Eine unverhoffte Begegnung in der Deutschen Bahn beschert MeinMMO-Chefredakteurin Leya eine ihrer schönsten Gaming-Erinnerungen.
Abgehetzt steige ich in den Zug und lasse mich mit einem lauten Seufzen in den Sitz plumpsen. Die Welt der Gaming-News, ach was, die ganze Welt kann mir jetzt gestohlen bleiben. Ich habe Urlaub.
Betrübt stelle ich fest, dass meine Sitzplatzreservierung mich zwar an einen großen Tisch führte, aber um mich herum noch drei leere Plätze sind. Ich bin jetzt schon genervt bei der Vorstellung, bald fremde Menschen vor und neben mir sitzen zu haben. Meine Fahrt dauert immerhin acht Stunden und man weiß ja nie, wer sich zu einem gesellt.
Der Zug kommt ins Rollen, die Fahrt beginnt. Noch bin ich alleine in meiner Vierer-Sitzgruppe. Mit Erleichterung packe ich die Graphic Novel aus, die ich schon ewig lesen will: Watchmen.
Magst du Comics?
Ich bin ein paar Stunden unterwegs und vertieft in die Geschichte. Ich merke kaum, dass zwei Passagiere mir gegenüber Platz genommen haben.
Plötzlich greift eine kleine Hand nach meinem Buch. Irritiert schaue ich auf und blicke in zwei große, runde und leuchtende Augen: „Do you like comics?“
Ein Junge, vielleicht gerade mal 8 Jahre alt, spricht mich auf Englisch an, um mich über meinen Comic auszufragen.
Etwas perplex beantworte ich seine Fragen zu Watchmen. Ebenfalls in Englisch. Wissbegierig saugt er alles auf und wird immer aufgeregter, als er anfängt, von seinen liebsten Comics zu erzählen. Der Vater stimmt mit ein und jetzt reden wir alle drei begeistert über Comics.
Sein Vater erklärt mir, dass die beiden aus Australien kommen und sie für einen Job nach Deutschland gezogen sind. Sein Sohn hat noch Schwierigkeiten, sich mit seiner neuen Heimat anzufreunden, seine Freunde zurückgelassen zu haben.
Sein größtes Problem: Der Junge weigert sich standhaft, Deutsch zu lernen. Das scheint ein Reizthema zu sein. Denn der vorhin noch fröhliche Junge sackt in sich zusammen, verschränkt die Arme und schaut mit seinen großen Augen bedröppelt auf den Boden.
Er tut mir leid.
Ich erzähle dem Jungen, dass ich früher Englisch vor allem über Videospiele gelernt habe und mich nur deshalb jetzt mit ihm unterhalten kann. Beim Schlagwort Videospiele hellt das Gesicht des Jungen sofort auf.
Wie heißen die Pokémon eigentlich in Deutsch?
Ehe ich mich versehe, sitzt das Kind neben mir, zückt sein Handy und zeigt mir stolz seine Sammlung in Pokémon GO. Mit Pokémon bin ich auch aufgewachsen und habe hier viel zu erzählen. Wir reden über die Taschenmonster und irgendwann ist der Kleine neugierig, wie seine Pokémon eigentlich alle in Deutsch heißen.
Ich zeige ihm, welche Pokémon ich in seiner Sammlung besonders mag und unter welchem Namen ich sie als Deutsche kenne. Einige Namen sorgen für Lachen und er versucht sie nachzusprechen.
Sein Vater guckt zufrieden hinüber. In seinem Gesicht steht geschrieben: immerhin ein Anfang.
Irgendwann wird dem Kind das aber zu langweilig und er zeigt mir ein simples Spiel mit Autos auf seinem Handy. Das spielen wir noch eine Weile zusammen und versuchen andere Autos von einer Plattform zu schubsen.
Ich weiß gar nicht, wie viele Stunden vergangen sind. Wir fahren auf die Endstation von Vater und Sohn zu. Sie packen ihre Sachen zusammen. Der Sohn tut sich mit dem Abschied etwas schwer. Er fragt, ob der Vater nicht nach meiner Nummer fragen kann, was bei uns Erwachsenen schallendes Gelächter auslöst.
Das fände die Mama bestimmt nicht so gut, meint er mit einem Augenzwinkern zum Sohn. Der versteht unser Gelächter nicht wirklich. Aber er akzeptiert, dass dies wohl eine einmalige Begegnung bleibt.
Die beiden steigen aus und sobald sich der Zug wieder bewegt, winke ich ihnen zu, bis ich sie nicht mehr sehen kann. Für den Rest der Fahrt schaue ich lächelnd aus dem Fenster und lasse die Gedanken kreisen.
Ob der Junge wohl heute Pokémon GO in Deutsch spielt?
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Das ist ziemlich normal und verständlich. Wer verlässt schon gerne zwangsweise seine Freunde und alles, was er kennt.. wenn er ein paar Freunde findet, geht das mit der Sprache wie von alleine.
Da mussten schon viele Kinder durch und erfahrungsgemäß klappt das 🙂
Schön, dass der Autor dem Jungen ein schönes Erlebnis bescheren konnte!
es gibt tausend solcher geschichten , jeder hat so eine die er erzählen könnte, die einem den tag versüßen, tränen in die augen treiben. storys über freundschaft, menschen die man mal getroffen hat, mal kennenlernen durfte….das sind besondere geschichten und ich denke jeder sollte sie erzählen.
ich habe auch so eine.. aber sie ist leider eine traurige geschichte….
als ich 2003 mit lineage 2 angefangen habe. auf nem sogenannten free server ( der server nannte sich noobwars , ein griechischer L2 server ) …gab es dort 2 lager griechen und bulgaren.ein paar deutsche und ein paar spanier.alles zusammen so um die 500 spieler villeicht …jede seite machte natürlich ihr eigenen clans und die leute verteilten sich . wir landeten in einem griechischen clan.wir konnten ein wenig englisch , grade so das man sich unterhalten konnte und sich zusammen reimen konnte was der andere gesagt hat oder wollte.in meinem clan waren 3 freunde die sich auch in RL kannten .. ihre nicks steris, kologeros und papoukas 3 zwerge^^ der eine crafter die anderen beiden spoiler…wir rissen also imemr witze über diese chars weil die zwerge in l2 halt wirklich wie zwerge ausgesehen haben, klein dick, und einen riesen langen bart und ne dicke rote nase.
wir fingen also an mit ihnen zeit zu verbringen und lernten diese 3 griechen immer besser kennen fanden heraus nach etlichen monaten , das kologros und steris brüder waren und papoukas ein nachbars junge der beiden war….nach ein paar weiteren wochen fanden wir dann heraus das steris krank war.. er hatte leukämie…wir waren uns nicht sicher was wir tun sollten, und wie iwr uns verhalten sollten.. aber wir waren uns einig das wir ihn in griechenland in seinem krankenhaus besuchen wollten.wir sind also nach darmstadt freitags ( meine schwester wohnte zu der zeit in grube messel ) dann samstags morgens zum flughafen in frankfurt.und ab nach griechenland.als wir in athen gelandet sind haben wir kologeros angerufen der uns dann abholen kam und in unserhotel brachte. von dort sind wir dann zu steris ins KH.es war komisch denn es war absolut nicht wie in deutschland.der geruch war anders. ihr kennt den krankenhaus geruch ? diese ungehagen in der nase durch das ganze sterile zeugs ?.. den gab es dort nicht ….steris war auch nciht alleine im zimmer.. er war in einem “sammel zimmer” mit 6 weiteren anderen personen.ich kannte es von deutschland bisher nur das imemr 2 oder auch mal 3 auf nem zimmer waren, aber 6 ? das war schon komisch .in der mitte stand ein großer tisch daran stühle, es gab eine couch einen riesen TV eine “küche” wenn man das so sagen kann, so sie mikrowelle kaffee maschiene usw hatten ….wir waren dort ca 4 std dann mußten wir gehen. aber wir hatten sehr viel spaß dort mit steris kolo und papou …auch steris eltern waren da, und wir waren froh das steris mutter deutsch konnte , ohne sie wären wir hilflos verloren gewesen.wir spielten weiterhin auf noobwars und in der selben gilde wie kolo steris und papou …nach dem sommer viel uns auf das steris imemr seltener eingelogt ist….und eines tages garnicht mehr….kologeros sein bruder auch nicht …und papou nur noch nachts…wir fragten was los ist .. aber uns war klar was los ist ….steris starb .. im alter von 23 jahren an leukämie…am 16august 2004.wir flogen nochmal nach griechenland zur beerdigung.seid dem.. treffen wir kolo und papou alle 2 oder 3 jahre einmal in deutschland. kologeros lebt mittlerweile hier und papoukas studierte zu der zeit an der uni in darmstadt …beide, haben damals den server gekauft auf dem steris seine chars sitzen.sie haben ihn privat weiterlaufen lassen für uns 5.und jeses jahr zum todestag von steris loggen wir ein, sitzen in giran bei seinen chars und reden im chat. erzählen uns was so passiert ist, was wir so machen und gemacht haben.natürlich mittlerweile über TS . und wir trinken auch keine ingame “bier ” mehr sondern echtes bier 🙂 aber noch heute halten wir kontakt. telefonieren hin und wieder treffen uns, loggen auf dem server ein der bei kologeros im keller steht.
noch heute fast 20 jahr später sind wie freunde unsere familien kennen sich . besuchen sich gegenseitig, 5 freunde die eigentlich mal zu sechst waren …..wir sind noch immer zu sechst.
bisher ist das meine schönste erfahrung die ich gemacht habe in sachen gaming.
Danke für deine Geschichte alf und mein herzliches Beileid für deinen Verlust. Ich denke auch, dass solche Geschichten erzählt werden müssen, weil sie uns verbinden.
Dürften wir deine Geschichte als Community-Story bei uns veröffentlichen? Wir würden sie lassen wie sie ist, nur sprachlich etwas glattziehen (also sowas wie Groß- und Kleinschreibung mit reinbringen).
dürft ihr, auch das glatt ziehen ist ok, bin dafür einfach zu faul 😛 alles klein zu schreiben ist einfacher 😛
Ich hatte mir auch mal ne englische Version von Pokémon geholt und dachte nur so: ” Ach ja kein Problem, Englisch passt ja.” Bis mir aufgefallen ist, dass die ganzen Pokémon ja andere Namen haben. Die Kämpfe wurden manchmal ziemlich spannend deswegen.^^
tjaaa… hättest du ihm mal deine Nummer gegeben! 😋
Sehr schöne Geschichte und der arme Junge. Der wird sich wahrscheinlich in Deutschland nie wohlfühlen, vor allem weil sie von Australien kommen. In Ländern wie Australien, Neuseeland und USA sind die Menschen freundlicher und das Land an sich bietet mehr Abwechslung als in grauen Deutschland. Arbeite in einem Krankenhaus und durch Personalmangel holte die DRK, Personal aus Spanien, Italien, Türkei und Asien als Fachkräfte und nach 3 Jahren sind 90 % wieder zurückgegangen oder weiter ausgewandert Richtung Kanada, Norwegen, Schweden…. Auf die Frage, warum sie uns wieder verlassen haben, kam die Antwort, das Land wäre unfreundlich und Kontakte aufbauen unmöglich.
Ob sie bei ihren neuen Zielen zugänglicher Communities antreffen werden, bleibt fraglich, gibt es doch Studien darüber, dass, je weiter nördlich ein Land liegt, desto “verschlossener” dessen Einwohner wirken und vice versa.
USA Zweifel ich schon an das die Menschen dort freundlicher sind.
Freundlichkeit und Kontakt-Aufbau ist keine Einbahnstraße. In dieser Thematik muss man alles in Betracht ziehen. Das eigene Verhalten und das von den Menschen um sich herum und wenn man nichts dafür machen will braucht man sich nicht darüber zu Wundern.
Von Nichts kommt Nichts. Natürlich leben hier im Land viele Egoisten, die hat man aber überall, und wenn man sich das Bild der Bevölkerung über Medien reinzieht verzerrt es stark die Realität.
Die Menschen die ich alle in den USA kennengelernt habe sind komplett freundlich und weltoffen gewesen. Was eine geile Mentalität. Was in Houston, Texas.
Natürlich wird er sich an die neue Kultur gewöhnen und Freunde finden. Kinder in diesem Alter wachsen idR eher in die landestypische Kultur ein, als Jugendliche oder Erwachsene.
Eine sehr schöne Geschichte und vielen Dank, dass du das mit uns (den Lesern) hier teilst. Immerhin ist das dein Start in den Urlaub gewesen.
Spielen war schon immer etwas, das Menschen verbinden konnte und gleichzeitig, manchmal auch fast unbemerkt und nebenbei neue Dinge beibringen und vermitteln kann.
Darum bin ich auch nach wie vor der Meinung, es gibt zu wenige tolle Koop-Spiele, auch wenn die letzten Jahre echt gute Spiele in der Hinsicht hervor gebracht haben. Ich kann nur hoffen, dieser Trend bleibt bestehen und nimmt eher an Fahrt auf.
Wäre doch schön, wenn Spielen (sei es nun Digital, mit Brettspielen oder Stift und Papier) eine Gegenbewegung zur immer weiter zersplitterten Gesellschaft wäre…
Danke. Der Start in den Urlaub ist aber schon gut vier Jahre her. Geschichten aus der Vergangenheit in der Gegenwartsform zu schreiben ist ein kleiner Trick, damit die Geschichte lebendiger wirkt 😉
Hehe, das hättest du ja nicht verraten müssen x)
Schöne und traurige Geschichte. All seine Freunde zurück zu lassen und in ein Land ziehen wo man die Sprache nicht kann.
Bin da auch immer zwiegespalten. Vorallem, wenn die Eltern dann so tun, als ob es “für alle” das Beste sei, aber die Kinder darunter total leiden. Und in Wahrheit die Eltern sich oft einfach nur ihren persönlichen Traum erfüllen wollen.
Das ist mir auch bei Goodbye Deutschland etc. schon öfters aufgefallen, selbst wenn ich das nur ganz selten mal geschaut habe. Muss die Hölle sein für manche Kinder.