Wochenende und man hat nichts zu tun. MeinMMO-Redakteur Patrick Freese startet nach längerer Pause mal wieder World of Warcraft. Dass ihm ein langweiliger Erfolg im Spiel so viel Spaß bringen wird, konnte er da noch nicht ahnen.
Es ist Sonntagabend. Für mich eine typische Zeit, die ich gern am PC verbringe. Ich bestellte mir etwas zu Essen und beschloss, World of Warcraft zu starten. Ein paar Erfolge erledigen, die einem vielleicht Titel, Reittiere oder Spielzeuge bescheren – das ist die leichte Unterhaltung, die ich jetzt gebrauchen kann.
WoW hatte ich schon länger pausiert, loggte nur mal sporadisch zwischendurch ein und regelte ein paar Auktionen. Es war also durchaus mal wieder Zeit, eine ernstere Runde zu drehen. Ich blätterte durch meine Erfolgs-Übersicht auf der Suche nach einer Herausforderung, die mich anständig belohnt. Der Feldfotograf – Das ist meine Mission! Etwas zeitaufwändig, aber immerhin ein Titel als Belohnung. Los geht’s.
So öde, wie der Erfolg vermuten lässt, war der Abend gar nicht
Das ist meine Mission: Für den Erfolg “Feldfotograf” soll ich mit einem Charakter meiner Wahl 43 Orte besuchen. An jedem Ort packe ich dann man S.E.L.F.I.E.-Kamera aus und knipse ein Foto. Nach 43 Selfies an 43 Orten ist der Erfolg abgeschlossen und ich gewinne den Titel “Feldfotograf”, der dann neben meinem Charakter-Namen erstrahlen kann.
Für mich hört sich das beim Lesen der Aufgabe an, als würde ich jetzt stundenlang durch die Kontinente reisen und hätte nebenbei nichts zu tun. Langweilig. Reise von einem Kontinent zum nächsten, packe dein Flugmount aus, besuche einen Ort, knipse ein Foto und weiter zum nächsten Ort. Glücklicherweise ist zu dem Zeitpunkt aber in meiner Gilde ein Freund online, den ich in genau dieser Gilde vor mehr als 14 Jahren kennenlernte.
Ich frage also, ob er den Erfolg schon gemacht hat und er verneint. Wir eröffnen eine Gruppe und treffen uns im Discord. Unsere Reise beginnt beim Quest-Startpunkt in Orgrimmar. Dass ich jetzt die nächsten dreieinhalb Stunden mit Herumfliegen, Nostalgie und schönen Geschichten zu tun habe, weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Kapitel 1 – Kalimdor: Unser nächster Stopp, nach Orgrimmar, ist die Mondlichtung. Da mein Kumpel Woife einen Druiden spielt, hat er hier gleich einen lautstarken Vorteil, den er mir natürlich auf die Nase binden muss: “Flieg du mal schön rüber. Ich nutze einfach meinen Teleport zur Mondlichtung.” Ich setze mich auf mein Flugmount und fliege los. Nebenher richte ich mir auf dem zweiten Monitor schon eine kleine Liste mit den Orten ein, die wir jetzt besuchen müssen.
Als Erstes grasen wir Kalimdor ab. Die Mondlichtung, Nordrassil, die Echoinseln, die Zwillingskolosse, einen kleinen Abstecher zur Onyxias Hort, wo wir auch gleich den Boss legen, in die Höhlen der Zeit, zur Terasse des Formers, auf die Halle des Ursprungs und schließlich zum legendären Ahn’Qiraj-Raid, um ein Selfie bei des Skarabäushöhe zu schießen.
Die Flugzeit versüßten wir uns damit, in die Höhe zu fliegen, grob die Richtung des Zielortes anzupeilen und dann zu schauen, wie genau wir treffen würden. Auf Kalimdor liegt alles recht nah beieinander. In kurzer Zeit haben wir dieses Kapitel abgeschlossen.
Kapitel 2 – Östliche Königreiche: Wir starten in den Östlichen Königreichen weit im Norden und besuchen die Kapelle des Hoffnungsvollen Lichts. Das düstere Thema in der Region gefällt uns beiden nicht und wir sind froh, als wir von der graubraunen Eintönigkeit rüber ins Grüne kommen und Herdweiler besuchen.
Inzwischen hat Woife darauf verzichtet, selbst zu fliegen und es sich stattdessen auf dem Rücken meines 2-Spieler-Mounts bequem gemacht. Er steigt jetzt nur noch ab, um ein Foto zu knipsen und nimmt dann wieder Platz und überlässt mir das Fliegen. Auf die Art würde ich den Erfolg auch gern mitmachen.
Beim Selfie in Herdweiler fällt ihm etwas auf: “Flieg mal da rüber. Da am Turm. Ist das ne Tür?” Perplex von seinem undefinierbaren “da rüber” pausiere ich den Flug mitten in der Luft. “Da?”, frage ich. “Ja, da. Am Turm halt”. Neben uns steht ein kleiner grauer Turm, der an einer Stelle einen braunen Fleck hat. Wir nähern uns. “Das war bestimmt mal als Tür gedacht und wurd dann verworfen. Warum sollte ein Turm sonst an der Stelle einen braunen Fleck haben?”, mutmaßt mein Passagier. Wir fliegen weiter.
Nach ein paar Foto-Stops steht die Tiefenbahn auf unserem Plan. Eine Bahn, die die beiden Allianzstädte Sturmwind und Eisenschmiede verbindet. Alli-Gebiet. Der Gegner. Wir als Hordler sollen zu den Allianzlern in die Hauptstadt, zwei Fotos knipsen und grinsen und dann wieder abhauen. Na dann Prost.
Wir nähern uns Sturmwind und schmieden den Plan “Im Sturzflug vom Himmel stürzen, direkt ins Portal zur Tiefenbahn. Kamera zücken und das Selfie machen und erst DANACH schauen, ob uns jemand der gegnerischen Fraktion umlegen will.” Wir haben Glück. Dieser Teil der Hauptstadt war zu dem Zeitpunkt etwa so gut besucht wie ein Ärztewartezimmer am Freitagnachmittag. Wir haben alle Zeit der Welt, klatschen noch eben zwei Wachen um, die uns am Wegfliegen hindern wollen und sind dann auch schon wieder in der Luft.
Das nächste Highlight ist ein Besuch in den Todesminen. Die Instanz hat einen irre langen Weg zum Eingang und natürlich muss man IN der Ini das Selfie knipsen. Den Weg zum Eingang muss man zu Fuß, ohne Mount zurücklegen. Von Woife höre ich dauernd, wie “schön das doch damals war, als man hier noch alle Mobs umprügeln musste. Das war eine richtige Aufgabe”. Überzeugend behauptet er “Der beste Eingang zu einer Instanz EVER.”
Kapitel 3 – Die (kleine) Scherbenwelt: Nach dem Foto vorm Dunklen Portal geht’s für uns in die alte Scherbenwelt. Also den Zustand, den man von der ersten Erweiterung “Burning Crusade” kennt. Da kommen Erinnerungen hoch. Für mich war das mein Einstieg in World of Warcraft. Gemeinsam philosophieren wir über die schönen Gebiete und mit was für Ideen Blizzard damals an die Sache heranging. Hier haben wir nur drei Stops und einer davon ist die Hauptstadt Shattrath. Woife fragt, warum eigentlich keiner von uns beiden auf die geniale Idee kam, einen Magier für die Reise auszuwählen. “Oh Mann, wir hätten schon so viel Zeit sparen können. Aber jetzt logge ich auch nicht mehr um. Wir haben das in dem Team angefangen und so machen wir auch weiter”, erkläre ich und erhalte Zustimmung.
Weiter geht’s nach Nordend.
Kapitel 4 – Nordend: “Jawoll, jetzt fliegen wir zum Heulenden Fjord”, freue ich mich laut aufs nächste Kapitel. “Das ist meine Lieblingserweiterung. Nicht zwingend von den Inhalten, aber das Feeling ist so genial. WOTLK ist für mich Nostalgie und ein muggeliges Gefühl. Ich mag es hier”, fahre ich ungefragt fort. Zu meiner Überraschung ist auch mein Passagier zumindest vom Heulenden Fjord überzeugt. “Die Musiiiiik”, schwärmt er. Zu meiner Schande gestehe ich, dass ich gerade die Musik deaktiviert habe, sehr wohl aber den Soundtrack schon mal kaufen wollte.
Die Soundtrack-Sammlung zu WoW fand ich vor ein paar Jahren günstig im Internet. Zwei Wochen sollte die Lieferung aus den USA dauern. Drei Wochen nach der Versandbestätigung fragte ich nach einer Trackingnummer. “Wir können das Paket leider nicht finden. Wird storniert. Sorry”. Dabei hatte ich so einen schönen Platz neben der CD-Sammlung von GTA Vice City freigeräumt. Schade.
Wir lauschen also der Musik und grasen alle Orte ab, bis wir vor der Eiskronenzitadelle stehen. “Wir müssen da rein. Nach ganz oben”, sage ich. “Sicher, dass wir nicht einfach von außen auf den Turm können?”, fragt Woife, der sich dann in seine Fluggestalt verwandelt und – überraschenderweise – selbst nach oben fliegt. Wir landen auf der Spitze, zücken die Kamera, knipsen ein Foto und … nichts. Nein. Das zählt nicht. Wir müssen eben durch die Instanz laufen und den Endboss umlegen, um dann, auf seinem Thron ein Foto zu machen.
Es ist jetzt etwa zwanzig nach acht. Mehr als zwei Stunden sind wir unterwegs. Zwischendurch gab es eine Pause für die Verpflegung meinerseits und eine kleine Runde mit meinem Hund. Nun ist Woife dran und möchte sich etwas zu Essen machen. Anschließend muss er auch in die Waagerechte, da er Montagmorgen früh raus muss. Ich soll den Rest alleine machen. Er holt das dann nach der Arbeit nach.
Wir bedanken uns gegenseitig für den netten Abend und ich betrete die Tür zur Eiskronenzitadelle, während mein Druiden-Freund langsam im Himmel verschwindet.
Kapitel 5 – Cataclysm und der ganze Rest: Auf meiner Liste stehen noch zehn Orte. Drei in den Gebieten des Kataklysmus, vier bei den lieben Pandaren und drei in Draenor. Ich schalte mir nebenbei einen Stream an und fliege von Ort zu Ort. Zücke dort die Kamera, probiere mich mit den Filtern und komme dem großen Titel immer näher. Schließlich ist nur noch ein einziger Ort auf meiner Karte. Die Instanz Auchindon in Draenor. Ich fliege zur Location, betrete die Instanz und mache ein finales Selfie um 21:40 Uhr. Etwa dreieinhalb Stunden nach dem Start des Foto-Marathons in Orgrimmar.
Da ich die Selfie-Kamera wohl nie wieder benutzen werde, lösche ich den Hotkey inklusive Symbol direkt wieder von meiner Aktionsleiste.
Hier stehe ich vor euch. Feldfotografin. Bin ich besonders stolz auf den Titel? Nein. Hätte man das Ganze auch viel schneller lösen können? Ohne Frage. Doch ohne das Achievement wäre ich wohl nicht zusammen mit einem alten Freund losgezogen und dabei die schönen Erinnerungen aufleben lassen.
Habt ihr ähnliche schöne Erinnerungen, die ihr gemeinsam mit Freunden in World of Warcraft oder anderen MMOs von Zeit zu Zeit aufleben lasst?
Eine schlechte Erfahrung machte ich, als ich nach einer Pause wieder raidete. Mein erster Raid nach 9 Jahren zeigt mir, was mich so daran nervt.
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Nur 3,5 Stunden für die 43 Orte ? Das halte ich für ein Gerücht ….Ok, ich hate viele Flugpunkte nicht, aber nach ca. 6 Stunden bin ich gerade mal in Nordend angekommen ….
Wenn du manuell fliegst mit dem Flugmount, dann geht es deutlich schneller.
Bin ich ja, als “Post-Shadowland” Char hat man ja praktisch keine Flugpunkte mehr in den alten Gebieten …
Da gibts ein Spielzeug, das die meisten Flugpunkte freischaltet, ich glaube der Händler für Erbstücke hat das.
Schön sowas zu lesen. Erinnert mich an früher. Ich denke man vergisst im “Ich farme alles solo” – Mode oft, was Mitspieler doch ausmachen in Punkto Spielerfahrung. Vielleicht kommt da auch oft die Frustration her, das moderne Wow sei langweilig und dröge. Zusammen sind selbst langweilige Inhalte spaßig.
Ich kann mich noch erinnern, das ich und 2 Kumpels vom Dunkelwald bis nach Booty Bay geschwommen sind, da wir das 2te Angelbuch kaufen wollten 😂. Wir waren damals Lvl 10 und die Gebiete die wir durqueren sollten, waren leider alle viel zu hoch, also haben wir uns fürs schwimmen endschlossen. Das da mehrere Schiffe hinsegelten wussten wir zu dem Zeitpunkt leider noch nicht! Aber Spaß hats gemacht, heute glaube ich nicht, dass ich es nochmals machen würde.
Klingt aufregend! 😀
Die “Ich wollte was total langweiliges in WoW angehen und nachher war es viel besser und sozialer”-Stories sind immer die schönsten.
Im Gegensatz zu: “Woah das klingt ja total aufregend”-Inhalten, die dann ziemlich lahm sind. WoW kann einfach beides 😀
Wow läuft einfach schon zu lange und in so einer riesigen Welt findet man immer gute Geschichten!