Das neue Cinematic zu World of Warcraft mit Bastion sorgt für viele Diskussionen. Wir analysieren das Video genau und erklären, was da eigentlich passiert ist – und was es bedeutet.
Gestern wurde das erste von vier neuen Cinematics zur kommenden Erweiterung World of Warcraft Shadowlands veröffentlicht. Während einige Lore-Fans aufgeregt im Kreis springen und die Details des Videos Nachleben, Bastion feiern, haben andere Spieler große Fragezeichen über dem Kopf. Es wird also Zeit für eine Analyse und mögliche Interpretationen des Gesehenen.
Damit wir alle auf dem gleichen Stand sind, haben wir hier zuerst das Cinematic, das ihr euch vorher anschauen solltet:
Uthers Reise in die Bastion
Das Video beginnt mit einem der wichtigsten Augenblicke in der Geschichte von Warcraft 3. Der zum Todesritter gewordene Arthas Menethil tötet seinen ehemaligen Paladin-Lehrmeister Uther Lichtbringer mit der verfluchten Runenklinge Frostgram.
Kurz darauf findet er sich in den Armen einer aufgestiegenen Kyrianerin wieder, Devos. Diese bringt Uther in das Reich, in das er von der Seelenrichterin eingeteilt wurde: Bastion.
In Bastion landen Seelen, die ein besonders reines und rechtschaffenes Leben geführt haben. Die Seelen beginnen als Aspiranten und müssen im Verlauf von vielen Jahren (manchmal auch Jahrtausenden) ihren Erinnerungen abschwören um vollkommen entleert zu werden. Erst dann darf eine Seele „aufsteigen“ und losgelöst vom alten Leben den Platz unter den Kyrianern einnehmen, um dem Pfad der Archon zu folgen. Als engelsgleiche Wesen sorgen sie daraufhin dafür, dass die Seelen in ihr entsprechendes Reich geführt werden.
Uther jedoch tut sich damit schwer. Obwohl Zeit verstreicht, leidet er ungewöhnlich viel und kann von seinen Erinnerungen nicht Abstand nehmen. Das Gefühl bleibt, dass er seine Aufgabe noch nicht beendet hat. Etwas, das auch Devos nicht entgeht, die ein besonderes Augenmerk auf Uther geworfen hat.
Im Gespräch mit Uther findet Devos heraus, dass Uther sich nicht von seinen Erinnerungen lösen kann, weil er noch immer die Klinge spürt, die ihn ermordet hat. Devos betrachtet daraufhin die schmerzende Stelle und erkennt, dass nicht nur Uthers Körper vernichtet wurde, sondern auch seine Seele Schaden erlitten hat.
Die Zersplitterung von Uthers Seele
Devos berührt daraufhin die tödliche Wunde des Paladins. In der Rückblende sehen wir erneut Uther, wie er von Arthas niedergestreckt wird. Die Runen auf Frostgram leuchten auf, als die Seele des Paladins seinen Körper verlässt.
Hier ist besonders interessant, dass Uthers Seele in zwei Teile gerissen wurde. Der bläuliche Teil wird von der Runenklinge verschlungen, während der goldene Teil in die Schattenlande übergeht.
Wir wissen allerdings nicht, ob dies ein einmaliges Phänomen ist, das nur bei Uther zum Tragen kommt. Immerhin hat Uther in seinen letzten Momenten noch gebetet „Licht, rette meine Seele“. Da Uther als einer der größten Paladine aller Zeiten gilt, wäre es durchaus möglich, dass das Licht nur ihm diesen Wunsch gewährt hat.
Sollte das ein normales Vorgehen von Frostgram sein, dass Seelen in Teile gerissen werden, würde das noch größere Implikationen haben – etwa für Sylvanas oder all die anderen Wesen, die im Laufe der Geschichte von der Runenklinge getötet wurden. Bisher ist das aber nur reine Spekulation, weshalb man Uther mit seiner Vorgeschichte wohl eher als Einzelfall betrachten sollte.
Auf der anderen Seite könnte diese Spaltung der Seele aber auch den simplen Grund haben, dass Blizzard die Kontinuität der Geschichte irgendwie erzwingen musste. Immerhin konnten die Spieler in der Eiskronenzitadelle und den dortigen Dungeons mit Uthers Seele kommunizieren. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn seine Seele vollständig in die Schattelande übergegangen wäre. Gleichzeitig hätte man Uthers Geschichte nicht so erzählen können, wenn die Seele vollständig in Frostgram verblieben wäre.
Abstieg der Paragon Devos
Vom Gesehenen schockiert, wendet sich Devos daraufhin an die Archon. Sie warnt davor, dass ein Sterblicher (Arthas) die Macht des Schlundes (Frostgram) in den Händen hält und damit auf einer Welt der Sterblichen (Azeroth) für Chaos sorgt. Irgendetwas muss demnach aus dem Schlund entkommen sein – etwas, das in den Schattenlanden als vollkommen ausgeschlossen gilt. Devos sieht die Bastion in Gefahr und zweifelt sogar den „Pfad“ an – die göttliche Ordnung, nach der alles in Bastion geschieht und von der Archon geleitet wird.
Die Archon jedoch will von alledem nichts hören. Sie verlangt, dass Devos Abstand von diesen Gedanken nimmt und sich nicht weiter damit beschäftigt.
Devos stimmt dem Befehl zwar zu, doch während sie sich abwendet quasi „auf die Kamera zugeht“, verfinstert sich ihr Antlitz, als wenn sich ein Schatten darüber legt. Diese Gedanken lassen sie offenbar nicht in Ruhe.
In der nächsten Szene schwebt Devos zu Uther hinab und verkündet, dass die Zeit seines Aufstiegs gekommen sei – obwohl seine Seele noch gar nicht die Anforderungen erfüllt. Dennoch gewährt Devos Uther eigenmächtig den Aufstieg, nachdem sie gefragt hat, ob Uther „ihn“, also Arthas, bestraft sehen will. Uther akzeptiert. Das macht ihn zum ersten aufgestiegenen Kyrianer, der sich nicht von seinen Erinnerungen gelöst hat.
Mit dem Versprechen, Arthas zu ergreifen, sobald er im Reich der Sterblichen fällt, legen sich Uther und Devos auf die Lauer.
Der Sturz des Lichkönigs
Die nächste Szene zeigt den wohl wichtigsten Augenblick aus der Erweiterung Wrath of the Lich King. Der Lichkönig Arthas ist gefallen, Frostgram wurde zerschmettert und sein sterbender Körper blickt in den Himmel. Seine letzten Worte „Ich sehe nur Finsternis vor mir“ bekommen hier eine neue Bedeutung. Denn diese Finsternis ist niemand anderes als Devos, die seine Seele vor dem Übertritt in die Schattenlande abfängt.
Das ist bildtechnisch ziemlich mächtig. Obwohl aufgestiegene Kyrianer eigentlich engelsgleiche Wesen sind, wirkt Devos hier durch die Lichtverhältnisse düster, bedrohlich und fast schon böse. Ein starker Kontrast zur eigentlich friedlichen und hellen Bastion, der sie dient.
Die nächste und letzte Szene ist wohl die bedeutsamste. Devos hat sich über „den Pfad“ hinweggesetzt. Anstatt dass Arthas von der Seelenrichterin verurteilt wird, wie es eigentlich alle Seelen durchlaufen müssen, entscheidet sie mit Uther selbst über das Schicksal des ehemaligen Lichkönigs.
Uther hält Arthas am Hals fest. Während Devos und Uther dank ihrer Flügel schweben, ist Arthas’ Seele nicht bei Bewusstsein, während sie über dem Schlund schweben. Der Schlund ist jener Bereich der Schattenlande, die wohl der ewigen Verdammnis gleichkommt.
Devos verlangt: „Werft ihn in den Schlund. Gebt ihm der Dunkelheit, der er dient. Seine ewige Folter erwartet ihn.“
Bei diesen Worten ist besonders Uthers Aussehen interessant. Seine Augen sind weit geöffnet, sein Blick wirkt nahezu fanatisch. Dennoch kommt er der Anweisung nicht sofort nach, sondern nimmt sich die Zeit, um Arthas im Würgegriff zu betrachten. Arthas, mit noch immer geschlossenen Augen, sieht dabei schon fast harmlos aus – gebrochen und schwach. Wie ein ganz normaler Mann, der einfach schläft.
Uthers Blick wandelt sich mit den Worten „Er war mein Schüler…“, Mitgefühl und Reue schleicht sich in seinen Blick. Offenbar denkt er darüber nach, ob die ewige Verdammnis wirklich gerecht ist, wo er es doch war, der Arthas ausgebildet hat. War es vielleicht sogar sein eigener Fehler, dass Arthas zu dem wurde?
Hier ist die bildliche Darstellung extrem interessant: Uthers Gesicht wird unscharf, stattdessen fokussiert sich das Bild auf Devos, die über seine Schulter spricht: „Bedenkt, was er getan hat und übt Rache.“ Devos wirkt hier nicht mehr wie ein engelsgleiches, gerechtes Wesen – sondern wie ein Teufel auf der Schulter, der böse Einflüsterungen spricht, um Uther zu dunklen Taten zu verleiten.
Uthers Blick verfinstert sich wieder. Mit den Worten „Nicht Rache … Gerechtigkeit“ kommt er Devos’ Anweisungen nach und schleudert Arthas Seele in den Schlund und verdammt ihn damit zu ewigen Qualen.
Eine Entscheidung, die Uther womöglich in der Zukunft bereuen wird.
Ein perfekter Auftakt für Shadowlands
Mit dem animierten Kurzfilm dürfte es Blizzard geschafft haben, viele alte WoW-Fans anzusprechen. Nicht nur wurden Helden wie Uther und Arthas thematisiert, sondern auch gleich Probleme und Schwierigkeiten der Schattenlande aufgezeigt.
Außerdem greift das Video ein typisches Thema der Warcraft-Reihe auf: Was ist eine böse Tat? Wie vergeltet man etwas Schreckliches? Ist es wirklich Gerechtigkeit, wenn man jemanden zu ewigen Qualen verdammt?
Allerdings zeigt das Video auch eine kleine Schwierigkeit: Warcraft kann sich einfach nicht von seinen größten Charakteren lösen und muss immer mal wieder Arthas aus dem Hut ziehen. Solange das nur für solch epische Momente genutzt wird, ist das aber kein Problem.
Ich bin auf jeden Fall schwer begeistert, wie es Blizzard geschafft hat, die “alte Lore” von vor knapp 10 Jahren mit der neuen Welt der Schattenlande zu verbinden. Gerne mehr davon. Und gerne viel.
Cortyn Nightshade
MeinMMO-Fachdämon für World of Warcraft
Ohne euch zu viel zu spoilern, sei bereits gesagt, dass die Geschichte von Uther und Devos in der Bastion noch weitergeht. Die Taten aus diesem Video haben Folgen und ein großer Teil der Kampagne dreht sich um Devos, Uther, ihre Abkehr vom Pfad der Paragon und sehr vielen philosophischen Fragen.
Mit dem Release von Shadowlands im Oktober könnt ihr selbst erleben, was aus den beiden geworden ist und welchen Einfluss ihre Taten auf die Schattenlande hatten.
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.