Ich hab Baldur’s Gate 3 zweimal gestartet und war enttäuscht: Erst, als ich das tat, vor dem viele warnen, gefiel’s mir

Ich hab Baldur’s Gate 3 zweimal gestartet und war enttäuscht: Erst, als ich das tat, vor dem viele warnen, gefiel’s mir

Unser Autor Schuhmann hat jetzt das dritte Mal mit Baldur’s Gate 3 (PC, später auch XBox Series X, PS5) begonnen. Erst, als er bei der Charakter-Auswahl den richtigen Helden für sich fand, hat ihn das Rollenspiel gefallen. Dabei ist er genau der Held, Das Dunkle Verlangen, vor dem viele warnen.

Achtung: Spoiler. Der Artikel enthält Informationen über die ersten 3, 4 Stunden im Spiel.

So hab ich Baldur’s Gate 3 erlebt: Ich hab Baldur’s Gate im Early Access im Jahr 2020 ausprobiert. Da wollte der Funken überhaupt nicht überspringen.

Ich fand die Anfangs-Story total übertrieben: Drachen und Gedankenschinder, epische Luftkämpfe mit Level 1. Das war mir alles zu viel und zu weit weg.

Ich kam aus dem Augenrollen kaum raus: Ach, schau Mal Level 1 und im Hintergrund kämpfen ein Tentakelwesen und ein Teufel gegeneinander, während ein Drache alles abfackelt.

Noch bevor es in die Grotte der Druiden ging, war bei mir die Luft raus, ich fand nichts Spannendes an dem Spiel: Zumal ich einen gesichtslosen, selbsterstellten Charakter spielte, der bis dahin nur stumm durch die Story gestiefelt war, während eine Kriegerin und ein Gehirn mit Beinen die Hauptfiguren waren.

Mich nervte auch die gespielte Dringlichkeit, die einem in den ersten Minuten des Spiels ständig anschreit: „Beeil dich, die Larve in deinem Kopf kann jede Sekunde hochgehen und dich in ein Tentakelmonster verwandeln.“

Ich entschied: Die Zeit solcher Spiele ist für mich lange vorbei. Baldur’s Gate 3 passte vielleicht zu meinem Ich von vor 25 Jahren, aber nicht mehr zu dem aktuellen. 3 Jahre lang hab ich nicht mehr an Baldur’s Gate 3 gedacht.

Beim 2. Anlauf, wenige Tage vorm Release, habe ich es erneut versucht, mit Baldur’s Gate 3 warmzuwerden. Ich hab mir einen eigenen Charakter erstellt und wieder die pompöse Story durchgemacht, bin wieder auf gesichtslose Gefährten gestoßen und wieder war, ungefähr vor der Grotte, die Luft raus.

Als ich einen Magier aus einem Portal zog, hatte ich das Gefühl, dass alles schon zu kennen: Ich treff in den ersten Minuten also auf eine kaltherzige Kriegerin, eine besorgte Klerikerin und einen offenbar zerstreuten Magier und alle sind wir telepathisch verbunden, weil wir Gedankenwürmer im Hirn haben. Dazu fackeln rote Drachen ein Gedankenluftschiff ab und ich bin in der Wildnis gestrandet und das alles mit Level 1.

Okay.

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Tentakelmonster gleich zum Start konnten mich nicht fesseln.

Baldur’s Gate 3 fühlte sich wie ein Spiel von sehr viel früher an

Warum hat mich der Anfang so genervt? Ich hab Baldur’s Gate 1 vor 25 Jahren gespielt und es hat mich damals beeindruckt, aber das Spiel ist in meiner Erinnerung mit den Jahren immer schlechter geworden.

Ich hab seit Jahren nicht mehr an Baldur’s Gate 1 gedacht, es war ein Spiel, für das ich kaum noch positive Erinnerungen hegte.

Das wusste ich noch über Baldur’s Gate:

  • Man selbst war ein „gesichtsloser Held“, der irgendwie das Gute wollte
  • Man fing irgendwo in der Wildnis an und kam erst viel später in die große Stadt
  • Die Mechaniken waren altbacken und es gab irre viel Text zu lesen
  • Die Kämpfe wirkten „gimmicky“ und man musste sich gut mit dem obskuren Regelsystem von Dungeons and Dragons auskennen, um dann „unfaire Synergien“ zu nutzen und zu gewinnen

In den ersten Stunden hat mich Baldur’s Gate 3 stark an das „Baldur’s Gate“ von früher erinnert: ein blasser Held in einer aufregenden Story mit altbackenen Mechaniken.

Nur dass es gleich völlig übertrieben anfing und ich eine Zeitbombe in meinem Kopf spazieren trug, war neu.

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Die 1. Figur, der man begegnet: Eine kaltherzige Kriegerin, etwas klischeehaft auf den 1. Blick.

Erst als ich einen vorgefertigten Helden nahm, sprang der Funke über

Das hat sich geändert: Im 3. Durchlauf, zum Release, habe ich keinen eigenen Helden erstellt, sondern einen der vorgefertigten Origin-Helden gewählt: „Dark Urge“, eine Figur, die ständig mit sich selbst ringt. Hier hat es mich gereizt, dass ich Klasse und Volk auswählen konnte. Nachdem ich einen Artikel über den Eidbrecher-Paladin gelesen habe, wollte ich das unbedingt ausprobieren.

Dabei ist “Das Dunkle Verlangen” genau der Held, vor dem viele warnen.

Wieder spielte ich den Anfang, aber irgendwas war nun anders.

Bei dem Magier, den ich aus dem Portal ziehen konnte, gab es plötzlich die Option: Fantasiere darüber, ihm die Hand abzureißen. Und als mein Held wieder zu sich kam, hatte er die Fantasie tatsächlich in die Tat umgesetzt und ich fand eine abgerissene Hand im Inventar.

Und ab dem Zeitpunkt hat es bei mir irgendwie Klick gemacht. Ich fand plötzlich meinen Charakter mit seiner seltsamen Situation, dass er nichts über seine Vergangenheit weiß, aber diese irren Ideen im Kopf hat, spannend. Ich habe die Story weitergespielt.

Ich will hier nicht spoilern, aber: Es hat sich gelohnt.

Baldur’s Gate 3 ist nicht der Nachfolger von Baldur’s Gate, sondern von Planescape Torment

Ich hab mittlerweile verstanden, warum mich das Spiel beim 3. Mal gepackt hat: Baldur’s Gate 3 ist eine Mogelpackung. Denn das Spiel ist nicht der „Nachfolger im Geiste von Baldur’s Gate 1“, sondern vom besten D&D-Rollenspiel, von Planescape Torment. Das Game habe ich einige Jahre nach Baldur’s Gate entdeckt und halte es bis heute für ein großartiges Spiel, an das ich oft zurückdenke:

  • In Planescape Torment spielt man einen Mann ohne Gedächtnis und ohne Namen
  • Die Gefährten um einen herum haben alle ein dunkles Geheimnis, das man mit der Zeit entschlüsselt
  • Und das Spiel ist weit von der klassischen „Schwert&Stab“-Atmosphäre weg, die Baldur’s Gate 1 damals ausmachte: Die erste Figur, die man trifft, ist ein quatschender Totenschädel

Worin sich Planescape Torment von Baldur’s Gate 3 unterscheidet: Planescape begann viel ruhiger und konfrontierte einen erst nach und nach mit der „durchgeknallten Seite“ des Universums. Baldur’s Gate 3 legt sofort mit den irren Machtphantasien los.

Planescape Torment gilt als Meilenstein der Rollenspiel-Geschichte auf dem PC:

Nach einer Stunde ändert Baldur’s Gate 3 das Tempo

Darum fand ich Baldur’s Gate 3 dann spannend: Auch in Baldur’s Gate 3 gab es plötzlich die Faszination: Wer bin ich eigentlich?

Die vorher so blasse Hauptfigur war nun aufregend, weil ich mit ihr nicht nur durch die äußere Handlung stapfte, sondern weil sie auch einen spannenden, inneren Konflikt auskämpfte.

Und die völlig übertriebene Anfangs-Sequenz kühlt sich relativ schnell runter und wird zu einem deutlich intimeren Drama, in dem mich die Gefährten und ihre Geheimnisse wirklich interessieren.

Die anfängliche Hysterie, unbedingt den Hirnwurm loszuwerden, flacht auch irgendwann ab.

Dazu kommt, dass Baldur’s Gate 3 mir eine Freiheit im Spiel gibt, Probleme zu lösen, die wirklich neu und innovativ ist. Und es gibt einfach so viel im Spiel zu entdecken.

Im Nachhinein bin ich froh, dem Spiel – trotz aller anfänglichen Abneigung – noch die 3. Chance gegeben zu haben.

Twitch: Szene in Baldur’s Gate 3 erschreckt Streamer, weil sie einfach nicht aufhört

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Klapskalli

Ich ziehe ja echt den Hut vor Leuten, denen ein Spiel nicht gefällt und es immer und wieder versuchen.
Ist irgendwie wie eklige Pizza zu essen und die sich immer wieder reinzuziehen.
Ich könnte das Spiel noch 20 mal starten und würde es immernoch stinkelangweilg finden.

Anne-Jane oder AJ

Rundenbasiert.. das hat es für mich gekillt.

Katsuno

Mir ging es da ganz anders 🙂 bin eigentlich ziemlich begeistert wie unglaublich gut mein Charakter in die Welt eingewoben wird und die Entscheidungen und Ereignisse eine echte Rolle spielen, wie sich mein Charakter entwickelt.
bei mir ist das absolute Gegenteil passiert ^^

Koronus

So ähnlich ist es auch bei mir passiert. Ich habe mit Warlock gestartet da laut GameStar Test diese Klasse für mich ist, war durch die Kapelle und dann war bei mir die Luft raus weil ich keine Ahnung hatte wie es nun weiter gehen soll. Ja klar ich hatte einen Parasiten drinnen aber es fühlte nicht mal so eine Dringlichkeit wie in Pillars of Eternity wo man praktisch schon direkt nach dem Intro in das nächste Problem reingezogen wird.

Beregass

Also ich bin da tatsächlich anders herangegangen. Ich habe mir für meinen Charakter eine eigene Hintergrundstory überlegt, natürlich nur in groben Zügen und ihm ein Wesen bzw. gewisse Werte zugesprochen, wie er sich zu verhalten hat, bzw. Wie er seine Entscheidungen trifft. Und so finde ich das für mich tatsächlich sehr angenehm und interessant zu spielen 😀

Daniel

An diesen Punkt in meinem Kopf bin ich heute auch angelangt. Ich bin momentan 12 Stunden drin mit meinem Custom Mensch und denke mir wow die anderen haben alle so geile storys und gründe um das zu tun was sie tun und ich? Fühle mich sehr austauschbar aus.

Aber Benedict Grothaus hatte mir den Tipp gegeben genaus das so zu spielen. Als “ich” in dieser Welt. Wenn ich jetzt an das Intro denke kann man das auch so gut spielen weil man sieht es ja nicht wer da aus der Stadt in dieses Schiff gesaugt wird…. aber du bist sicher ein Baldurianer. Zumindest als Mensch bekommt man diese Antwortoptionen. Aber der nächste wird Dark Urge weil einfach mördercool xd

Benedict Grothaus

Als Dark Urge brauchst du aber wirklich starke Nerven 😀

Kjtten

Der Ausgangspunkt der Story hat mich gar nicht gestört, klar ist die Situation völlig übertrieben, aber als Level 1-Niemand in etwas riesiges hereingezogen zu werden fühlt sich für mich recht stimmig an, zumal es danach “normal” weitergeht, und man nicht plötzlich für alle Welt ein ausgewählter Held ist.

Vielleicht liegt es an meiner Charakterwahl (Lolth-sworn Drow), oder meiner Herangehensweise – ich denke nicht im Sinne von “meine Gruppe aus vier Abenteurern”, sondern “mein Charakter und seine Begleiter”, bewusste “Fehlentscheidungen” trage ich weiter, statt mit Quickload das gewünschte Ergebnis zu forcieren (z.B. habe ich unwissend aber absichtlich einen potentiellen Gefährten umgebracht…) – aber das Gefühl, dass mein OC blass und uninteressant ist habe ich überhaupt nicht. Mit den Ereignissen und Offenbarungen der Story klarkommen, dabei entscheiden was man wie erreichen will, wer einem dabei helfen kann, wem man vertrauen kann.. Dazu an allen Ecken und Enden spezielle Reaktionen, die auf mein Volk und Klasse zugeschnitten sind, Begleiter die über meine Aktionen urteilen, BG3 bietet mir persönlich da viele Optionen zur Charakterentwicklung, auch abseits von Skills und Stats.

Und lustigerweise hatte ich die selbe Assoziation mit Planescape: Torment, allerdings aus komplett anderen Gründen (meine Gruppe war gerade im “Reich“ einer Hexe).

Benedict Grothaus

Ich spiele auch eine Lolth-Drow (und ich hoffe, dass du eine weibliche Drow spielst und keinen Sklaven-Krieger), und es ist ziemlich beachtlich, wie viele Optionen man durch diese Wahl bekommt. Auch wenn die meist brutal sind, was zu meinem geplanten Charakter aber sowieso gut passt. Ich hoffe sehr, dass ich ein paar Leute noch davon überzeugen kann, in Lolths Umarmung zurückzukehren.

Das mit der Konsequenz macht BG3 aber wirklich sehr gut, ja. Und oft trägt einem das Spiel sowas auch sehr lange noch nach…

Kjtten

Aber sicher. Seit ich Gale rausgeschmissen habe ist hier sogar permanent Ladies Night mit Shadowheart, Lae’zel und Karlach.

Ich bin schon sehr gespannt, wie sehr mich einige Entscheidungen und “Unglücke” im späteren Verlauf noch in den Allerwertesten beißen werden.

BG3 zeigt bisher durchaus Potential um eines der wenigen Story-lastigen Spiele zu werden, die mich (zeitnah) zu einem zweiten Durchspielen motivieren können.

Luripu

Nunja wirklich weit bist Du ja im EA nicht gekommen.^^
Bis zum Druidenhain braucht man normal so 30-60min.
Kommt drauf an ob man die “Leiche” vorher aus dem Sarg zieht
oder gleich zum Hain geht.

Das dass Larvenproblem ganz andere Dimensionen hat,
als nur deinen MC+seine paar Begleiter,
erfährt man erst im Laufe von Akt 1.
Dran bleiben lohnt sich.

Koron

Mir geht es gerade genau so. Meinem selbst erstellten Charakter fehlt es schlicht an der nötigen Tiefe. Vielleicht sollte ich doch auch nochmal neu mit einem vorgefertigten anfangen.

Leya Jankowski

Das Problem gab es bei Divinity Original Sin auch schon. Dark Urge ist da tatsächlich ne ganz gute Alternative, weil man den so frei gestalten kann. ABER, der kommt dann mit ganz anderen Problemen, wie ich in meinem Spiel gerade feststellen darf 😀

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