Seit dem Entstehen von MMORPGs hat so ziemlich jeder Aspekt unserer liebsten Unterhaltungsform einen massiven Wandel durchlaufen. Der Einstieg in die Spiele fällt einfacher, die Grafikpracht wird immer ansehnlicher und auch die Endgame-Inhalte unterliegen einer stetigen Veränderung.
Was damals mit schweren 40-Mann-Raids wie “Molten Core” und “Blackwing Lair” in World of Warcraft angefangen hat, wurde längst unzählige Male auf andere Spiele übertragen und abgewandelt. Fast immer gibt es Spielinhalte, für die man eine kleine, überschaubare Gruppe von 3-6 Personen braucht und parallel dazu die “großen” Aufgaben für 20-40 Mann.
Während die Koordination von 19 Spielgefährten oft schon an den Nerven aller Beteiligten zehrt, so ist das bei der doppelten Spieleranzahl fast immer garantiert. Dieser Kelch scheint an WildStar, der kommenden MMO-Hoffnung, jedoch eiskalt vorbeigerollt zu sein – und das mit purer Absicht der Entwickler!
Wir stellen uns also die Frage: Sind 40 Personen-Raids eigentlich noch zeitgemäß?
Die Spieler von damals…
Machen wir uns nichts vor: Als der Großteil von uns vor rund 10 Jahren mit World of Warcraft angefangen hat, da war man entweder Schüler oder Student. Man hatte viel Zeit, konnte mehrere Abende ohne andere Ablenkung vor dem PC verbringen und konnte somit problemlos an umfangreichen Schlachtzügen teilnehmen.
Nach der Schule informierte man sich eine halbe Stunde im Forum der Gilde über die neusten Taktiken und der heutigen Aufstellung und machte davon abhängig, ob man noch Fläschchen und Bufffood farmt oder lieber gemütlich ein paar kleinere Instanzen abgrast.
Aktuelle Raids waren nur etwas für rund 5% der Spielergemeinde und Geduld spielte eine große Rolle. Oft hat es mehrere Monate mit 2-3 Raidabenden die Woche (zu je 4-5 Stunden!) gedauert, bis der neuste Boss besiegt wurde. Das Erfolgerlebnis war aber ungemein größer.
… sind nicht die Spieler von heute!
Heutzutage sieht das anders aus. Subjektiv betrachtet (lies: Ich habe recht, außer es ist nicht so!) ist die “junge Generation” der Spieler verwöhnter und nicht mehr so ausdauernd. MMOs sind für viele nicht mehr das eine, große Hobby, sondern eines von vielen verschiedenen, die alle Zeit beanspruchen – und alle deutlich weniger.
Da kommt es nur recht, dass viele Spiele inzwischen komfortable Lösungen anbieten, um die schwierigen Engame-Inhalte trotzdem zu erleben. WoW etwa teilt die Raids in mehrere Flügel und bietet unterschiedliche Schwierigkeitsgrade an, von “Ich spiele ohne Tastatur und mit Augen zu” bis hin zu “Vor dem 50. Versuch verliert der Boss keine HP” ist für jeden Spieler etwas dabei.
Zusätzliche Tools wie der gleichermaßen gefeierte und gehasste “Dungeon-Finder” ermöglichen es, sich ganz ohne Verpflichtungen und manuelles Gruppensuchen in die Schlacht zu stürzen; solche Komfortfunktionen hat WildStar auch, nicht aber für die härtesten Herausforderungen des Spiels: den Schlachtzügen für 40 oder 20 Verrückte.
40-Mann-Raid-Planung: Studiengang über 6 Semester
Die Nachteile von großen Raidgruppen liegen klar auf der Hand: Für die leitenden Personen ist es schon Tage vorher ein heilloses Chaos, wenn man aus einem Pool von 60 oder mehr Spielern eine ausgewogene Gruppe zusammenstellen will, in der sich niemand ungerecht behandelt fühlt. Ob diese 40 Leute dann auch alle wirklich um 19 Uhr voll ausgerüstet und einsatzbereit online sind, steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt. Aber auch während des heiteren Tötens und Sterbens ist der Raidleiter oft mehr ein Seelsorger und Schnittstelle als alles andere.
“Warum hat Lauryll heute schon wieder ein Item bekommen und ich nicht?”
“Der Nagrivai steht viel zu lange im Feuer, sag dem das mal, auf dich hört der!”
“Cortyn hat mal wieder kein Fläschchen eingeworfen!”
Hinzu kommen auch noch die Antipathien untereinander. Bei 40 Leuten wird es unweigerlich passieren, dass einige nicht miteinander auskommen und das erschwert die Planung nur noch weiter. “Wenn Noires mitkommt, dann bleibe ich zu Hause!” und “Wenn Remson nicht mit darf, will ich auch nicht!” sind nur zwei von vielen möglichen Konstellationen, die eurem Anführer die letzten Nerven rauben.
Je mehr Spieler, desto größer der Erfolg
Doch nicht alles ist schlecht an den großen Gruppen. Die Erfolgserlebnisse werden umso intensiver, je mehr Leute daran beteiligt sind. Wenn nach Wochen des stetigen Fortschritts endlich der Boss in die Knie gezwungen wird, das Gejubel im TeamSpeak losbricht und man eines der raren Items zugeteilt bekommen hat – das ist es allemal wert! Absolut jeder, der sich einen solchen Sieg hart erkämpft hat, wird verstehen was ich meine – und genau da liegt die Zielgruppe, die ein neues Spiel mit klassischen Raids erreichen will: WildStar.
Die Hardcore-Zielgruppe aus alten Hasen und aufstrebenden Jünglingen
Viele MMORPG-Spieler der “ersten Generation” vermissen die schwierigen Herausforderungen, die großen Gruppen und langen Raidabende. Nicht alle können mit den neuen Systemen etwas anfangen, indem jeder seinen eigenen Schwierigkeitsgrad auswählen kann und letztendlich jeder vom Spiel den Erfolg mehr oder minder nachgeschmissen bekommt.
Ist man selber ein so ein “alter Hase” und erzählt der jüngeren Generation davon, dann ist das, als würde der Opa aus dem Schützengraben berichten. Die wenigsten können sich vorstellen, dass damals wirklich alles so schwer war – die “Alten” wollen schließlich nur ihre eigenen Leistungen in ein besseres Licht rücken.
Einige lassen sich jedoch von der Nostalgie anstecken und wollen selbst einmal Teil einer so “elitären” Spielergruppe sein, die jene Herausforderungen bewältigt und auf diese Siege auch angewiesen ist, ohne einfach den Schwierigkeitsgrad herunterstellen zu können, wenn nach 2 gescheiterten Versuchen die Motivation schon nachlässt. Die Raids in WildStar werden kein Zuckerschlecken und sollen es niemals sein. Eine harte Probe für all jene, die sich im Einheitsbrei der Engame-Inhalte langweilen – es bleibt zu hoffen, dass die Entwickler von Carbine dieser Linie auch treu bleiben!
Wer hat denn noch Zeit dafür?
[pull_quote_right]WildStar: World of Warcraft 2.0[/pull_quote_right]
Es ist ein mutiger Schritt, in puncto Raids so ein “altes” Konzept wieder auszupacken und die Spieler vor schwere Aufgaben zu stellen. Viele Gildenleiter sind es nicht mehr gewohnt, eine Gruppe aus 40 oder mehr Leuten zu koordinieren, doch das Interesse wächst stetig.
Denn genau diese bitterbösen Schlachtzüge sind eines der Kernelemente, welches sich viele Spieler zurückwünschen. Immer wieder wird kritisiert, dass damals doch der Zusammenhalt im “Molten Core” deutlich besser war und soziale Gefüge irgendwie fester war – trotz der hohen Frustrationsgefahr. Genau diese soziale Pflichtkomponenten will WildStar wieder in den Mittelpunkt rücken. Das wirkt sich nicht nur auf die manuelle Raidplanung aus, sondern auch auf andere Inhalte, wie etwa die Kriegsbasen.
WildStar setzt auf alte Werte: Kampf, Krieg und Kapitalismus
Und auch der Faktor Zeit spielt natürlich eine große Rolle, denn während man als Student gut und gerne an 6 von 7 Abenden ungehemmt zocken konnte, wenn man das denn wollte, so ist das im Berufsleben kaum noch realisierbar – doch ist das wirklich ein großes Hindernis?
Meiner ganz persönlichen Erfahrung nach lässt sich auch im Berufsleben das Raiden in die Freizeit integrieren – viel zu oft wird es als Ausrede genommen, um es gar nicht erst zu versuchen.
Jeder muss sich einfach darüber im Klaren sein, dass die Endgame-Inhalte eines solchen Spieles Zeit kosten, daraus wird ja auch kein Hehl gemacht. Das immer wieder auftretende Argument “Ich zahle genau so viel für ein Spiel, wie die Hardcore-Raider, ich will das auch sehen!” zieht einfach nicht mehr, denn nur weil man sich einen teuren Tennisschläger kauft, kann man nicht automatisch in Wimbledon mitspielen. Ob es einer Person letztendlich wichtig genug ist, um 5-10 Stunden pro Woche in dieses Hobby zu investieren, das muss jeder selbst für sich entscheiden (lies: Ja, ist es, stellt euch nicht so an!).
WildStar – Was wir bisher wissen
Wie schon mehrfach betont werden die 40-Mann-oder-Frau-Scharmützel auf Nexus kein Unternehmen, welches sich in ein oder zwei Tagen abschließen lässt, das gleiche gilt übrigens für die kleiner 20-Personen-Variante. Es wird viel Hirnschmalz, Nerven und Ausdauer kosten um die letzten Bosse der bisherigen zwei Raidinstanzen ins Datennirvana zu befördern.
Das Telegrafensystem ermöglicht komplexe Kämpfe mit nur sehr schwer vorhersehbaren Fähigkeiten und dennoch wird man stets wissen, warum man gerade mal wieder das Zeitliche gesegnet hat. Das Lootsystem verspricht darüber hinaus deutlich einfacher und fairer zu sein, als in vielen anderen Spielen: Jeder bekommt etwas. Nicht unbedingt das, was er haben wollte, aber alle Spieler werden auf irgendeine Weise belohnt. Lange Debatten über die Itemverteilung oder gar ein klassisches DKP-System fallen damit als Organisationsfaktor schon einmal unter den Tisch.
Schon gelesen? WildStar – Raid-Bosse: Nur echt mit 252 Zähnen!
Fazit: Es wird ein Spaß – aber nicht für jeden
Ich bin mir sicher, dass WildStar mit seinen klassischen Raids und dynamischem Kampfsystem genau die Zielgruppe erreichen wird, die sie angepeilt haben: Die alten MMO-Veteranen, die der guten alten Zeit nachsinnen und die neue Generation, die sich von der “Jeder kann alles erreichen, egal wie begabt er ist”-Mentalität in einem Spiel langsam veräppelt fühlen. Diese beiden Gruppen sind da und sie wachsen stetig. Ob sie groß genug sind, um dem klassischen Raidsystem eine Wiedergeburt zu bescheren, das werden die nächsten Monate zeigen.
Der ein oder andere wird seine Raidgruppe sicher schmerzlich an den Organisationsaufgaben zerbrechen sehen, denn vielleicht war ja damals doch nicht alles besser – aber eine Menge war gut und kann es wieder sein, wenn die Motivation stark genug ist und es den Progammierern von WildStar gelingt regelmäßig spannende Spielinhalte nachzuliefern, für die es sich lohnt, eine so große Gruppe zusammen zu halten.
Auch wenn jetzt der Hype-o-Meter von WildStar stetig steigt, gibt es immer noch eine ganze Menge Gamer, die sich noch gar nicht mit der kommenden MMO-Hoffnung auseinandergesetzt haben. Du fühlst dich angesprochen? Dann können wir dir diesen Artikel empfehlen: 10 Gründe, warum WildStar deinen Sommer “ruiniert”…!
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Raiden in WildStar – 40 wilde Helden – ist das noch zeitgemäß?
Gut das Carbine sich diese Frage nie gestellt hat und ich hoffe das sie das auch niemals tun werden. Es muss ja keiner raiden gehen. Es wird auch andere Dinge in Wildstar geben mit denen man sich im Endgame beschäftigen kann. Und wer nicht haben kann das andere Spieler raiden gehen und da auch noch erfolgreich sind, obwohl es schwer ist, der kann ja ein anderes MMO spielen.
Es ist nun mal Teil des Raidens einen gewissen Aufwand bei der Organisation und Gruppenbildung betreiben zu müssen. Das gehört einfach dazu damit Erfolgserlebnisse zustande kommen. Wer sich darauf nicht einlassen will der gehört auch nicht in einen Raid. Aber keine Sorge, für die Leute die da keinen Bock drauf haben kommt ja bald wieder ein WoW-Addon.
Carbine hat von vorn herrein klargestellt … Wildstar ist nicht für Gelegenheitsspieler gemacht die ohne großen Aufwand alles geschenkt haben wollen. Genau darum werde ich Wildstar spielen!
Gruß
Hi Cortyn,
deinen Worten entnehme ich, dass du selber nie an den großen, erfolgsorientierten, alten Raids teilgenommen und jemals solche eine große Gruppe in welcher Form auch immer geleitet hast… schade eigentlich.
Aber lass dich doch einfach mal auf das Abenteuer 40er Raids ein. Es ist ein Genuss, welcher zwar etwas Zeit kostet, aber Vorbereitung, wie in so vielen Dingen, ist das halbe Leben.
Leider sind viele Spieler der jungen Generation es gewohnt, alles in den Rachen geschoben zu bekommen, ohne etwas dafür getan zu haben. Ich bin sehr gespannt, wie Wildstar an alte Zeiten anknüpfen kann und gerade trotz Job und Familie, freue ich mich auf wöchentlich 1 bis 2 Abende in einer 40er Raidgruppe, welche zugegebenermaßen keine der Hardcoregruppen sein wird. 🙂
Das konnte ich dem Text nicht entnehmen. Im Prinzip sagt sie doch das gleiche, wie du auch – dass man sich auf das Abenteuer einlassen soll. Sie hat auch sehr wohl 40er Raids mit geleitet, das habe ich in ihrer letzten Kolumne gelesen: http://mein-mmo.de/das-erst…
Eigentlich habe ich keine großartige Lust mehr auf Raids. Es hat damals schon wahnsinnig viel Zeit gekostet, trotz Vorbereitung. Aber irgendwie weckt Cortyn wieder das Interesse in mir, es doch zu probieren =) Ich freu mich auf WildStar!
Gnihihi.
Irgendwie freut es mich sehr, wenn Leute auf meine anderen Kolumnen verlinken, das heißt zumindest eine Person hat sich mehr als einen meiner Texte angetan!
Man sieht sich in WildStar, spätestens in unserer Taverne!
Hallo Hans!
Vielleicht habe ich mich ein bisschen missverständlich ausgedrückt, aber wie “Pain” schon erwähnte habe ich früher selber viel (vieeeel!) geraidet und es auch sehr genoßen. Ich hoffe in WildStar auch wieder aktiv zu raiden, aber da Rollenspiel diesbezüglich für mich an erster Stelle steht, werde ich wohl nicht soviel Zeit hineinstecken, wie ich es damals getan habe (Zumindest behaupte ich das jetzt noch…). Auch ich hoffe, dass WildStar mir das wiedergeben kann, was ich in Raids so lange vermisst habe.
Hey Cortyn,
ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Zumal es nie leicht ist Texte so zu verfassen, dass es keine (Rück-)Fragen mehr gibt.
Der Nostalgiegedanke, als treibende Kraft, bewog mich einen Blick in die Beta von Wildstar zu werfen und es wenige Stunden später sogleich vorzubestellen.
Was mache ich nur falsch? Ich habe WoW damals wirklich sehr (SEEEHR!) gern gespielt. Aber Wildstar schafft es einfach nicht, mich anzufixen, trotz Stunden mit diversen Klassen in diversen Betas. tatsächlich überlege ich tatsächlich schon, mir Warlords of Draenor zu kaufen, was ich vorher nie für möglich gehalten hätte :-/