Unser Autor Benedikt Plass-Fleßenkämper hatte vor Jahren eine exzessive Phase in World of Warcraft, bis er schließlich seine Sucht besiegte. Mit WoW Classic wagt er mit seinem Nachtelf-Druiden nun den Wiedereinstieg als Gelegenheitsspieler. Sein Erlebnisbericht!
27. August, 0 Uhr. WoW Classic ist gestartet! Wie Hunderttausende andere Spieler auch habe ich schon vor zwei Wochen meinen Charakter erstellt und meinen Namen gesichert. Mein Nachtelf-Druide heißt wieder „Philosoph“ – genau wie im Februar 2005, als ich zum Europa-Release dank World of Warcraft zum ersten Mal der Faszination eines Online-Rollenspiels erlegen war.
Nun logge ich mich auf dem deutschen PvE-Server Everlook ein. Zu meiner Überraschung gibt es keine Warteschlange. Nur der klassische Ladebildschirm ist zu sehen – wenn auch ziemlich lange.
„Ach du Scheiße!“, entfährt es mir spontan, als ich von nostalgischen Gefühlen überwältigt werde. Unsere Katze miaut; sie mag es gar nicht, wenn ich fluche. Mein Herz schlägt schneller. Ja, ich bin ziemlich aufgeregt.
Philosoph ist wieder da
Warum? Für die meisten Spieler ist WoW ein ganz normales Hobby, dem sie mehr oder weniger intensiv frönen. Ich hingegen war eine ziemlich lange Zeit dieser Druiden-Tank namens Philosoph, denn ich war schlichtweg süchtig nach WoW.
Meine persönliche WoW-Story und wie es dazu kam, dass ich nun mit WoW Classic wieder als Casual einsteige, habt ihr vielleicht hier auf MeinMMO bereits gelesen:
Ansonsten kann ich sie euch nur ans Herz legen. Dann dürftet ihr genau nachvollziehen können, wieso mich der Launch von Classic doch einigermaßen aufwühlt.
Heute sind dem mehrfachen Familienvater, ehrenamtlichen Fußballtrainer sowie passionierten Hobbyläufer viele Dinge wichtiger als Server-First-Kills und epischer Loot. Mit WoW Classic möchte er als Gelegenheitsspieler wieder einsteigen – und schreibt für MeinMMO über seine Erfahrungen als „Casual“.
Zwei Stunden Entspannung
Für heute sind zwei Stunden Spielzeit eingeplant. Ich habe mir fest vorgenommen, mich von nichts in der Welt stressen zu lassen. Sollen doch andere so schnell wie möglich auf Level 60 hetzen. Ob ich mit Philosoph in WoW Classic irgendwann tatsächlich die Höchststufe erreiche? Das ist für mich absolut sekundär.
Ich will WoW einfach ganz gemütlich neu erleben, mir ein wenig Entspannung vom hektischen Arbeits- und Familienalltag gönnen und nur das tun, worauf ich Lust habe – und vor allem in welchem Tempo. Ob ich mich einer Gilde anschließen werde, weiß ich noch nicht. Fürs Erste möchte ich alleine losziehen.
„Zehntausend Jahre lang pflegten die unsterblichen Nachtelfen eine druidische Kultur in den schattigen Nischen des Waldes von Ashenvale…“
Als die Intro-Sequenz des Nachtelfen-Startgebiets beginnt und ich den klangvollen Worten des Sprechers lausche, bekomme ich eine kleine Gänsehaut. Da bin ich nun also wieder, zurück im alten Azeroth. Allerdings bin ich dort alles andere als alleine: Hunderte Nachtelfen hüpfen vor dem ersten Questgeber in Shadowglen auf und ab, manche Spieler lassen ihre Charaktere auch tanzen.
Die Aufbruchsstimmung ist ansteckend! Ich schnappe mir den ersten Auftrag und stürze mich ins neue, alte Abenteuer…
Jede Menge los bei den Nachtelfen
Die ersten Spielminuten in WoW Classic sind ein wenig wie das Nachhausekommen nach langer Zeit: Erst ist es ein wenig ungewohnt, doch dann finde ich mich schnell zurecht. Und das auch ohne Addons, denn zumindest heute werde ich auf Hilfen und Komfortfunktionen verzichten. Ich lese brav jeden Questtext und lasse mich ganz in die Atmosphäre des Spiels fallen.
Das ist das angesichts der Massen an Spielern, die sich ebenfalls nach Azeroth begeben haben, jedoch gar nicht so leicht: Ich muss mich höllisch beeilen, für Quests relevante Gegner anzugreifen, bevor es ein anderer tut.
Denn anders als im heutigen WoW muss sich hier jeder sein „eigenen“ Mob und Loot organisieren. Somit ziehen sich die ersten Aufgaben etwas hin. Aber das ist mir egal, bei meinem Classic-Comeback soll schließlich der Weg das Ziel sein.
Nebenbei chatte ich kurz mit einer Schurkin, der ich – natürlich versehentlich! – einen Nachtsäbler vor der Nase weggeschnappt habe. Wir stellen beide fest, dass wir den Nostalgietrip bislang ziemlich cool finden „Endlich ist in WoW wieder alles schön langsam“, schreibt sie.
Apropos langsam: Zwischendurch nehme mir auch die Zeit, die Tastenbelegung sowie diverse HUD-Elemente anzupassen, „Questtexte sofort einblenden“ sowie Schnell-Plündern zu aktivieren und ein wenig mit den neuen Grafikeinstellungen zu experimentieren. Ich gönne mir schließlich die höchstmögliche Detailstufe – warum auch nicht.
Level 5 muss reichen
Irgendwann gibt es erste Serverlags, und ich kann keine neuen Quests annehmen. Das Ganze dauert zum Glück nur wenige Minuten, dann läuft das Spiel wieder normal weiter. Die ersten Stufenaufstiege sind schließlich schnell gepackt, ebenso erstehe ich beim Klassenlehrer mit „Mondfeuer“ einen weiteren nützlichen Zauber und mit „Mal der Wildnis“ den mächtigen Druiden-Buff.
Die Lowlevel-Roatation für den Druiden funktioniert wie eh und je: Erst „Mondfeuer“ auf den Gegner zaubern, dann „Zorn“ spammen, bis das Mana leer ist – und den Rest dann per Nahkampfangriff erledigen.
Ich spiele weiter. Ich mag das verträumte Ambiente des Nachtelfen-Startgebiets; vor allem die Musik ist immer noch fantastisch.
Blick auf die Uhr: Es ist schon kurz nach 1 Uhr. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht! Längst bin ich wieder voll drin im klassischen WoW-Feeling, habe mich an die langen Laufwege und die ständig vollen Taschen gewöhnt. In einer Höhle werde ich von drei anderen Spielern spontan in eine Gruppe eingeladen. Gemeinsam bekämpfen wir nun Waldweberspinnen.
Erste Gruppe, erster Glücksmoment
Im Gruppenchat erzählt der Nachtelf-Priester, dass er in WoW bislang immer nur gequestet und noch nie das Endgame gespielt habe. Auch hätte er noch nie irgendein Addon benutzt. Ich muss schmunzeln, denn bei mir war das alles bekanntlich definitiv anders. Wenn ich allein daran denke, wie mein Raid-Interface zu WOTLK-Zeiten aussah…
Ich freue mich über den neuen Ingame-Kontakt und füge ihn zu meiner Freundesliste hinzu. Wir kämpfen uns weiter durch die von zahlreichen anderen Spielern bevölkerte Höhle. Unglaublich, wie viele Leute WoW Classic direkt zum Start spielen!
Dann der erste große Glücksmoment: Eines der Krabbelviecher lässt einen Lederbeutel mit sechs Inventarplätzen fallen. Juhu, geil, her damit! Und auch meine erste halbwegs passable Waffe, die ich als Questbelohnung einsacke, sorgt bei mir für erhöhte Serotoninausschüttung. Als ich die Quest abgebe, erreiche ich Level 5 und soll den Weg ins benachbarte Dolanaar antreten.
Werde ich machen, aber nicht mehr heute, denn ich bin langsam hundemüde. Und siehe da: Es ist „erst“ 1.55 Uhr – ich bleibe somit sogar unter den mir selbst verordneten zwei Stunden. Doch für heute reicht es mir. Ich verabschiede mich von dem Priester und logge mich aus.
WoW Classic als Casual? Könnte funktionieren! Gute Nacht, Azeroth. Bis irgendwann.
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.
Schön wie viele mit WoW soviel Nostalgie verbindet. Ich selber finde WoW alles andere als gut.
Die Spaßbremse bei WoW ist eben dieser Comic Look weil alles keine richtige Abwechslung und richtige Designvielfalten bietet. In meinen Augen sehen die Grafiken alle gleich aus und zwar motoirisch zu grob.
Ich habe bei der Beta mitgespielt, bei Burning Crusade mit eingestiegen und mit Wotk nochmal probiert mich mit WoW anzufreunden. Was mich aber auf langesicht gestört hat das WoW zunehmend leichter wurde und Leute die Sachen einfacher bekamen bzw. Einstellungen Infos einfach rausgenommen wurden.
Eben weil das ein mmorpg ist erwarte ich viele Informationen auch wenn ich nicht alles richtig verstehe.
Ich spiele derzeit “Black Desert Online” da ich das Kampfsystem liebe und Allgemein das Ausrüstungssystem weil nicht ständig neue Ausrüstung gefarmt werden muss. Klar muss welche zum Aufwerten gesucht werden aber es kommt nicht ständig mit jeder Erweiterung/Stufen erhöhung neue Ausrüstung dazu die erfarmt werden muss. Den starken Glücksfaktor beim aufwerten und der starke Grindingfaktor stört mich zwar.
Aber solange ich kein mmorpg finde das ähnlich aufgebaut ist nur mit besserer Umsetzung und das es nicht nur auf Glück und Grinden ankommt. Bleibe ich bei BDO.
Ich wünschte mir echt mal ein mmorpg bei dem alles interargierbar ist z.b. ein Waffenständer sind 1 Axt und 1 Schwert abgestellt. Dann werden diese auch so wie diese abgebildet sind gelootet. Ein dynamisches Okösystem das Auswirkungen bringt wenn gewisse Aktionen durchgeführt werden wie z.B. Bäume fällen, Kräuter sammeln, etc. Etwas richtig umfangreiches.
Die Server werden immer Leistungsfähiger und ich glaub sehr daran das sowas irgendwann mal kommen wird. Ich hoffe nur das ich sowas mit meinen 32 Jahren noch miterleben und genießen kann.
Also nach Dolanar für Gasthaus und Ruhebonus hättest du wirklich noch latschen können um dich dort auszuloggen.
Klar, spieltechnisch gesehen hast du völlig Recht. Ich wollte mich aber eben genau von solchen “Zwängen” freimachen nach meinen Erfahrungen von früher. Einfach spielen, wie es gerade mal passt. Und wenn ich dann müde bin, logg ich mich eben an Ort und Stelle aus.
Naja, aber wenn Du das früher auch so gemacht hast, dann nur weil Du es damals nicht besser wusstest.
Oder wusstest Du vom Ruhebonus und hast ihn absichtlich ignoriert?
Das hast du falsch verstanden. Mit “Erfahrungen von früher” meinte ich die in diesem Artikel beschriebene Suchtphase: https://mein-mmo.de/wie-ich…
Und da ich genau sowas nicht mehr möchte, sind mir dann Ruhebonus etc. egal, weil ich völlig nach eigener Lust und Laune spiele. Und wenn ich dann saumüde bin, latsche ich eben nicht mehr nach Dolanaar, sondern geht gleich schlafen. Früher hab ich das *natürlich* gemacht.