1993 zockte ein 12-Jähriger im Fernsehen und wurde damit zum wohl ersten Gaming-Streamer

1993 zockte ein 12-Jähriger im Fernsehen und wurde damit zum wohl ersten Gaming-Streamer

1993, fast zwei Jahrzehnte bevor Twitch online ging, wurde der damals 12-jährige J.J. Styles zum wohl ersten Gaming-Streamer. Wir von MeinMMO erzählen euch die Geschichte von Zot the Avenger.

Wer ist Zot the Avenger? Hinter dem Namen steckt der Amerikaner J.J. Styles. In den 90er-Jahren, als das Internet noch in seinen Kinderschuhen steckte, ging der damals 12-jährige Zot mit seiner TV-Show “Video Games and More” auf Sendung.

Die Sendung wies verblüffende Ähnlichkeit zu modernen Twitch-Streams auf, wie wir sie kennen. Das brachte Zot den Spitznamen “der originale Streamer” ein. Aber der Reihe nach.

Alles fing in einem kleinen Lokalsender in Tuscon an

Wie kommt ein 12-Jähriger an eine eigene Sendung? Video Games and More lief auf Access Tuscon, einem offenen Kanal. Das war ein Lokalsender in Arizona, der es Bürgern ermöglichte, ihre eigenen Sendungen auszustrahlen.

Styles’ Mutter arbeitete mit einer Organisation für adoptierte Kinder, um ihre biologischen Eltern ausfindig zu machen. Eine Fernsehsendung half ihnen, Informationen über die Organisation an die Öffentlichkeit zu bringen.

Der Junge begleitete seine Mutter ins Studio und lernte dort, wie man ein Set beleuchtet, die Kameras bedient und Schnittgeräte benutzt. Styles entwickelte ein Händchen für die Arbeit hinter den Kulissen und arbeitete bereits mit 10 Jahren an den Produktionen des Senders mit.

Styles hätte sich wohl kaum ausmalen können, dass einmal ein “Ninja” vor mehr als 600.000 Zuschauern Fortnite zocken würde.

Ein Streamer, bevor es Streaming überhaupt gab

Wann ging es los? Nachdem Styles an den Projekten anderer mitgearbeitet hatte, startete er schließlich seine eigene Sendung. Dafür suchte er sich Verstärkung in Form seines Kumpels Jason Kingman. Gegenüber der US-Seite PC Gamer sagte er in einem Interview 2021:

Ich habe an seinem Programm gearbeitet, Regie geführt und gesagt: ‘Schau mal, du musst mir helfen, Co-Moderator meiner Show sein, weil ich das nicht alleine machen will.’ Das ist zu viel Druck für ein 12-jähriges Kind.

J.J. Styles via PC Gamer

Warum gilt er als der originale Streamer? Video Games and More schaffte es, ein klares Produkt seiner Zeit zu sein und war ihr gleichzeitig sehr weit voraus. Die Ähnlichkeiten zu einem modernen Twitch-Stream sind verblüffend:

  • Wie viele Twitch-Streamer trat Styles mit einem Pseudonym auf: Zot the Avenger
  • Zot und Jason zocken vor einem Greenscreen, während hinter ihnen Gameplay eingeblendet wird
  • Die beiden kommentieren nicht nur ihr Gameplay und reden miteinander, sondern auch mit ihren Zuschauern, die live zugeschaltet werden

Eine der ersten Folgen haben wir euch hier eingebunden, damit ihr euch ein eigenes Bild vom Vorläufer der Twitch-Streams machen könnt. Zot the Avenger arbeitete auch mit der Website Internet Archive zusammen, um die originalen S-VHS-Kassetten zu digitalisieren. Das Ergebnis findet ihr hier.

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Baseball-Caps und Mortal Kombat

Wie sah die Sendung aus? Mit Video Games and More kombinierte der damals 12-Jährige seine Begeisterung für die Talkshow “Wayne’s World” aus dem gleichnamigen Film mit seiner Leidenschaft fürs Gaming. Mit langen Haaren, übergroßen Shirts und einer verkehrt herum aufgezogenen Baseball-Cap ausgestattet, stellte sich Zot the Avenger vor die Kamera.

In den ersten zwei Folgen, Vorläufer der 37-teiligen Serie, zockten Styles und sein Freund das Eishockey-Spiel EA Sports NHL ’93 und Mortal Kombat, dessen blutige Kämpfe für Debatten über die Gewalt in Videospielen sorgten.

In anderen Segmenten zeigte Zot zuvor aufgenommenes Gameplay, während sein schwebender Kopf dazu eingeblendet wird. Außerdem wurden Anrufer live zugeschaltet und konnten Fragen stellen. Ungefähr 50 Zuschauer soll er mit seiner Sendung durchschnittlich erreicht haben.

Zot The Avenger ging es allerdings nicht nur darum, entspannt zu zocken und dabei zu quatschen. In einer Zeit, in der man nicht einfach mal eben nahezu jede erdenkliche Information mit wenigen Klicks parat hatte, bemühte er sich, Gaming für seine Zuschauer zugänglicher zu machen.

Fernsehen von Kids und für Kids

Wie stellte er das an? Durch sein junges Alter wusste er genau, was seine Zielgruppe, andere Kinder und Jugendliche, beschäftigte: So kritisierte er in einer Episode den Gameboy, da der nur mit einem Batterie-betriebenen Zusatzlicht im Dunkeln spielbar war – denn woher sollten Kinder ständig das Geld für neue Batterien nehmen?

Styles abonnierte eine Reihe von Magazinen zu Gaming und Technologie, somit war er stets bestens informiert. Einen weiteren Vorteil hatte er durch die Unterstützung seiner Technik-affinen Mutter:

Sie ermutigte ihn, das Geld, das er für einen “McDonald’s”-Werbespot erhalten hatte, in einen Apple II zu investieren. Ausgestattet mit einem unbegrenzten Internetzugang – damals eine große Sache – begann er, Cheat Codes und Walkthroughs online zu sammeln.

Sein gesammeltes und weitreichendes Wissen teilte Zot the Avenger mit seinen Zuschauern: vom begehrten Blut-Code für Mortal Kombat bis hin zu einem eigenen Segment für Hardware-News:

Videospiele waren für Kinder schon immer unerreichbar, weil es sich um teure Hardware handelt. Also, wenn du deine Eltern um ein Geburtstagsgeschenk anbetteln willst, musst du im Voraus wissen, worum du betteln musst. Ich habe versucht, diese Informationen bereitzustellen, weil ich wusste, wie wichtig es ist.

J.J. Styles via PC Gamer

Styles hatte Erfahrung damit, aus wenig möglichst viel zu machen. Mit einem Lötkolben oder einer Bohrmaschine verwandelte er normale VHS-Kassetten in die etwas teureren S-VHS-Kassetten, die eine bessere Auflösung hatten.

Überhaupt machte er viel selbst: Das rotierende Logo, welches in den späteren Folgen eingeblendet wird, erstellte er mit Deluxe Paint auf einem Amiga 2.000 und animierte es eigenständig. Bei anderen Sachen, wie etwa der Einblendung von Codes zum richtigen Zeitpunkt, verließ er sich auf sein Team:

Ich bin sehr stolz auf mich selbst für das, was ich in diesem Fernsehstudio erreicht habe, weil ich mich reingehängt habe. Ich habe mich auf niemanden verlassen, außer, auf meine Crewmitglieder. Sie wurden normalerweise in das Programm aufgenommen, weil ich ein kleiner Controllfreak war, der ihnen live auf Sendung sagte, was sie tun sollen.

J.J. Styles via PC Gamer

Technologie soll Menschen verbinden

Was wurde aus Zot The Avenger? 1997 endete Video Games and More. Styles musste sich auf die Schule konzentrieren, studierte und wurde Musikproduzent. Für ihn sei das keine große Sache gewesen, er habe keine Zeremonie für seinen Abschied gebraucht, sagte Styles gegenüber PC Gamer.

Die Streaming-Kultur, für die er in den 90er-Jahren den Weg ebnete, verfolgte er hingegen weniger, obwohl er glaubt, Live-Streaming könne das Radio und Fernsehen in vielen Bereichen vollkommen ersetzen. Dafür hat er allerdings eine Einstellung, an der sich so einige moderne Streamer orientieren könnten:

Ich war mir sehr dessen bewusst, was ich da ausstrahlte. Und je mehr Macht man einem Kind gibt, desto verantwortungsvoller wird es sein. Und Streaming ist Macht.

J.J. Styles via PC Gamer

Für Styles war Video Games and More etwas, das die Menschen zusammen brachte. Niemand sei reich gewesen, niemand habe sich das technologische Equipment alleine leisten können, aber sie hätten zusammen gearbeitet, um ihre Botschaften zu teilen.

Dafür sei Technologie letztlich auch da: Um Kommunikation zwischen Menschen zu ermöglichen und zu verbessern.

10 Jahre, nachdem sich Zot the Avenger und Video Games and More verabschiedet hatten, ging eine Seite ins Netz, aus der später der Streaming-Gigant Twitch werden sollte. Die Geschichte der Website und eine Antwort auf die Frage, wer eigentlich den Titel des ersten Twitch-Streamers beanspruchen darf, könnt ihr hier nachlesen:

Wer war eigentlich der erste Twitch-Streamer und was macht er heute?

Quelle(n): PC Gamer, J.J. Styles via Internet Archive, Lorenzo Herrerea via Unsplash
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Matima

Ich war der erste gaming streamer! Ich habe damals auf dem Schulhof über das Gameboy Game, Pokemon berichtet. Es waren etwa 28 Zuschauer die auch ihre Kommentare abgegeben haben. Damals gab es noch nicht die Technik daher alles im old school mässig!

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