Wie entstehen neue Pokémon-Karten? Wir haben in Japan mit Künstlern und Testern gesprochen

Wie entstehen neue Pokémon-Karten? Wir haben in Japan mit Künstlern und Testern gesprochen

Pokémon-Karten begleiten seit Jahren Generationen von Fans. Doch wie entstehen die ikonischen Karten eigentlich? Wir haben bei „Creatures“ einen Einblick bekommen.

Betritt man das Hauptquartier von „Creatures“ in Tokio, fühlt man sich ein wenig, als hätte man die heiligen Pokémon-Hallen betreten – und ein Stück weit ist das auch so. Hier werden nicht nur Spiele, Modelle und Animationen für Pokémon erschaffen, hier entsteht auch das Sammelkartenspiel, das seit vielen Jahren Kinder und Erwachsene mitreißt.

Bei Creatures springt einen das Thema „Pokémon“ quasi an. Der ganze Eingangsbereich besteht aus weißen, strahlenden Blanko-Karten-Schablonen – wobei zwischendrin immer wieder ein paar Energie-Karten versteckt sind. Dazu kommen riesige Bildnisse einer klassischen Turtok- und Glurak-Karte, sowie des ikonischen Pokéballs.

Die ikonische Glurak-Karte als riesiges Bildnis im Eingangsbereich von Creatures

Gemeinsam mit einigen weiteren Medienvertretern besuchten wir das Hauptquartier von Creatures. Hier durften wir im Rahmen der Pokémon World Championships im Sommer 2023 in Yokohama mit einigen Personen sprechen, die direkt am Entstehungsprozess des Kartenspiels beteiligt sind.

Wie entstehen neue Sets? Laut Director Atsushi Nagashima ist es das Ziel von Creatures, etwas zu schaffen, „was jeder genießen kann und das nur wir erschaffen können“.

Mit der Planung eines neuen Karten-Sets beginnt das Team etwa ein Jahr im Voraus. Bei so einem Set greifen fünf Abteilungen ineinander:

  • Planning
  • Game-Design
  • Art Design
  • Illustration
  • Quality Control.

Diese Abteilungen müssen perfekt ineinander greifen, denn Pokémon ist für unterschiedliche Generationen und damit auch unterschiedliche Altersgruppen ein Thema: Man will ein Spiel für Kinder kreieren, das aber auch Erwachsene begeistert. Deshalb lautet das Ziel, ein einfaches Spielprinzip umzusetzen, das aber mit viel Tiefe überzeugen kann.

Sammeln und Spielen

Es gibt zahlreiche Schleifen und Überlegungen, bevor ein Set festgelegt wird. Zum Beispiel:

  • Welche Pokémon im neuen Set werden die wichtigsten Monster?
  • Welche Features aus den Videospielen, wie beispielsweise Dynamax oder Paradox-Pokémon, kann man mit aufnehmen?
  • Wie passen neue Karten zum etablierten Spiel?
  • Und welche Künstler sind für die Karten die Richtigen?

Die Entwickler betonen, dass gerade bei den Bildern auf den Karten Variation extrem wichtig ist. Derzeit arbeitet Creatures mit etwa 240 Illustratoren zusammen, die allesamt unterschiedliche Stile und Ideen mit einbringen. Sie bekommen ein erstes Briefing, sollen dann aber möglichst frei Ideen erarbeiten.

Wir sprachen unter anderem mit Künstlerin Yuka Mori, die für ihre Karten Lehm-Modelle von Pokémon bastelt, um diese dann in das Karten-Bild einzubauen: „Ich sollte meine eigene Kreativität einbringen“, betont sie. In einem kleinen Workshop demonstrierte sie, wie das ging, und ließ uns als Gruppe versuchen, es ihr gleichzutun:

Magnetilo Modell Pokemon
So sah das Ergebnis aus, als wir versuchten, im Stile von Yuka Mori Magnetilo zu modellieren

Für viele der Illustratoren ist die Arbeit für Creatures ein lang gehegter Wunsch. Auch Künstler „Gidora“ betont: „Ich bin Langzeit-Fan und lebe meinen Traum.“ Er braucht etwa zwei Tage für eine neue Illustration.

Durch die Vielzahl an Illustratoren entstehen verschiedenste Bilder.

Hier seht ihr eine Karte von Gidora (links) und eine Modell-Karte von Yuka Mori (rechts)

Und die Wichtigkeit der Bilder sollte man wirklich nicht unterschätzen – schließlich sammeln viele Fans auch gerne die Karten, ohne das Spiel überhaupt zu spielen. Teilweise werden heute riesige Summen von Sammlern für die seltensten Karten gezahlt.

7 Stunden spielen am Tag, 4 Matches pro Stunde

Im Gegensatz zu einem Videospiel kann man Karten aber schlecht patchen, wenn sie erstmal erschienen sind. Deshalb ist die Quality-Control-Abteilung extrem wichtig: Sie ist dafür zuständig abzusichern, dass die Karten letztlich auch im Spiel funktionieren und gut ausbalanciert sind.

Kohei Kobayashi (Game Director Development) und Satoru Inoue (Manager Game Design) erzählten uns, wie das funktioniert.

Sie achten bei ihrem Job vor allem auf drei Dinge:

  • Die „Playfulness“ neuer Karten, also den Spielspaß, den sie bringen.
  • Als zweites: Balancing. Was ist zu stark, was zu schwach?
  • Und drittens: Welche Rolle könnten neue Karten in Turnieren spielen? Was für Kombinationen ergeben sich, die man vielleicht nicht auf den ersten Blick erwartet? Die Meta des Spiels muss einbezogen werden.

Um diese Aspekte zu prüfen, kommt die Karte in verschiedene Testdecks, um dann auf Herz und Nieren geprüft zu werden.

Bei Creatures sitzen derzeit 18 Vollzeit-Tester, die im Grunde den ganzen Tag mit Pokémon beschäftigt sind. Im Schnitt, so die Entwickler, verbringen die Tester rund 7 Stunden am Tag mit Tests, manchmal mehr. Dabei spielen sie etwa 4 Matches pro Stunde. Zudem werden dort neben dem TCG auch andere Pokémon-Produkte, wie beispielsweise Brettspiele, getestet.

Obendrein versteckt sich in den Büros von Creatures ein regelrechter Schatz: Ein riesiger Schrank, in dem sich Exemplare so ziemlich aller Karten, die es im Pokémon-Sammelkartenspiel gibt, befindet. Das ist aber auch nötig, denn man braucht schließlich jede Menge Ressourcen, um neue Karten zu testen.

Die neuen Karten werden nämlich mithilfe unterschiedlichster Test-Decks getestet, die verschiedene Szenarien simulieren: Neue Karten werden ebenso mit Championship- wie mit Casual-Decks geprüft. „Wir wollen keine Über-Pokémon entwickeln“, erklären Kobayashi und Inoue. Alles soll immer möglichst ausbalanciert sein.

Das ist allerdings gar nicht so einfach: „Wir verbringen Monate mit den Karten, finden aber dennoch nicht alle Kombinationsmöglichkeiten. Manchmal gibt es überraschende Entwicklungen“, erklären die beiden: „Wir denken eigentlich 24/7 an Pokémon.“

Wie wird man Tester? Für viele Fans der Pokémon-Karten dürfte es geradezu ein Traumjob sein, den ganzen Tag mit Tests beschäftigt zu sein. Um Tester zu werden, so die Entwickler, braucht es vor allem zwei Dinge: Leidenschaft und Wissen. Gerade letzteres sollte aber nicht unterschätzt werden, denn man sollte möglichst alle Karten und Details des Spiels kennen.

Aber immerhin muss man kein ausgewiesener Weltmeister des TCG sein: Es wird nie auf Championships nach neuen Testern gescoutet, so die Entwickler. Sie legen keinen besonderen Wert darauf, Profis des Spiels als Tester hinzuzuholen. Stattdessen werden reguläre Anzeigen im Netz und in Magazinen geschaltet, auf die man sich einfach bewerben kann.

Hat man es auf den Posten geschafft, hört das Lernen aber nicht auf: „Man muss immer weiter lernen“, betonen die beiden. Logisch: Schließlich entstehen ständig neue Karten.

Auch in Pokémon GO gibt es immer wieder neue Inhalte. Dort steht als Nächstes der zweite Teil des Halloween-Events an.

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