Ein Anwalt arbeitete 80 Stunden die Woche und opferte seine Karriere, um ein Spiel aus seiner Skyrim-Mod zu machen

Ein Anwalt arbeitete 80 Stunden die Woche und opferte seine Karriere, um ein Spiel aus seiner Skyrim-Mod zu machen

2016 gab der Anwalt Nick Pearce seine Karriere als Anwalt auf, um seine beliebte Skyrim-Mod „The Forgotten City“ zu einem eigenständigen Spiel zu entwickeln. Heute hat das Spiel allein auf Steam knapp 7.000 positive Bewertungen.

Was ist das für ein Spiel? The Forgotten City ist ein narratives Adventure, das Spieler in die Zeit des antiken Roms schickt, um das Geheimnis der titelgebenden Stadt zu ergründen. Dafür muss der Spieler mit zahlreichen Charakteren sprechen und die Zeitreise-Mechanik des Spiels ausnutzen.

The Forgotten City erschien im Juli 2021 für PC, PlayStation, Xbox und Switch. Doch die Geschichte des Spiels begann 9 Jahre zuvor, mit einem völlig anderen Spiel. Denn ursprünglich war The Forgotten City eine Mod für das RPG Skyrim und sein Schöpfer Nick Pearce opferte eine Karriere als Anwalt, um ein eigenständiges Spiel daraus zu machen.

Fallout-Mod entpuppte sich als „Offenbarung“

2011 arbeitete Nick Pearce als Anwalt für eine große Tech-Firma in Melbourne, Australien. In seiner Freizeit schrieb er an einem Roman und zockte Videospiele, darunter Fallout: New Vegas. Dort stolperte er über die Mod „New Vegas Bounties“ von someguy2000, die einen tiefen Eindruck hinterließ:

„Es war eine Offenbarung, dass eine Mod so gut wie oder sogar noch besser sein kann, als ein offizielles DLC – und eine Möglichkeit, um eine erstklassige Geschichte zu erzählen“, so Pearce.

Der Gedanke, eine eigene Mod zu entwickeln, war geboren und als Bethesda 2012 den Creation-Kit für Skyrim veröffentlichte, brachte er sich anhand von Tutorials selbst bei, zu modden.

Aus einem Zwergentunnel wurden schließlich die Ruinen einer ganzen unterirdischen Stadt. Doch Pearce gab sich nicht mit „einem weiteren leeren, verfallenen Ort“ zufrieden. Er wollte Spielern die Möglichkeit geben, in die Vergangenheit zu reisen, um mit den einstigen Bewohnern zu interagieren.

Der Rest habe sich dann einfach ergeben.

Kollege riet ihm, den „Unfug“ aufzugeben

Die nächsten drei Jahre arbeitete Pearce neben seinem anspruchsvollen Beruf als Anwalt an The Forgotten City. Es entstand ein Zeitreise-Krimi mit einem 35.000 Wörter schweren, nicht-linearen Drehbuch, Voice-Acting und musikalischer Untermalung.

2015 veröffentlichte Pearce seine Mod und war überwältigt von ihrem Erfolg: Als erste Mod wurde The Forgotten City mit einem Award der australischen Writer’s Guild ausgezeichnet. Bis 2021 wurde die Mod zudem mehr als 3 Millionen Mal heruntergeladen.

Doch nachdem die Seite Kotaku The Forgotten City in einem Artikel aus dem Jahr 2016 als „ambitioniert genug, um ein eigenes Spiel zu sein“ bezeichnet hatte, setzte sich eine neue Idee in Pearce’ Kopf fest. Zuspruch bekam er von dem australischen Entwickler-Team League of Geeks, die hinter dem Brettspiel-artigen Strategiespiel Armello stecken, und natürlich von den Fans der Mod.

Es wurde jedoch zunehmend schwieriger, seine Leidenschaft des Entwickelns mit seiner Arbeit zu vereinen. Pearce erinnert sich, wie ein Kollege ihn ansprach, nachdem er von seinem Modding-Hobby erfahren hatte:

Er sagte mir, jede wache Minute meines Lebens sollte meiner Karriere gewidmet sein. Das war seine Art mir zu sagen, dass ich diesen Game-Dev-Unfug sein lassen soll, das würde nirgendwo hinführen.

Nick Pearce gegenüber Noclip via YouTube

Pearce entschied sich zu einem mutigen Schritt: Er gab seine Karriere als Anwalt auf, um ein vollwertiges Spiel aus The Forgotten City zu machen. Damit ging er ein großes Risiko ein, denn wie er erklärte, sei es sehr schwierig, nach einer längeren Pause wieder in diesen Beruf zurückzugehen. Es würde einen einfach niemand mehr einstellen, da die gesammelten Fähigkeiten und Erfahrungen nicht mehr nützlich seien.

Für Pearce stand also einiges auf dem Spiel.

Von der Mod zum eigenständigen Spiel

Pearce gab nicht nur seinen Beruf auf, sondern ging auch noch an seine persönlichen Ersparnisse, um einen Entwickler anzuheuern, der die Erfahrung mitbrachte, welche ihm selbst fehlte. Dazu kam dann noch der Künstler John Eyre, der am Dungeon-Crawler Hand of Fate 2 gearbeitet hatte.

Die Umwandlung der Mod in ein eigenständiges Spiel brachte einige Herausforderungen mit sich. So wurde das Setting von der Fantasy-Welt Skyrims zu dem eher historischen Setting des antiken Roms. Das ergibt im Kontext des Plots Sinn, bedeutete allerdings auch, dass Pearce an die Grenzen seines persönlichen historischen Wissens gelangte.

Er arbeitete mit Dr. Philip Matyszak von der Cambridge University – einem leidenschaftlichen Guild-Wars-Spieler – und der Pompeji-Expertin Dr. Sophie Hay zusammen, um die „vergessene Stadt“ möglichst authentisch gestalten zu können – inklusive der fragwürdigen Hygiene der öffentlichen Toiletten.

Auch die Charaktere mussten überarbeitet werden, um sich in das neue Setting einer römischen Gesellschaft einzufügen. So bezog Pearce das Gerechtigkeits-Empfinden und den Umgang der alten Römer mit Behinderungen mit ein.

Jeder Charakter bekam eine eigene Hintergrundgeschichte und Motivation, was sich auf die Entscheidungen, die der Spieler treffen muss, auswirkt. Zudem wurde der ursprüngliche Plot stark erweitert und verändert.

Bestehende mögliche Enden wurden erweitert, neue kamen hinzu. Das Skript wuchs von 35.000 Wörtern auf mehr als 80.000.

Pearce arbeitete über Jahre 80 Stunden die Woche

Eine weitere Herausforderung stellten die Animationen dar. Denn selbst Bethesda, das AAA-Studio hinter der Vorlage Skyrim, wird für die Gesichtsanimationen seiner NPCs kritisiert. The Forgotten City legt aber seinen Fokus auf die Interaktion mit genau diesen Figuren.

Den Weg anderer Indie-Spiele zu gehen, und Dialoge mit NPCs zu vermeiden, war also keine Option. Umso wichtiger war es, sie gut aussehen zu lassen. Doch Pearce und seinem Team fehlte das Budget für einen professionellen Animateur.

Von den Lippenbewegungen über die Häufigkeit des Blinzelns bis hin zu subtilen Kopfbewegungen beim Sprechen wurde alles berücksichtigt. Eine Aufgabe, die „atemberaubend schwierig“ war, so Pearce: „Ich denke, es ist ein Wunder, dass die Animationen des Spiels so gut aussehen, wie sie es tun.“

Um das alles bewältigen zu können, arbeitete Pearce 4 1/2 Jahre lang 80 Stunden die Woche. Die Konsequenzen, sollte das Projekt fehlschlagen, wären fatal gewesen, schließlich hatte er seine Karriere dafür geopfert.

Er betont jedoch, dass diese Arbeitsweise weder gesund noch nachhaltig sei, und er das niemandem empfehlen würde, auch nicht seinen Mitarbeitern. Pearce nahm diese vielen Stunden auch auf sich, um sein Team vor dem berüchtigten Crunch zu bewahren.

Entwickler war auf eine Enttäuschung gefasst

Als The Forgotten City 2021 endlich erschien, machte Pearce sich auf eine Enttäuschung gefasst: „Ich dachte, vielleicht bekommen wir 60er oder 70er [Bewertungen] und ich habe mich darauf eingestellt, zufrieden damit zu sein.“

Stattdessen erhielt The Forgotten City zahlreiche Wertungen im Bereich zwischen 80 und 90 Punkten. IGN gab dem Mystery-Spiel 9 von 10 Punkten, der Guardian vergab 4 von 5 Sternen. Auf Steam steht der Titel mit 97 % positiven Reviews auf „äußerst positiv.“

Zudem wurde The Forgotten City für seine Erzählung mit einem Australian Game Developers Award ausgezeichnet, sowie bei den Game Awards als bestes Indie-Debüt nominiert.

Pearce wurde für seine mutige Entscheidung also belohnt. Seit dem Erfolg von The Forgotten City wurde es allerdings etwas ruhiger um sein Studio Modern Storyteller. Auf Twitter schrieb Pearce im Mai 2022, man arbeite an dem nächsten Abenteuer. Worum es diesmal gehen wird, verriet er allerdings noch nicht.

Bethesda selbst steht kurz davor, mit Starfield sein nächstes großes RPG herauszubringen. Das SciFi-Epos ist das erste neue Franchise des Studios seit 25 Jahren, entsprechend neugierig sind die Fans. Doch neue Informationen darf nur eine Person herausrücken:

Nur ein Mensch bei Bethesda darf über neue Infos zu Starfield sprechen – Entwickler fürchten sogar um ihre Jobs

Quelle(n): Noclip via YouTube, IGN
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M4D_MAXX_

Aufjedenfall ein mutiger Schritt, vom festen Job zu einer ungewissen Zukunft im Game Developing.

Zudem kommt sein Kollege rüber wie der typische Workaholic, der nur an Karriere denkt, keinen Spaß kennt und der keinen blassen Schimmer hat, wovon er eigentlich redet.
Jede wache Minute soll man der Karriere widmen? Familie, Freunde und Unterhaltung ist also alles Unsinn? Ja genau diese Leute sind die, die am Ende am Burnout erkranken und gar nichts mehr hinbekommen

“GameDev Unsinn” klingt halt genau, nachdem, was jemand sagen würde, der von dieser Materie keinen Dunst hat …

Die Game-Industrie ist nicht gigantisch geworden, weil es alles Leute waren, denen Unsinn im Kopf herumschwirrte.

Man muss sich nur die Umsätze anschauen ^^ da liegen Kanzleien leider hinter dieser Industrie … seltsam von Leuten, die nur Unsinn machen 😉

Und jeder Developer hat mal klein angefangen und musste lernen … dabei ist egal ob schon mit jungen Jahren oder erst später im Leben.

Da merkt man auch, dass es nur ein Arbeitskollege war und kein Freund. Ein Freund würde einen unterstützen oder Rat geben, wenn die Meinung anders ist, aber nicht auf die Art

Maximus106

Habe die Mod damals gezockt. Ist schon sehr geil. Wusste gar nicht, dass ein eigenes Spiel dazu rauskam.

Nexis

Jo, also was Vermarktung (Werbung) angeht kann er noch dazu lernen 🙂
Habe nämlich vor heute nichts von dem Spiel gewusst oder gehört.

Firo

War zuerst unsicher bei dem Spiel da ich gelesen hatte das es größtenteils von einer einzelnen Person entwickelt wurde. Beim spielen wurde ich jedoch eines besseren belehrt, mir persönlich hat es sehr viel Spaß gemacht.

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