Doku zeigt, wie ein „Herr der Ringe“-Spiel das 1. AAA-Spiel eines Hamburger Studios werden sollte, es stattdessen zu Fall brachte

Doku zeigt, wie ein „Herr der Ringe“-Spiel das 1. AAA-Spiel eines Hamburger Studios werden sollte, es stattdessen zu Fall brachte

Das Stealth-Adventure Der Herr der Ringe: Gollum gilt als eines der schlechtesten Spiele 2023. Das Spiel floppte so schlimm, dass es nun keine eigenen Spiele des beliebten Hamburger Studios Daedalic Entertainment mehr geben wird. Eine Reportage zeigt, was hinter den Kulissen der Spieleschmiede falsch lief und, warum Gollum zum Scheitern verurteilt war.

Der Herr der Ringe: Gollum sollte eigentlich etwas ganz Besonderes werden: Ein AAA-Spiel aus Deutschland, welches das Hamburger Studio Daedalic mit der starken „Der Herr der Ringe“-Lizenz im Rücken international bekannt machen sollte.

Als das Action-Game dann im Mai 2023 nach mehreren Verspätungen erschien, wurde es schnell als Kandidat für das schlechteste Spiel des Jahres gehandelt. Gollum fiel in den internationalen Reviews durch und auch unser GameStar-Kollege Sascha Penzhorn tat sich in seinem Test (kostenpflichtiger PLUS-Artikel) schwer damit, etwas Positives über die „Lizenzgurke“ zu sagen.

Gollum floppte so schlimm, dass sich Daedalic öffentlich entschuldigte und kurz darauf bekannt gab, fortan keine eigenen Spiele mehr zu produzieren und nur noch als Publisher aufzutreten. In einer knapp 40-minütigen Reportage geht die Redaktion von Game Two jetzt der Frage auf den Grund, wie es so weit kommen konnte. Das ganze Video könnt ihr euch hier anschauen:

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Crunch und Hungerlöhne beim vermeintlich familiären Indie-Studio

Was ging schief? Um diese Frage beantworten zu können, zeichnet die Reportage die Geschichte von Daedalic Entertainment nach.

  • Nachdem sich das Hamburger Studio mit humorvollen Point’n’Click-Adventures wie den Edna- und Deponia-Spielen einen Namen gemacht hatte, versuchte man, auch in anderen Genres Fuß zu fassen.
  • An Spielen wie Silence und A Year of Rain zeichnete sich bereits die Entwicklung ab, die das Studio machte: Ambitionierte Projekte, für die es jedoch an Erfahrung und vielleicht auch am Budget fehlte und die am Ende schmerzhaft floppten.
  • Hinter den Kulissen soll das Arbeitsklima belastend gewesen sein: Ehemalige Mitarbeiter berichten in der Reportage von einer „Atmosphäre der Angst“, zudem sollen Überstunden ohne Bezahlung oder eine Möglichkeit zum Ausgleich vorausgesetzt worden sein.
  • Während die eigene Produktion kriselte, feierte Daedalic vor allem als Publisher Erfolge, etwa mit Shadow Tactics: Blades of the Shogun des Münchner Entwickler-Studios Mimimi.

Wenn die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut

Als sich Daedalic dann 2018 nach langen Bemühungen die HdR-Lizenz sichern konnte, hatte man große Pläne. Im folgenden Jahr wurde Der Herr der Ringe: Gollum als Action-Spiel mit AAA-Ambitionen angekündigt und mit Blockbuster-Reihen wie Uncharted und Tomb Raider verglichen.

Die Reportage von Game Two zeichnet das Bild eines Studios, das sich heillos übernommen und in großen Ambitionen verloren hat. Es entsteht zudem der Eindruck, dass die Leitung des Studios Versprechungen machte, die das eigentliche Team überhaupt nicht einhalten konnte.

Herr der Ringe: Gollum kam mies an – HandOfBlood zockt es trotzdem, gibt sich richtig Mühe, spielt sogar im Cosplay

So seien zahlreiche Mechaniken geplant gewesen, die auf dem Papier toll klangen, dann jedoch verworfen werden mussten. Andere Elemente schafften es zwar ins Spiel, wo sie jedoch kaum Anwendung finden. Durch diesen Fokus auf Details kamen jedoch einige grundlegende Aspekte zu kurz:

  • bis zuletzt habe man an Gollums Fortbewegung auf allen Vieren feilen müssen, denn damit hatte man einfach keine Erfahrung
  • der innere Kampf zwischen Sméagol und Gollum sah in Previews vielversprechend aus, wurde jedoch nicht fertig und sei schließlich nur als schnelle Notlösung implementiert worden
  • der Ansatz, zuerst eine Geschichte zu schreiben und dann ein Spiel drumherum zu bauen, hatte bei den klassischen Adventures gut funktioniert, bei Gollum jedoch nicht mehr

Kein AAA-Spiel ohne AAA-Budget

Wie Daedalic in einem Statement erklärt, habe man nicht die nötige Förderung erhalten, um dem Spiel ein größeres Budget oder mehr Manpower zur Verfügung zu stellen. Mit einem Budget von 15 Millionen Euro und – gemäß den Credits – 85 beteiligten Personen, blieb das Projekt letztlich weit unter den ursprünglichen AAA-Ambitionen.

Um das Projekt dennoch zum – mittlerweile zweifach verschobenen – Release fertig zu stellen, kam es zum berüchtigten Crunch mit reichlich Überstunden. Diese seien laut Daedalic jedoch ausgeglichen worden. Das Team scheint sich also, trotz aller Schwierigkeiten, sehr bemüht zu haben, Gollum zu retten.

Umso härter sollen die Mitarbeiter die vernichtenden Kritiken zum Release getroffen haben. 25 von ihnen sollen kurz darauf mit der Schließung der Entwicklungsabteilung ihren Job verloren haben.

Die Reportage zeigt eindrücklich, dass ein toxisches Arbeitsumfeld und Crunch keine Probleme der großen und von manchen als „seelenlos“ empfundenen AAA-Studios Studios sind.

Nachtrag 09.10.2023, 18:30: Wir haben mittlerweile ein Statement von Daedalic Entertainment erhalten und fügen es euch an dieser Stelle ein:

„Wir alle von Daedalic sind sehr betrübt darüber, dass der ohne Frage hinter den
Erwartungen zurückbleibende Release von Gollum nun zum Anlass genommen
wird, die 17 Jahre zurückgehende Unternehmenshistorie von Daedalic mit ihren
zahlreichen Erfolgen und Auszeichnungen insgesamt in Frage zu stellen.
Berechtigte Kritik nehmen wir gern an und werden beispielsweise die Vorwürfe in
Bezug auf die interne Kommunikation zwischen Geschäftsleitung und Team einer
genauen Aufarbeitung unterziehen. Die aktuellen qualitativen Probleme von
Gollum jedoch mit allgemeinen, teilweise viele Jahre zurückliegenden
Vorkommnissen in Verbindung bringen zu wollen, ist indes viel zu einfach gedacht.
Bestes Beispiel sind die Schwierigkeiten, die wohl fast alle Unternehmen bei
Einführung des Mindestlohns Anfang des Jahres 2015 hatten. Daedalic hat
seinerzeit versucht eine faire Lösung für jeden Einzelfall zu finden und möglichst
viele Mitarbeiter*innen im Unternehmen zu halten. Das war vor mehr als 8,5
Jahren, als Gollum noch lange nicht geplant war – dennoch wird daraus nun einer
der Gründe des Misserfolges des Spiels konstruiert (Titel GameTwo: „Warum
Gollum scheitern musste“). Daedalic ist es stets wichtig, transparent und offen auf
Fragen einzugehen. Deshalb übermitteln wir anliegend ebenso transparent die
Originalfragen von GameTwo samt unserer diesbezüglichen Antworten, die leider
unserer Meinung nach bislang nicht hinreichend berücksichtigt wurden.“

Wie man sich nach solch einem desaströsen Projekt zurückkämpfen kann, zeigte CD Projekt Red zuletzt mit Cyberpunk 2077:

Spieler starten direkten Vergleich in Cyberpunk 2077 vor und nach 2.0, zeigen, was sie sich wünschen

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