Ein Spieler von WoW Classic zeigte auf Twitch seine zugemüllte Wohnung mit dem Satz: „Das machen Rang 14 und die Depression aus einem.“ Der Clip ging viral, die Leute bestaunten das Chaos mit Entsetzen. Mittlerweile räumt der junge Mann seine Wohnung auf: Da ist einiges zu tun, Pizzaboxen stapeln sich mannshoch, ein Berg aus Cola-Flaschen muss abgetragen werden.
Das ist der Clip: Der Streamer sagt: „Das machen Rang 14 und Depression aus einem“ und lässt die Kamera über seine Küche schweifen:
- Man sieht zig leere Pizza-Schachteln, die alle offenbar vom selben Lieferservice aus der Nähe stammen
- Der Küchenbereich ist zugestellt mit angebrochenen Gläsern von Erdnussbutter und anderen Brotaufstrichen – der Streamer lacht und sagt, er verschütte ständig Kaffee
Der Clip hat mittlerweile über 150.000 Aufrufe, dabei hat der Streamer im Schnitt nur so 20 Zuschauer.
Ich räum auf – nur dieses Jahr noch nicht
In weiteren Clips zeigt der Streamer einen Berg aus Cola-Flaschen, weitere Türme an leeren Pizza-Schachteln und kommentiert das mit:
Ich leb seit sechs, sieben Jahren hier. Ich hab aufgeräumt. Nur dieses Jahr hab ich mich dazu entschlossen, es nicht zu tun.
Rukk1
Dann bekommt er von einem Twitch-Zuschauer den wertvollen Tipp, die Cola-Flaschen doch zu zerdrücken, dann passen mehr in den Aufräum-Behälter.
“Rang 14” in WoW gilt als seelenfressender Grind
Was ist da mit Rang 14? Im MMORPG WoW gab es in der Anfangszeit einen gefürchteten Grind, den nur die härtesten Spieler auf sich nahmen. Da galt es im PvP den Rang 14 zu erreichen. Das war ein PvP-Rang in WoW: der Oberste Kriegsfürst oder Großmarschall.
Das Problem war, dass der Rang es erforderte, eigentlich konstant 16 Stunden am Tag PvP zu spielen. Denn wenn man Pausen einlegten, fiel man zurück.
Rang 14 war ein knochenharter Grind, den nur wenige schafften und der dann über Jahre als Mythos kursierte, wie unfassbar hart und suchterzeugend WoW damals war: Das war eine Leistung, die man eigentlich nur erbringen konnte, wenn man dafür alle anderen Aspekte seines Lebens aufgab, war die allgemeine Meinung.
Überhaupt galt WoW Mitte der 2000er als ein Sucht-erzeugendes Spiel, das Leben zerstören konnte.
Blizzard hat dieses ganze PvP-System später überarbeitet. Doch mit WoW Classic kam das Grind-System 2019 wieder in der Urform zurück.
Wieder war es ein hammerharter Grind. Die ersten erreichten im Februar 2020 tatsächlich den Rang 14 – viele andere Spieler sind an dem Grind aber zerbrochen. Der Twitch-Streamer Sodapoppin gab auf: Er sei mittlerweile einfach zu alt dafür.
WoW-Sessions mit bis zu 16 Stunden auf Twitch
Die Statistiken sagen, dass der Streamer Rukk1 in den letzten 90 Tagen mehr als 10 Stunden pro Tag gestreamt hat. Im August und September hat er viele Marathon-Streams in WoW, die bis zu 16 Stunden dauerten (via sullygnome).
Rukk1 hat diesen Grind wohl mit seinem Jäger „RukknRoll“ auf sich genommen und darüber augenscheinlich andere Aspekte seines Lebens vernachlässigt.
Offenbar hat er sich seit einigen Monaten nur von Pizza ernährt, aber konnte sich nicht dazu aufraffen, die Schachteln in irgendeiner Form zu entsorgen.
So geht das weiter: Es ist ein seltsamer Prozess, der sich da live ereignet.
Der Streamer Rukk1 scheint seine Rolle als „depressiver Nerd“ voll anzunehmen und damit zu kokettieren. In Twitch-Clips sagt er: „Duschen sei was für Normies“.
Er unterstreicht seine Depression.
Nachdem der Clip nun viral ging, sagt er in seinem Discord etwa: „Wenn man aus den falschen Gründen berühmt ist, ist man immer noch berühmt, oder?“
Ein Gutes scheint die Aktion jetzt zu haben: Im Moment streamt Rukk1 kein WoW mehr, sondern ist in „Just Chatting“ unterwegs. Er räumt seine Wohnung auf und holt sich da beim Chat direkt Tipps, welche Reiniger er verwenden soll.
Die Situation geriet außer Kontrolle, aber jetzt geht er’s an
Das sagt der Streamer selbst: Wir von MeinMMO konnten Rukk1 einige Fragen nach seinem aktuellen Stream stellen, in dem er seine Wohnung aufräumte. Nach seinem Alter gefragt, sagte er, er sei Mitte 30.
Wir fragten ihn dann, wie es ihm geht. Es wirke ja fast so, als mache er sich über seine Depression lustig.
Rukk1 sagte: Mit der Depression gehe er in der Tat locker um, aber das sei überhaupt kein Scherz für ihn. Er habe seine geistige Gesundheit vernachlässigt. Die Situation geriet außer Kontrolle. Jetzt wolle er das aber angehen.
Aber er versucht auch die humorvolle Seite seiner Situation zu sehen – es bringe ja auch nichts, nur darüber zu brüten.
Die Reaktionen auf den Clip und dass er jetzt anfängt, seine Wohnung aufzuräumen, haben ihn beeindruckt. Damit hatte er nie gerechnet:
Diese ganze Aufmerksamkeit ist ziemlich irre. Eigentlich dachte ich, dass ich nur für die üblichen Leute streame, die bei mir rumhängen. Als es dann abhob, war das eine Überraschung, aber wie positiv alle reagierten, war echt überwältigend.
Es meldeten sich eine Menge Freunde, die ich lange nicht gesehen habe, und sagten, ich mach das gut. Neue Leute ermutigten mich. Die sagten, ich inspiriere sie dazu, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen. Leute schrieben mir Nachrichten: Hey, ich kenn dich nicht, aber ich weiß, wie es dir geht, und ich bin da, wenn du reden willst.
Rukk1
“Alleine hätte ich das nie gemacht”
Wir fragten dann, zugegeben etwas suggestiv, ob es so wäre, dass er seine dreckige Wohnung gezeigt habe, um seine Probleme öffentlich zu machen und sich dazu zu zwingen, sie anzugehen, ob das eine “Selbst-Therapie durch Twitch war.”
Er sagte: Er weiß, dass er das nie alleine gemacht hätte. Er redete sich zwar ein, dass er es macht, aber dazu kam es nicht.
Es war dann der Punkt erreicht, dass er sich sage: “Okay, ich hab keine Ideen mehr. Twitch sorgt dafür, dass ich mich geistig wohl fühle. Ich stream es mal und schaue, was passiert.”
Das dreckige Zimmer auf Twitch zu zeigen und mit dem Aufräumen zu beginnen, war für ihn dann wie ein Anlass, es dann wirklich anzugehen. Das Streamen hat ihm neuen Schwung gegeben.
Update 8.10 13:00 Uhr: Die Geschichte nahm noch eine interessante Wendung. Vielleicht hat der Clip ja was Gutes bewirkt. Wir haben uns auf MeinMMO erneut mit Rukk1 beschäftigt:
Twitch-Streamer spielt viel zu viel WoW, müllt Wohnung zu – Wird jetzt gefeiert
WoW etablierte das Genre “MMORPG” als Massen-Phänomen vor gut 15 Jahren im Westen. Seit damals kursiert das Bild eines MMORPG-Spielers, der so süchtig nach einem Game ist, dass er darüber alle anderen Aspekte seines Lebens komplett vernachlässigt und nur noch für das Spiel lebt.
Wir haben uns darüber auf MeinMMO mit einem Experten unterhalten:
Warum machen MMORPGs süchtig? Wir haben einen Psychologen gefragt
Wenn ihr das Gefühl habt, ihr fühlt euch gerade nicht wohl und habt Verhaltensmuster entwickelt, die ihr nicht gut findet, könnt und solltet ihr euch an überregionale Krisentelefone widmen.
Die Telefonseel-Sorge erreicht ihr unter:
Tel.: 0800 / 11 10 111
Tel.: 0800 / 11 10 222
Rund um die Uhr
www.telefonseelsorge.de
Update: Wir haben den Artikel am 6.10. um 15:50 Uhr mit Informationen aus einem Interview ergänzt, das wir mit dem Streamer führen konnten.
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Das ist unfassbar traurig. Der gute Mann braucht dringend professionelle Hilfe.
Na und? ^^
Find ich gut das er die Kurve bekommen hat und von seiner Community so unterstützt wird. Und ja… ein solches Game kann wirklich süchtig machen !
Ein viel zu unterschätztes Problem… auf das nur oft genug hingewiesen werden kann !
Ich kann es aber nachvollziehen. Wenn man in seinem Leben einen harten Schlag einstecken muss, sucht der Mensch automatisch nach einem Weg um diesen zu kompensieren. Und ja… das kann auch ein süchtig machendes online Game sein…
Auch gruselig empfinde ich wie manche auf ihm herum hacken !
Jeder Mensch kann in solch eine Phase abrutschen !!! …wenn nur die Umstände dafür passend werden…
Ein Fakt der bei der ganzen Stichellei gern vergessen wird…
Und da ist es Gold wert, Menschen zu haben die einem da raus helfen.
Ihr regt Euch alle über den Müll auf?
Ich frage mich, wo die ganzen Deckel von den Cola Flaschen sind!!!!!? (Akte X Musik)
und haben die da auch 0.25€ Pfand auf die Flaschen drauf?
Richtiger Messi einfach nur Krank . Dem gehört sofort der WOW Account gesperrt und in eine Suchtklinik eingewiesen um dort die richtige Hilfe zu bekommen.
Wie ist das überhaupt möglich? Im Schnitt 20 zuschauer also ist Twitch keine Einnahmequelle aber 10 Stunden pro Tag Zeit zum zocken? Wie finanziert der sein Leben? Ich war auch schon mal ein halbes Jahr Arbeitslos und man zockt schon sehr sehr viel wenn man nix zu tun hat aber irgendwann geht einem doch mal die Kohle aus.
Weis nicht was alle haben er lebt halt den Asmongold stile^^
Bei dem ist schon lange bekannt das seine Bude ähnlich aus sieht und da regt sich keine Sau drüber auf. Im gegenteil da ist es ein meme und wird belächelt.
Wenn ich und meine Frau Freitag bis Sonntag durchzocken sieht das auch so aus 😉
Ne Zeit lang sah’s bei mir auch so aus.
Habe dann ne Taktik entwickelt, mit der die Wohnung ohne Aufwand blitzeblank bleibt:
Beim Verlassen eines Raumes diesen einfach sauberer zurücklassen, als man ihn aufgefunden hat (wenn auch nur minimal). Einfach z.B. ein paar Verpackungen auf dem Weg zum Klo entsorgen. Nach 2 Wochen sah die Bude wieder aus wie neu und wäre das auch heute noch, wenn meine Freundin nicht wäre…
da fehlen noch die plastikflaschen mit der gelbe Flüssigkeit drin
Also, der sollte lieber nicht ein Mädchen zu sich einladen ?
kommt mir bekannt vor ein kumpel von mir hat zu Classic Zeiten auch so gehaust , die küche hat regelrecht gelebt ^^ widerlich sowas
Das muss definitiv nicht so sein. Ich habe kurz vor Rang 14 Schluss gemacht, zwei Wochen haben gefehlt. Homeoffice war vorbei aber ich habe während dessen meine Arbeit geschafft, meine Wohnung war sauber, ich haben nebenbei geraidet, knapp ne Stunde Sport am Tag gemacht, war am Wochenende mal weg und Abends meist gegen 20-21 Uhr “Feierabend” gemacht und mir mal ein Film oder ne Serie angeschaut. Und das beim Solo Grinden mit einer Stamm wäre es wesentlich weniger aufwendig gewesen.
Zeit habe ich schon in vielen Spielen sehr, sehr, sehr viel gelassen und sicher häufiger nicht viel mehr getan als geschlafen aber für Hygiene war immer Zeit. Sowas sind dann eher eigene Prioritäten und Ansprüche.
Ich sehe hier ein Problem seitens Blizzard, nur sie können es lösen damit Menschen nicht 16/h täglich Spielen müssen um zu erreichen was sie wollen.
Bloss nicht, wir allen kennen doch die Aufregung als in Asien diese Spielzeit Blockaden eingeführt wurden
Gut das ich damals mein Rank 14 gemacht habe. Jetzt hätte ich weder zeit noch Lust dazu 18 bis 20 std im BG oder in den Pestländern oder am Blackrock zu Campen.
Twitch hat das damalige PvP System wunderbar übernommen. Absurde Rankings werden gepushed und ggf. winkt auch noch Belohnung für die Selbstzerstörung. ?
Twitch finde ich ja generell schräg, aber im Bereich Gaming sollten die vielleicht mal eine maximale Sendezeit einführen. Allein, damit sich die Leute aus gesundheitlichen Gründen mal bewegen – klar, das wäre keine Garantie dafür.
Wundert mich, dass bezüglich Selbstgefährdung/ -vernachlässigung, vor allem in den USA, noch nicht gegen Twitch geklagt wird. Vielleicht muss Twitch aber auch hier noch ein Thrombose-Ranking einführen.
In unserer Stammgruppe damals waren einige R14 Spieler und ohne Account Sharing, oder ähnliche Zustände wie hier beschrieben, war das echt nicht möglich.
Das System mit Rängen würde ich mir noch heute wünschen, aber in einer definierteren und zeitlich limitierteren Form. Es hat mir Spaß gemacht.
Hat man deswegen nicht auch damals am asiatischen Markt eine Sperre eingebaut dass XP und Loot immer geringer wurden wenn man keine mindest-Pausen eingelegt hat?
Da hatten sich die leute mit WOW doch überhaupt nicht mehr im Griff.
Stimmt, solche Mechaniken gibts in Asien in einigen Spielen. Glaube sogar bei der ersten Version von Final Fantasy XIV war das bei uns in NA/ EU auch so.
Ist zwar eine Bevormundung, wobei es die “Normalspieler” selten betrifft an solche Caps zu stoßen.
Wenn Twitch aber die Monetarisierung, Fame, whatever durch ein tägliches Cap an Übertragung begrenzen würde, im Sinne der psychischen und physischen Gesundheit, wäre das Problem relativ einfach im Blick und zumindest teilgelöst.
Würde Twitch nie machen, sie wollen ja die Leute an den Bildschirm fesseln, aber es gibt ja auch 48 Std. + Streams, wo man sich fragen muss, was das soll?
Ekelhaft. Der braucht Hilfe. Das ist nämlich auch unhygienisch und eventuell löst das sogar Krankheiten aus. Mal ganz abgesehen davon, dass es absoluter bullshit ist so zu hausen.
Ein Mekka für Kakerlaken, Ratten, Fliegen und Maden würde ich mal sagen
Das ist ja schon ein sehr krasses Negativbeispiel – die meisten Streamer (die schon länger dabei sind) sind ganz normale Menschen.
Oft ist bei solchen Menschen schon vorher etwas nicht ganz in Ordnung und da zeigt sich ein Problem dann visuell. Was aber cool ist ist das dem Streamer von vielen Seiten Tipps gegeben werden wie er das wieder in den Griff bekommt.
Pfui, wie versifft nur schon der Tisch und vor allem die Tastatur aussieht. Aber jedem wie es Ihm gefällt.
Schlimm ist aber wenn man es noch belächelt oder selber lustig findet wenn man die Kontrolle über sein Leben verloren hat.
Natürlich gehört zu so einer Sucht und dem Realitätsverlust einiges dazu aber auf Twitch wundert es mich nicht dass man solche Verhalten “züchtet”.
Es wird einem ja oft genug suggeriert “du willst erfolgreich sein? dann streame so viel wie möglich!”.
Alleine wenn da verglichen wird wer die meisten Stunden online gewesen ist etc.
Es gibt genug die vom Großen Traum träumen mit dem Zocken reich zu werden…und sicher auch genug die alles dafür machen würden.