neverwinter Nights, die bei der E3 2001 hinter verschlossenen Türen vorgestellt worden sein sollen.
Die Rohdateien werden zudem im Internet Archive veröffentlicht.
Diese Aufarbeitung der Videospiel-Geschichte, die beinahe verloren gegangen wäre, ist nicht nur ein massives Unterfangen, sondern erfordert neben viel Zeit auch die richtige Ausrüstung. Einige Geräte, die benötigt werden, um die alten Formate abzuspielen, sind ziemlich selten und vor allem teuer. Außerdem seien sie so schwer, dass der Versand eine Menge Geld koste, erklärt O’Dwyer.
Für den YouTuber und sein Team ist es das jedoch alles wert, um ein „lebendiges, atmendes Archiv“ erstellen zu können, mit dem jedermann interagieren kann. Es habe schließlich keinen Sinn, ein Museum zu haben, wenn die Leute nicht darin herumlaufen können, so O’Dwyer (via BBC).
Der YouTuber ist sich sicher, dass sich wahre Schätze in den Aufnahmen finden lassen: „Ich weiß schon, dass in dieser Sammlung einige Dinge versteckt sein werden, welche die gesamte Videospiel-Szene wirklich schockieren und begeistern werden.“
O’Dwyer geht es jedoch nicht nur um diese großen Momente, sondern auch um die kleinen. Die Momente, die jemanden einem Cousin oder alten Freund einen Link zuschicken lassen, mit der Nachricht: „Weißt du noch, als wir das damals immer gezockt haben?“
Rennen gegen die Zeit
Welche Schwierigkeiten gibt es? Die Kassetten haben, wie alle analogen Medien, eine Art Verfallsdatum. Mit jedem Jahr seien die Tapes weiter beschädigt worden, so O’Dwyer. Der Prozess setze sich mit jedem Tag, den sie in den Kisten im Noclip-Studio verbringen, fort.
Einige Aufnahmen seien bereits zu stark beschädigt, um abgespielt zu werden, sagt der YouTuber bedauernd. Das Noclip-Team muss sich also beeilen, die Videos zu digitalisieren, bevor noch mehr für immer verloren gehen.
1993 zockte ein 12-Jähriger im Fernsehen und wurde damit zum wohl ersten Gaming-Streamer
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