Das Spiel des Jahres 2020 ist für MeinMMO-Autor Schuhmann das Strategie-Epos Crusader Kings 3. Da bevölkert er das virtuelle Mittelalter mit seinen Nachkommen.
Wer Crusader Kings nicht kennt: Das ist ein Mix aus historischem Strategie-Epos und einem dynastischen Rollenspiel.
Man verkörpert das Oberhaupt einer Adelsfamilie im Mittelalter, hat Ländereien und seine Gefolgsleute, kommandiert Armeen, erobert Provinzen und durchlebt die typische Problemen, mit denen sich Feudalherren vor 1000 Jahren so rumschlugen.
99 Probleme – und deine Frau ist garantiert eins davon
Es gibt 3 Arten von Problemen in Crusader Kings 3.
Das sind zum einen die großen strategischen Hürden des Spiels:
- Was mache ich, wenn mir alle Nachbarn gleichzeitig den Krieg erklären, wenn plündernde Wikinger einfallen oder gar die Mongolen im Osten angreifen?
- Wie kann ich die strategischen Ziele erreichen, die ich mir selbst gesetzt habe?
- Wie erweitere ich mein Reich und verbessere meine Position?
Dann gibt es eine Vielzahl von Events auf Rollenspiel-Ebene, die man immer wieder neu entscheiden muss:
- Das Dorfvolk ist kurz davor, eine Frau auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen, weil es eine Miss-Ernte gegeben hat – Lässt man das zu, verschont man die Frau oder stellt man sie gar als Beraterin ein?
- Auf einer Pilgerreise nach Jerusalem begegnet man einer nackten Frau, die einem von einer neuen coolen Religion erzählt – Wie geht man denn bitte damit um?
- Der Reichspriester hat sich mit einer dämlichen Äußerung blamiert – Nimmt man ihn in Schutz, macht sich über ihn lustig oder hält sich da fein raus?
Die wichtigsten Probleme in Crusader Kings 3 betreffen aber stets die Familie und die so wichtige Erbfolge. Denn letztlich muss man, wenn die eigene Spielfigur stirbt, mit einem Nachkommen weiterspielen. Hier gilt es, den Richtigen auszusuchen und dem eine gute Startposition zu verschaffen, idealerweise soll er das ganze Reich erben und nicht nur einen Teil davon:
- Ich hab 5 Söhne, wie bekomme ich es hin, dass mein genialer 3. Sohn der Haupterbe wird und mein Reich nicht in alle Einzelteile zerfällt, nur weil die anderen 4 minderbemittelten Erben auch gerne Herzog anstelle des Herzogs wären?
- Warum hab ich mich auf die Affäre mit der Frau eines Grafen eingelassen, wenn die doch klar eine sexuell übertragbare Krankheit hat? Und warum will mich meine Frau schon wieder umbringen?
- Mein Erbe hat auf einer Jagdtour eine Bäuerin aus Versehen erschossen – Vertusche ich den Mord, verrate ich den Chaoten oder leg ich ihn einfach gleich selbst um?
- Wie erschaffe ich den Kwisatz Haderach, den Übermenschen?
Vor 16 Jahren packte mich das Crusader-Kings-Fieber
Das erste Crusader Kings kam 2004 raus und ich muss es schon kurz danach entdeckt und gespielt haben. Das Game sah selbst für damalige Verhältnisse ziemlich dröge aus. Eigentlich gab es nur statische Menüs und eine riesige Landkarte, auf der sich aber kaum was tat. Das Meiste spielte sich in meiner Phantasie ab: Da musste man sich vieles dazu denken.
Ich begann mir auszumalen, was für ein übler Schurke der König von England war, dieser Bastard lachte in seinem Palast sicher über mich – das würde er noch bitter bereuen! Und was erlaubten sich eigentlich diese Wikinger, schon wieder plündernd in Nordirland einzufallen? Außerdem forderte das Dorfvolk sicher den Kopf meiner französischen Frau, immerhin hatte es die in 8 Jahren nicht hinbekommen, mir einen Erben zu schenken.
Dabei bot mir Crusader Kings 1 schon damals eine riesige Auswahl an Szenarien an, mit denen ich beginnen konnte: Das Spiel erlaubte mir schon damals, zu jeder Zeit und mit fast jeder Figur im Spiel loszulegen, sie zu übernehmen und die Geschichte des Mittelalters neu zu schreiben.
Ich fand bei Crusader Kings immer die Idee toll, bei Null zu starten und sich ein großes Imperium aufzubauen. Irland erschien mir als Sandkasten für meine Pläne ideal, weil die Smaragdgrüne Insel so zersplittert war, dass es nicht mal eine Regionalmacht gab.
Statt schon als König von Frankreich oder mächtiger Emir zu beginnen, wählte ich 2004 also einen kleinen Grafen in Irland aus, abgeschieden vom Rest der Welt, und machte mich auf den Weg, erst die Nachbar-Grafschaft zu erobern, um Herzog zu werden. Dann mit 2 Provinzen, sich weitere Grafen vorzuknöpfen, die nur eine Provinz hatten, um schließlich König von Irland und letztlich Kaiser von Großbritannien zu werden.
Mit den namensgebenden Kreuzzügen, der Reconquista in Spanien und der Rückeroberung des „Königreichs der Himmel“, in Jerusalem, hatte ich die meiste Zeit schön wenig zu tun. Stattdessen lief ich zum Ketzertum der Katharer über, um das christliche England zu erobern, ohne auf lästige Kleinigkeiten wie Erbansprüche achten zu müssen.
Dabei achtete ich darauf, möglichst viele Nachkommen zu zeugen, um später meinen Söhnen die Grafschaften zu überlassen, die dann wiederum Kinder bekamen, denen ich neue Ländereien zuschanzte.
Umso größer mein Reich wurde, desto größer wurde auch mein Stammbaum. Ich fand es faszinierend, dass sich einzelne Eigenschaften meines Anfangs-Charakters an Nachkommen vererbten, je nachdem, welche Ehefrau ich hatte. Je größer mein Reich wurde, desto seltsamere Nachkommen hatte ich irgendwann. Nach Jahren schaute ich hoch und hatte, obwohl ich mit Irland gestartet war, Nachkommen aus deutschen, französischen oder baltischen Linien.
Das fand ich als Idee toll, obwohl die Rollenspiel-Elemente damals nur rudimentär im Spiel vorhanden waren und ein Charakter eigentlich nur aus einem Namen, einem Porträt und einer Handvoll Werte und Eigenschaften bestand.
Erstaunlicherweise fanden damals schon so viele Gefallen an diesem schrägen Spiel, das fast nur aus Menüs und umständlichen Listen zu bestehen schien. Es mochten so viele, dass die schwedischen Entwickler Paradox Games auf dieser Art von Game ein großes Studio aufbauen konnte. 2012 erschien dann Crusader Kings 2, das nach und nach 15 DLCs bekam und ein ziemlicher Koloss wurde. Seit September 2020 spiele ich jetzt Crusader Kings 3.
Swipen Sie bitte hier, My Lord
Das Tolle an dem Spiel ist: Paradox Entertainment hat den Kern von Crusader King im Laufe der Jahre beibehalten, aber vieles, was ich mir früher dazu denken musste, ist jetzt tatsächlich so im Spiel zu finden.
Die Events haben Grafiken, die innere Logik wurde weiter verbessert. Die Spielfiguren werden jetzt mit dem ganzen Körper dargestellt und sind nicht länger nur 2D-Porträts, die Mechaniken im Spiel wurden immer ausgearbeiteter und cleverer.
Dabei ist das Seltsame, dass die Art, wie ich Crusader Kings 1 im Jahr 2004 gespielt habe, offenbar die Art ist, wie viele das Game gespielt haben. Die Entwickler haben die Reihe gezielt in diese Richtung entwickelt:
- So findet das Tutorial von Crusader Kings 3 in Irland statt – die Region, die ich 2004 instinktiv wählte, ist zu dem typischen Start-Gebiet für Anfänger geworden.
- In einem Start-Szenario geht’s explizit darum, aus einer kleinen Start-Position was Großes zu machen, genau die Art von Szenario, die ich mir selbst gesucht hatte.
- In Irland erlaubt es mittlerweile eine spezielle Religion, dass man bis zu 4 Frauen haben kann – also ideal für meine Spielweise.
- Der Familien-Aspekt ist viel stärker betont als in früheren Teilen der Serie – die Dynastie sammelt nun Punkte und kann damit spezielle Vorteile freischalten. Man wird sogar mit speziellen Boni dafür belohnt, den „Übermenschen“ zu züchten.
Im Prinzip ist Crusader Kings 3 jetzt so, als hätte mir wer vor 16 Jahren über die Schulter geschaut, wie ich das erste Crusader Kings spiele und das Game genau nach meinen Spielmustern angepasst. Das Spiel ist viel schöner, klarer und besser ausgearbeitet, als ich mir das je vorgestellt hätte.
Dabei ist die Seele des Spiels nie verloren gegangen. Es gibt noch denselben schrägen Humor wie früher. Ich hab echt lachen müssen, als mir Crusader Kings 3 für die Brautschau eine Art mittelalterliches Tinder präsentierte und ich die Wahl hatte, das Porträt einer potentiellen Frau, entweder auf den Stapel für „Interessiert“ oder auf den Stapel für „Abgelehnt“ zu legen. Swipen Sie bitte hier, My Lord.
Crusader Kings 3 ist für mich in der besten Art ein „Games as a service“: Eigentlich dasselbe Spiel, das in 15 Jahren immer besser wurde und die neuen Möglichkeiten der Zeit nutzte, ohne dabei den Charme und den Geist der Anfangszeit zu verlieren.
Für mich ist Cruader Kings 3 das Spiel des Jahres 2020.
Für viele ist Crusader Kings 3 gerade am Anfang zu abschreckend. Es gibt so viel zu tun und das Spiel lässt einem so viel Freiheit, dass man gar nicht weiß, wie man anfangen soll. Wer Lust hat, auf meinen Spuren zu wandeln: Ich hab in einem Einsteiger-Guide genau erklärt, wie die ersten Schritte ablaufen können, um später ein großes Reich und eine starke Dynastie zu erschaffen:
5 einfache Schritte, wie du den Start in Crusader Kings 3 schaffst und dominierst
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.
Sehr schöner Artikel. Danke dafür. Ich find das Spiel klasse!
Wobei tatsächlich mal interessant wäre, wie du deine genialen 3.Sohn zum Haupterben machst. Gibt es da einen “netten” Weg oder muss man seinen Stammbaum mit Gift und Dolch “in Form schneiden”? Den unerwünschten Erben ins Kloster schicken dürfte ja kaum funktionieren…;o)
Der Trick ist, über eine Wahlmonarchie den Erben zu unterstützen, den man selbst will, und sich dann mit den wichtigsten Kurfürsten zu befreunden, das gibt einen Bonus. Wenn man lang genug selbst Kaiser ist, sollte man eigentlich seinen Erben über diesen Umweg quasi selbst bestimmen können, wenn der halbwegs vernünftig ist.
Und die anderen Söhne muss man zu Herzögen machen, dann sind die im Prinzip abgespeist und das reicht denen.
Wenn man “safe” spielen will, dann sollte man die Anzahl der fruchtbaren Ehefrauen beschränken. Sobald man einen Sohn hat, nur noch unfruchtbare Frauen heiraten.
Meiner Erfahrung nach hat man mit Enterben oder Ermorden und so, meist Schereien, weil dann doch nur irgendwie der Streng was erben muss.
Aahh, das klingt interessant. Danke für den Tipp!
Famoser Artikel, jetzt möchte ich auch Kaiser(in) werden!
Aber wie geht das egtl.? Wird der Kaiser nicht vom Papst bestimmt? Angeblich ist man ja aus dieser mittelalterlichen Religion ausgetreten, um das Erbrecht zu umgehen. Ich habe Fragen! ?
In Crusader King’s 3 ist die Welt in verschiedene Kaiserreich geformt, die wiederum aus Königreichen bestehen, die aus Herzögtümer bestehen, die aus Grafschaften bestehen.
Zum Beispiel ist “Albia” ein Kaiserreich, das das heutige Großbritannien umfasst (mit ganz Irland) und das besteht aus den Königreichen England, Wales, Schottland und Irland.
Um Kaiser von Albia zu werden, musst du, glaube ich, 2 Königs-Titel besitze und irgendwie 2/3 der Grafschaften. Das ist schon ein gutes Stück. Die Kaiserreiche sind die Imperien der Welt – da gibt’s auch welche in asien oder Byzanz, die heißen dann nicht Kaiser, sondern haben andere Titel, sind eben Emperor-Tier.
Wenn Du kannst aber auch mit speziellen Events ein ganz neues Kaiserreich erschaffen, wenn du genügend Königreich und Land besitzt.
In der echten Historie gab es nur wenige Kaiser, weil nur wenige so viel Land besessen haben. Da war der Kaiser vor allem, der Kaiser des Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation – das gibt’s in Crusader Kings 3 auch. Das ist dann mit Papst und dem ganzen Kram, glaube ich. Ich hab das aber nie gespielt.
Das sind dann Spiel-Mechaniken, die wahrscheinlich mit weiteren DLCs noch ganz groß eingeführt werden. So war’s jedenfalls früher. Bei Cursader Kings 2 kamen dann spezielle DLCs, mit denen man z.b. Venedig spielen konnte oder spezielle Mechaniken für die islamischen Gebiete und zig andere Sachen.
In meinen Spielen hab ich mit dem Papst nichts zu tun, der ruft nur immer einen Kreuzzug gegen mich aus, weil ich angeblich ein Heide bin …
Ah ok, vielen Dank für die ausführliche Erklärung! Ich dachte schon ich hätte im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst. 😉
Kann man bei dem Kreuzzug gegen das heilige Schumännische Reich Irischer Nation noch einsteigen? Der Papst im Mittelalter war ohnehin eine eher tragische Figur und ich war schon immer gegen “Hexen”-Verbrennung, also weg mit dem! 🙂
Miese Quote, 14 Frauen und 4 Kinder wäre besser. Aber als Kaiser kann man sich die Allimente für 14 Bälger ja leisten…
Aber Spass beiseite, das Spiel ist auch weit oben auf meiner Liste ich bräuchte nur mal Urlaub…
CK3 habe ich bis jetzt 200h gespielt. Das Spiel hat verdammt viel Tiefe, wodurch man das Spiel mit jedem Erben anders spielen kann.
Mein einziger Kritikpunkt ist die fehlerhafte Übersetzung der Texte. Was da manchmal für ein Kauderwelsch steht ist echt böse. ^^
Nur für die Überschrift des Artikel hab ich ein Herz gegeben ?
Kenn weder das Spiel noch hab ich weiter gelesen. Gibt es das auch auf der PS?
NOPE. Solche Spieleperlen bleiben allein der PCMR vorbehalten.
Mal wieder ein Grund mehr mir wohl endlich mal einen anzuschaffen