Spielt ihr manchmal in FIFA 22 den Karrieremodus und denkt „mit meinen Fähigkeiten könnte ich absolut Fußballtrainer werden”? William Still hat etwas ähnliches erlebt – allerdings mit Hilfe des „Football Managers”.
Schaut man sich heutzutage Simulations-Videospiele an, ist es kein Wunder, dass man sich manchmal denkt: “Also, bei allem, was ich hier leiste – da müsste ich das doch auch im echten Leben hinkriegen.” In den Details mancher Simulatoren kann man echt versinken. Selbst der FIFA-22-Karrieremodus lässt einen manchmal denken: “Ich könnte definitiv in die Bundesliga.”
Etwas ähnliches berichtet William Still. Still ist heute 29 Jahre alt und steht als Assistenztrainer des belgischen Erstligisten Standard Lüttich regelmäßig an der Seitenlinie des Profifußballs. Ein Umstand, den er auch dem Spiel “Football Manager” verdankt – das erzählte Still in einem interessanten Portrait von “Sportbible.”
“Ich glaube, Football Manager hat mir geholfen, ein besserer Trainer zu werden”
Das erzählt Still: Gemeinsam mit seinem Bruder Edward spielte Still in jungen Jahren stundenlang Football-Manager – erst den “F.A. Premier League Football Manager 2001”, danach den “Championship Manager”. “Die schlimmste Phase kam, als ich etwa 14 oder 15 war. Man schaute auf die Uhr und es war 22 Uhr und man sagte: ‘Oh, ich werde um Mitternacht ins Bett gehen’. Und das nächste, was man weiß, ist, dass es halb vier Uhr morgens ist”, erinnert sich Still heute noch.
“Football Manager gab mir den Anstoß, ein Team aufzubauen”, sagt er heute. Er sei zwar gut im Fußball gewesen, aber das Spiel habe ihm einen ersten Eindruck verschafft, wie es sei, ein Team zu managen: “Ich glaube, dass Leute, die Football Manager spielen, das Spiel etwas besser verstehen. Man muss sehr ins Detail gehen, um zu gewinnen und erfolgreich zu sein, besonders heutzutage, wo das Spiel immer komplizierter wird. Ich schätze Leute, die so leidenschaftlich sind und sich so sehr in das Spiel vertiefen.”
Still beschreibt, dass ein großer Teil des Spiels tatsächlich dem entspricht, was im wirklich Leben passiert: “Es hört sich dumm an, das zu sagen, aber es gab so viele Aspekte, die wieder auftauchten und Sinn machten.”
Das betreffe beispielsweise Transfer-Tätigkeiten mit Angeboten und Gegenangeboten, aber nicht nur: “Es gibt auch allgemeine Gespräche mit den Spielern, die Aufstellung von Trainingsplänen, Fitnessgruppen und Trainingsprogrammen, sowohl kollektiv als auch individuell.”
Natürlich könne man das Spiel auch “einfach” spielen, sich nur um Transfers kümmern und das war’s. Dann sei das nicht so nah an der Realität. Doch umso mehr man ins Detail ginge, so Still, desto mehr ähnele das Spiel auch dem realen Leben: “Ich glaube, Football Manager hat mir geholfen, ein besserer Trainer zu werden.”
Das passt übrigens auch zu Aussagen von Liverpool-Profi Diogo Jota: Der meinte, dass FIFA ihn zu einem besseren Fußballer macht.
So lief die Karriere von William Still bis jetzt
Sportbible beschreibt, wie Still von langen Nächten vorm Football Manager zum Trainer wurde. Auch im realen Fußball hatte Still was auf dem Kasten, spielte in der vierten belgischen Liga. Mit 17 Jahren entschied er sich dann aber, nicht weiter in Richtung Profifußball zu schauen. Stattdessen zog er nach England, um dort seinen Sport-Abschluss zu machen.
Im Rahmen eines Kurses zum Thema Video-Analyse und Fußball-Training landete er beim Club “Preston North End”. Dort trainierte er das U14-Team.
Nachdem er aus England nach Belgien zurückkehrte, traf er nach einem Spiel von Zweitligist Sint-Truiden auf dessen Trainer Yannick Ferrera. Den fragte Still, ob er irgendwie von Nutzen sein könne – ohne Vertrag, ohne Geld. Ferrera fragte ihn, ob er Spiele filmen und schneiden könne – und das konnte er.
Wenig später sollte Still auch Analysen der Videos liefern. Und nun lief es.
- Sint-Truiden stieg auf und Ferrera wechselte zum Erstliga-Konkurrenten Standard Lüttich. Ferrera nahm ihn als Videoanalyst mit.
- Wenig später wechselte er zu Lierse SK, wo Still neben der Videoanalyse auch beim Training half. Dann wurde 2017 der dortige Trainer entlassen – und Still sollte als 24-Jähriger übergangsweise übernehmen. Das konnte er einfach nicht fassen:
Ich war stark daran beteiligt, aber vom Assistenten zum wirklichen Manager zu werden, war etwas anderes. Ich habe etwa zehnmal [zum Club-Präsidenten] gesagt: ‘Ich glaube, du verstehst das nicht. Ich bin erst 24. Das passiert doch nicht.’ Aber er sagte, es sei in Ordnung. Von diesem Tag an war ich Cheftrainer eines belgischen Zweitligisten und lebte im Grunde meinen Traum.
William Still (via Sportbible)
- 2018 allerdings ging der Klub bankrott und Still musste gehen.
- Er wechselte zu Beerschot – und wurde dort wieder Assistenztrainer.
- 2021 wurde er dann Cheftrainer bei Beerschot – mit 28 Jahren, was Rekord für den jüngsten Chefcoach in Belgien überhaupt war.
- Danach wechselte er für einige Monate zu Stade Reims – und stand dort Lionel Messi in dessen Debüt für Paris-Saint-Germain gegenüber.
Er wärmte sich neben mir auf und ich dachte: Verdammt, das ist Lionel Messi… das ist eigentlich lächerlich.
William Still (via Sportbible)
Im Oktober ging es für ihn dann erneut zurück nach Belgien – zu Standard Lüttich, wo er wieder die Rolle des Assistenz-Trainers übernahm.
In Belgien stand William Still dann sogar seinem Bruder Edward gegenüber, der seinerseits Cheftrainer bei RSC Charleroi ist. Man sieht: Die Fußball-Manager-Sessions haben offenbar beide Brüder weitergebracht.
Nun plant Still auf lange Sicht, selbst wieder Cheftrainer zu werden.
Habt ihr auch ein Spiel, bei dem ihr denkt, es könnte eure Berufslaufbahn in Zukunft beeinflussen? Erzählt es uns in den Kommentaren.
Das Titelbild stammt aus dem Vorstellungsvideo von William Still bei Standard Lüttich auf YouTube.
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Der Vergleich des FIFA-Karrieremodus mit dem Mikromanagement-Simulator Football Manager ist in etwa so, wie die Steuerung eines Kinder-Laufrades mit der Steuerung eines Kampfjets zu vergleichen 🙂
Spaß beiseite – es gibt da tatsächlich ein paar ähnliche Beispiele für “vom Sports Interactive Football Manager Spieler zum Staff Member eines Profiklubs”, das Spiel dürfte tatsächlich relativ nah an der Realität dran sein bei so einigen Dingen.
Und man kann noch dazu so herrlich viel Zeit in das Ding versenken.