Michael versteht Ubisofts Multiplayer-Strategie einfach nicht. Für ihn verpassen alle aktuellen Spiele den Trend entweder um Jahre, wirken aufgesetzt oder machen einfach keinen Spaß. Schade eigentlich, findet er, wenn abseits dessen einer von Ubisofts besten Multiplayern immer mehr in Vergessenheit rückt. Dabei birgt er so viel Potenzial und könnte heute umso erfolgreicher sein.
Mich verbindet eine Hassliebe mit Ubisoft-Spielen. Eigentlich interessante Ideen und Konzepte fallen viel zu oft seiner Mainstream-Formel zum Opfer. Bei seinen Multiplayern ist es noch schlimmer. Lasst uns bei wenigen Beispielen bleiben:
- Tom Clancy’s Ghost Recon: Breakpoint verprellte die Spieler mit Langeweile und Lootboxen
- Hyper Scape war der austauschbare “Battle Royale”-Klon, der gefühlt schon zu seiner Ankündigung untergegangen ist
- Und das letztens erschienene Riders Republic ist ganz nett, besitzt aber kein Alleinstellungsmerkmal oder besonderes Gameplay, in das ich stundenlang versinken möchte
Ich bezweifle irgendwie, dass Ubisoft auf dieser Schiene irgendwann noch einen riesigen Erfolg einfahren wird. Das Faszinierende dabei ist, dass mein absoluter Lieblingsmultiplayer von ihnen stammt: Der aus Assassin’s Creed: Brotherhood.
Ich spiele ihn jetzt seit fast zwölf Jahren und erhalte ihn als Teil einer kleinen Community am Leben, in der Hoffnung, dass Ubisoft ihn erstens niemals abschalten wird und zweitens vielleicht sogar eines Tages neu auflegen wird. Es wäre eine vielversprechende Chance, da das Konzept bis heute immer noch genial und vor allem konkurrenzlos geblieben ist.
So gut, dass ihr nie wieder den Singleplayer spielen wollt
Es war 2010 die beste Idee überhaupt gewesen, das gesamte Versteck- und Mörderspiel in einen Multiplayer zu verfrachten. Historische Schauplätze, Parkour, verschiedene Assassinentaktiken. Im Multiplayer-Modus von AC: Brotherhood treffen bis zu 8 Spieler aufeinander und erhalten alle jeweils den Auftrag, einen von ihnen auszuschalten.
Das Spannende: Die Opfer wissen nicht, wer sie jagt. Das Problem: Die Schauplätze werden mit dutzenden NPC-Kopien der Spielcharakter bevölkert und erschweren somit, die richtige Person zu finden. Und nach dem Abschluss oder Scheitern werden sofort neue Aufträge zugeteilt. Also verweilen und Venedig genießen ist nicht!
Im Gegensatz zu anderen Multiplayern hängt Erfolg hier nicht allein von eurer Schnelligkeit ab. Kills werden nach Heimlichkeit bewertet und wer einfach drauf los wütet, bekommt für diese stümperhafte Leistung ebenso wenig Punkte. Das Tutorial bringt euch dabei quasi nur ein Prozent bei, der Rest des Know-hows beruht auf jahrelanger Beobachtung und Erfahrung.
Um das Spiel meistern zu können, müsst ihr euch ein bestimmtes “assassinisches” Denken aneignen, bei dem ihr immer wieder folgende Fragen in Sekundenschnelle durchgehen müsst: Wo verstecken sich mein Opfer und mein Verfolger? Wer verhält sich verdächtig und ist damit kein NPC? Wie mache ich jetzt den besten Kill, ohne selbst getötet zu werden? Und wie entkomme ich danach am besten?
Aber das Mindgame und die taktische Tiefe gehen noch viel weiter. Alle Spieler verfügen über ein Set aus zwei Fähigkeiten, die sie individuell beispielsweise mit Rauchbomben, Pistolen und Wurfmesser ausstatten können. Da ich aber nicht weiß, worauf mein Gegenüber setzt, muss ich ihn oder sie in jeder Situation neu einschätzen.
Spielt mein Gegenüber defensiv oder offensiv? Wie sollte ich reagieren? Und habe ich die richtige Kontorfähigkeit dabei? Hunderte Situationen, hunderte Kombinationen, hunderte Ausgänge, in denen sich auch immer mehrere Personen einmischen können: Trotz aller Features, die über die Jahre dazu gekommen sind, konnte der Singleplayer diese Stealth-Komplexität niemals auch nur ansatzweise erreichen.
Neue Teile kamen, Ubisoft spendierte drei weitere Multiplayer, mit gleichem Grundprinzip, aber anderen Ausrichtungen, bis dann Assassin’s Creed: Unity kam und die Koop-Missionen einführte. Bis heute frage ich mich: Warum? Warum dieser Rückschritt? Das typische semi-heimliche Metzeln aus dem Singleplayer mündete logischerweise in eine brutale Metzel-Party. Das kam nicht gut an, das gesamte Spiel samt seiner Technik noch weniger – und danach war es auch mit den Multiplayern vorbei.
Weitere Teile kamen, neue Konsolen kamen, aber für Assassin’s Creed: Brotherhood und für die beste Assassinen-Erfahrung blieb ich auf meiner staubigen PlayStation 3 – bis ich letztes Jahr für meine Streams auf den PC wechselte, da hier noch die besten Chancen bestehen, genügend Spieler für ein Match zu bekommen.
Auch nach tausenden Partien bin ich immer noch gefesselt. Der nie enden wollende Rausch zwischen Heimlichkeit und Verfolgungsjagd ist einzigartig, für den vor allem die kurze Partiedauer von zehn Minuten sorgt. Timer und Punkteranking stressen euch genauso, wie sie euch anspornen.
Hinzu kommt die Dynamik zwischen den Spieler selbst. Es ist großartig, heute noch auf einen Erzfeind aus alten Partien zu treffen und ihn genauso respektvoll wie erbarmungslos zu behandeln. Es gibt einfach viel zu viele tolle Momente in diesem Spiel:
- Wenn ich durch einen neuen Trick meines Gegners scheitere, diesen aber quasi als Lektion geschenkt bekomme
- Wenn ich einen der alten Meister erwische und mir dieser nach dem Match gratuliert
- Wenn ich mich vor drei Verfolgern in einer Menschenmenge verstecke und diese allesamt falsche Personen eliminieren, wofür ich dreifachen Bonus abstauben darf
- Wenn ich mich in den letzten Sekunden vom vierten Platz mit einem Gift-Kill auf den ersten befördere und offenstehende Münder hinterlasse
- Allein, wenn ich davon rede, will es schon wieder spielen
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Bis heute ein Juwel – Wer es kopierte, scheiterte
Nein, es ist auch in Assassin’s Creed: Brotherhood nicht alles perfekt. Das Matchmaking ist sperrig, es gibt bis heute immer noch nervige Bugs und die überschaubare Community neigt manchmal dazu, eine gewisse toxische Seite an den Tag zu legen. Aber bis heute kann Ubisoft dieses Stealth-Meisterwerk für sich beanspruchen.
Es gibt viele Spiele, so wie Splinter Cell oder Metal Gear Solid, in denen ich eine NPC-KI austricksen soll. Aber es ist eine gänzlich andere Sache, ein Katz- und Mausspiel zwischen echten Spielern so aufzusetzen, ohne dass es zu Gameplay-Lücken oder Balance-Problemen kommt.
Jedes Studio, das etwas Ähnliches versucht hat, ist kläglich daran gescheitert.
- Der Multiplayer-Modus von Hitman 2, namens Ghost Mode, verfrachtete das Ganze in ein merkwürdiges Match zwischen zwei Paralleluniversen, die nur wenig Einfluss aufeinander nehmen konnten – die Server wurden zwei Jahre später abgeschaltet.
- Hood: Outlaws & Legends, in denen zwei Robin-Hood-Banden einen Stealth-Heist durchziehen sollen, mündete in eine Camper-Schlacht beim Ausgang – ebenfalls mittlerweile so gut wie tot.
- Und der Multiplayer von Deathloop verkommt leider nur zu einem kleinen, optionalen Feature, das am generellen Balancing zwischen den Jägern, dem Matchmaking und am generellen Konzept scheitert – was aber nicht der Hauptgrund für das Scheitern des Spiels ist.
Was Assassin’s Creed angeht, höre ich immer, wie viele Spieler sich die klassische Assassinen-Action zurückwünschen. Was Ubisoft-Multiplayer-Spiele angeht, höre ich immer, wie viele Spieler die fehlenden Ideen und die Unspaßigkeit kritisieren.
Dann schlagt doch zwei Fliegen mit einer Klappe und legt den Multiplayer-Modus von AC: Brotherhood neu auf! Er ist in meinen Augen bis heute die beste Assassinen- und Multiplayer-Erfahrung, die Ubisoft jemals hervorgebracht hat.
Vielleicht ist es mir nicht möglich, riesige Wellen des Protestes heraufzubeschwören, die sich in hunderttausenden Unterschriften einer Petition niederlassen, aber vielleicht war es mir möglich, euch davon zu überzeugen, warum dieses Spiel bis heute noch so viele Fans hat und eigentlich noch viel mehr Fans braucht.
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Ich fand Unity auch mega, vor allem da es einen Koop Multiplayer hatte. Der Server ist aber glaube ich, schon seit Jahren down. Mittlerweile steht UBI Soft nur noch für Einheitsprei, hast du ein Game gesehen, hast du sie alle gesehen, immer das selbe.
Der Multiplayer von AC:Brotherhood war genial! Der Nervenkitzel wenn jemand in Nähe kam ob in Deathmatch, Team Deathmatch oder andere Spielmodis die das Spiel zu bieten hatte. Ich hoffe auch das sie irgendwann das Spiel oder den Multiplayer als Stand Alone bringen würden, wäre Ich sofort dabei.
Toller Text, Michael! Den Multiplayer von AC hab ich so nie gespielt, allerdings die “Brüder im Geiste”, die du hier auch gelistet hast.
So sehr ich Deathloop gemocht habe (wie alle Arkane-Spiele), die Julianna-Invasionen waren weitestgehend eine Zeitverschwendung. Anfangs war sie immer zu stark, weshalb man den Run in die Tonne kloppen konnte, später kannte man die Tricks und es war nur etwas, was aufgehalten hat.
Das Spiel, was wohl am ehesten an das rankommt, was du hier so positiv beschreibst, ist Dark Souls (beziehungsweise die Soulsborne-Spiele im allgemeinen, minus Sekiro). Ja, es ist ‘ehrenvoller’ bei Invasionen in ein direktes Duell ohne Heilung zu gehen. Ich liebe aber persönlich den Hinterhalt viel mehr. Besonders mit dem Gegenstand in Bloodborne, mit dem man sich als Nachricht in der Welt tarnen kann, hab ich wohl viele Spieler sehr frustriert. 😁
Ein beliebter Spielmodus in CoD namens Prop Hunt geht in eine ähnliche Richtung, aber hat IMO nicht ganz den Charme.
Aber ja: Das Ubisoft diese spannenden Multiplayer-Ideen (wie auch Spy vs Mercs aus Splinter Cell) komplett aufgegeben hat, ist sehr schade.
(Und Hyper Scape hat ein besseres Schicksal verdient 😥)
Stimme tausendprozentig zu! Habe alle Multiplayer Modi damals auf der PS3 abgefarmt/ auf 100% gebracht und bin dann da hängen geblieben. Dieses Verstecken/Jagen/Tarnen ist einfach bis heute einzigartig. Dieser Adrenalin Kick die ganze Zeit, ob man erwischt wird. Spiele zwar schon lange nicht mehr, habe immer gehofft sie bringen es nochmal, am besten wäre als Standalone Multiplayer Titel. Damals war die Multiplayer Landschaft ja auch noch ganz anders, das passt total in die heutige Zeit.
Danke dir und auch dir stimme ich zu 1000 Prozent zu 😉 Lass uns zusammen die Daumen drücken, dass es irgendwann noch mal kommt.