Diablo Immortal soll wegen Betrug verklagt werden – Geht das auch in Deutschland? Wir fragten einen Anwalt

Diablo Immortal soll wegen Betrug verklagt werden – Geht das auch in Deutschland? Wir fragten einen Anwalt

Die US-Firma Migliaccio & Rathod sucht gerade nach Personen, die Blizzard verklagen wollen. Gegenstand der Klage: ein geändertes Item in Diablo Immortal mit dem Vorwurf des Betrugs. MeinMMO sprach mit dem bekannten deutschen Rechtsanwalt Christian Solmecke, ob so etwas auch in Deutschland möglich sei.

Warum soll Blizzard verklagt werden?

  • Blizzard betreibt in Diablo Immortal einen Shop, in dem sich verschiedene Gegenstände kaufen lassen, darunter Upgrades für die berüchtigten legendären Edelsteine, aber auch ein Stein selbst.
  • Der „Segen der Würdigen“ ist in Paketen erhältlich, die zwischen 30,99 € und 119,99 € kosten und zählte zu den stärksten Items für viele Klassen. Allerdings wurde das Item nachträglich geändert. Genauer: die Beschreibung wurde so angepasst, dass sie zum Effekt passt.
  • Weil das aus Sicht von Anwälten der US-Firma Migliaccio & Rathod Betrug sei, wollen sie Blizzard nun verklagen und suchen dafür Leute, die eine Sammelklage starten wollen.

Sammelklagen in dieser Form gibt es in Deutschland nicht. Wir sprachen deswegen mit dem „Internet-Anwalt“ Christian Solmecke darüber, wie eine solche Klage eigentlich hier einzuordnen wäre.

Wer ist Christian Solmecke? Solmecke ist Spezialist für Internet- und Medienrecht und arbeitet als Rechtsanwalt und Partner bei der Kölner Kanzlei WBS.LEGAL. Zuvor arbeitete er als Journalist unter anderem im Westdeutschen Rundfunk. Zu seinem Portfolio zählen zudem:

  • Mehrere Bücher zum Thema Online-Recht. Zuletzt erschien „Der Taschenanwalt
  • Die Gründung von IT-Startups
  • Solmecke ist außerdem Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Kommunikation und Recht im Internet („DIKRI“) sowie der cloudbasierten Kanzleisoftware Legalvisio.de.

Solmecke wurde mit seinem YouTube-Kanal als „Internet-Anwalt“ bekannt. Er greift häufig aktuelle Themen im Bereich Internet und Gaming auf und beantwortet Fragen in seinen Videos. Auch wir konnten ihm einige Fragen zum Thema stellen.

Gegenstand des Streits sind, wie so oft, die legendären Edelsteine. Im Video erklären wir euch, was es damit eigentlich auf sich hat:

Keine Sammelklagen in Deutschland, aber: „Diese Klageform wird kommen müssen“

MeinMMO: Sammelklagen wie in den USA gibt es in Deutschland nicht – Welche Alternativen hätten Betroffene hier?

Solmecke: In Deutschland gibt es keine Sammelklagen („class action“) nach US-amerikanischem Vorbild. In den USA ist es möglich, dass Anwälte stellvertretend für viele Geschädigte ein Gerichtsverfahren führen, das dann für alle Geschädigten bindend ist. Dabei kommt es nicht darauf an, sich individuell an der Klage beteiligt zu haben – es reicht, zu der betroffenen Gruppe („class“) zu gehören. Man kann lediglich aktiv austreten, um den Sachverhalt individuell klären zu lassen.

Allerdings gibt es hierzulande seit 2018 aus Anlass des Dieselskandals die sog. Musterfeststellungsklage. Dabei führt ein zugelassener Musterkläger (z.B. die Verbraucherschutzzentrale) das Verfahren, dessen Ausgang nur für die Geschädigten, die sich dem Verfahren aktiv angeschlossen haben, bindend ist. Dabei wird aber nur festgestellt, dass ein Anspruch besteht. Die konkrete Entschädigungssumme muss jeder Einzelne anschließend noch individuell einklagen.

Darüber hinaus gibt es mittlerweile auch „Legal Tech-Dienstleister“, die sich Ansprüche von vielen tausend Geschädigten abtreten lassen und diese dann gebündelt geltend machen. Sie klagen also fremde Rechte in eigenem Namen ein. Bindend ist das Ergebnis nur für alle, die ihre Rechte abgetreten haben.

Schließlich hat der Europäische Gesetzgeber Ende 2020 noch die sogenannte Verbandsklagen-Richtlinie beschlossen. Danach mussten die EU-Staaten eigentlich bis zum 25.12.22 eine neue Sammelklage einrichten, die dann 6 Monate später (25.6.23) in Kraft treten muss. Damit sollen auch konkrete Forderungen gegen Unternehmen eingeklagt werden können. Zwar ist in Deutschland ein entsprechendes Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VDuG) mit einer neuen „Abhilfeklage“ bereits in der Diskussion, doch bislang noch nicht beschlossen. Damit ist Deutschland eigentlich zu spät dran. Doch klar ist: Diese Klageform wird kommen müssen.

Darüber hinaus gibt es in speziellen Rechtsgebieten schon Klagen, die einer Sammelklage ähneln, z.B. das Musterverfahren im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) oder Verbandsklagen im Umweltrecht.

„Im deutschen Recht stünden die Chancen sehr gut“

MeinMMO: Kann ich mich als Deutscher einer Sammelklage in den USA anschließen, um eine Entschädigung zu erhalten?

Solmecke: Das Anschließen an eine US-Sammelklage ist in einigen Fällen in der Vergangenheit möglich gewesen, wenn man auch außerhalb der USA von einem Fall wirklich betroffen war. In anderen Fällen wurden hingegen Nicht-US-Bürger aus solchen Verfahren explizit ausgeschlossen, z.B. mit dem Hinweis auf die mangelnde Vollstreckbarkeit einer Entscheidung aus einer „US-class action“ durch die deutschen Gerichte. Es kommt also immer auch auf den individuellen Fall an und betrifft hier vornehmlich US-Recht.

MeinMMO: Wie sind die Erfolgsaussichten dieser Klage?

Solmecke: Wie die Erfolgsaussichten der Klage nach US-Recht sind, kann ich als deutscher Anwalt schwer abschließend einschätzen. Allerdings dürfte das amerikanische Recht hier nicht gänzlich vom deutschen abweichen. Und im deutschen Recht stünden die Chancen sehr gut.

MeinMMO: Wie wären die Erfolgsaussichten einer Klage wegen dieses Themas in Deutschland?

Solmecke: Eine solche Klage könnte in Deutschland nur als sogenannte Individualklage eines Spielers erhoben werden. Hier wären die Erfolgsaussichten einer Klage aber recht gut. Denn schließlich wurde ja eine konkrete Eigenschaft des Items versprochen und nur unter diesen Umständen haben die Spieler es mit Echtgeld erworben. Die Eigenschaft hatte das Item aber nicht.

Hier wären nach den Vorschriften über digitale Produkte im BGB verschiedene Ansprüche wegen eines Mangels möglich, z.B. Nachbesserung, Rücktritt, Schadensersatz. Außerdem wäre es möglich, den Vertrag wegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft anzufechten und sein Geld zurückzuerhalten.

MeinMMO: Danke für die Antworten!

Activision Blizzard hat sich erst übrigens vor Kurzem von dem großen Sexismus-Skandal erholt, der das Unternehmen viele Monate lang begleitet hat. Das Ergebnis war eine saftige Geldstrafe:

Nach Sexismus-Skandal: Activision Blizzard zahlt 35 Millionen Dollar Strafe

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N0ma

Danke, sehr interessanter Beitrag

Faxe88

Die Kanzlei heißt zwischenzeitlich WBS LEGAL.

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