Chef-Entwickler über das wichtigste Update von ESO: Sie waren sich sicher, „dass wir so das Spiel töten werden.“

Chef-Entwickler über das wichtigste Update von ESO: Sie waren sich sicher, „dass wir so das Spiel töten werden.“

Zum 10. Jubiläum von The Elder Scrolls Online und zum Konsolen-Launch von Gold Road hatte MeinMMO-Redakteur Karsten Scholz die Möglichkeit, mit Creative Director Rich Lambert über die vergangene Dekade, Kritik am neuen Kapitel und den heißesten MMORPG-Sommer seit vielen Jahren zu sprechen.

Seit April laufen die Feierlichkeiten zum 10. Jubiläum von The Elder Scrolls Online. Laufen soll die Party bis in den Juni 2025. Dann ist es zehn Jahre her, dass die Konsolen-Version des MMORPGs erschienen ist. Apropos Konsolen: Seit dem 3. Juni 2024 könnt ihr das neue Kapitel Gold Road auf dem PC erleben, am 18. Juni folgte die Version für Xbox und PlayStation.

Aus der Sicht von MeinMMO sind das genug gute Gründe, um erneut einige Fragen an das Team von ESO zu stellen – im Zuge der MMORPG-Themenwoche hatten wir ja erst mit Loremaster Michael Zenke und Narrative Director Bill Slavicsek über Story und Lore des Tamriel-Abenteuers gesprochen.

Dieses Mal hat sich Rich Lambert die Zeit genommen, um meine Fragen zu beantworten. Rich ist seit Juni 2014 Creative Director bei Zenimax und hat die vollen sieben Jahre Entwicklungszeit von Elder Scrolls Online als Lead Content Designer begleitet. Er ist es zudem meist derjenige, der die neuen Kapitel der Presse und Öffentlichkeit vorstellt.

Wer schreibt hier? Karsten Scholz ist der MMORPG-Experte von MeinMMO. Er befasst sich seit 15 Jahren fast täglich mit dem besten Genre der Welt. Den privaten Erstkontakt gab’s 2005. Seitdem hat er in verschiedenen Online-Rollenspielen mehrere Jahre Spielzeit angehäuft und fast jeden relevanten Genre-Vertreter der vergangenen knapp zwei Dekaden zumindest eine Weile gespielt.

The Elder Scrolls Online verfolgt er dabei bereits seit der Beta. Er war beim Launch dabei und kennt jeden DLC sowie jedes Kapitel. Mit seiner Khajiit-Nachtklinge durfte er an der Seite der Entwickler schon mehrfach die Verliese unsicher machen.

Pay2Win-Vorwürfe und die vermeintlich kleine Zone

Rund um den Launch von Gold Road kam einiges an Kritik aus der Community. Die neue Region der Westauen sei deutlich kleiner als die Gebiete vorheriger Kapitel, hieß es zum Beispiel, nachdem der öffentlichen Testserver live gegangen war. Belegt wurde das unter anderem mit Screenshots der Westauen-Karte, auf der mehrere Wegschreine in Sichtreichweite zu sehen waren.

Es ist ohne Tools jedoch unmöglich, die spielbare Fläche verschiedener Kapitel miteinander zu vergleichen. Im Zentrum von Vvardenfell prangt beispielsweise der riesige Vulkan. Andere Kapitel brachten neben der Oberweltkarte auch weitläufige unterirdische Areale. Ich wollte es daher von Rich genau wissen: Wie schlagen sich die Westauen im direkten Vergleich. Seine Antwort:

Wir haben die Kritik natürlich gesehen und das Feedback aufgenommen. Die Engine unserer Spielwelt besteht aus vielen Zellen und wenn man sich die Zahl der Zellen anschaut, aus denen die Westauen gebaut sind, dann fällt die Größe der Region tatsächlich ähnlich aus wie in den vorherigen Kapiteln.

Dieses eine Areal im Nordosten, in dem fünf Wegschreine in Sichtreichweite liegen, finde ich aber auch ziemlich schräg.

Rich Lambert im Interview mit MeinMMO

Ebenfalls kritisiert wurde das heiß erwartete Feature der Schriftlehre. Die Quests sind langweilig, die langen Laufwege bremsen das Gold-Road-Abenteuer aus und es geht regelmäßig zurück in alte Zonen, so die Vorwürfe. Die Kritik ist bei den Entwicklern angekommen, doch gab es auch Lob:

Wir wollten hier mal etwas ausprobieren, das wir vorher noch nicht gemacht hatten. Was interessant ist: Für jede Person, die uns erzählt, dass sie die Aufgaben der Schriftlehre nicht mag, aus den Gründen, die du genannt hast, gibt es jemand anderen, der sich darüber freut, in alte Gebiete zurückzukehren, die man ewig nicht besucht hat. […]

Wir schauen uns die genannten Kritikpunkte aber genau an und haben auch einige Baustellen rund um die Schriftlehre identifiziert, die man verbessern kann – etwa, was die Freischaltung der Rezepte mit Nebencharakteren angeht. […] Es fühlt sich einfach nicht so gut an, wie wir gehofft haben, sich die Schriftlehre-Schemata ein zweites und drittes Mal zu erspielen.

Rich Lambert im Interview mit MeinMMO

Die Diskussionen rund um den Launch von Gold Road wurden schließlich noch durch Pay2Win-Vorwürfe begleitet, weil man das Kapitel Gold Road kaufen muss, um Zugang zu den Fertigkeiten der Schriftlehre zu erhalten. Ich wollte von Rich wissen, wie er das bewertet und ob es vergleichbare Vorwürfe auch schon gab, als neue Klassen durch Kapitel ins Spiel gekommen sind.

Jedes Mal. Sobald wir mit einem Kapitel eine neue Klasse veröffentlichen, gibt es einige Leute, die sich darüber beschweren, dass das Pay2Win sei. Wir sehen das aber nicht so, weil die Fertigkeiten, die mit neuen Klassen oder jetzt mit der Schriftlehre kommen, nicht wirklich spürbar mächtiger ausfallen, als die Fertigkeiten, auf die man alternativ Zugriff hat.

Sie sind halt neu und dadurch interessant, und einige Fertigkeiten bringen coole Effekte mit. Gerade unser PvP ist aber so Skill-basiert, dass ein eher unerfahrener Spieler mit dem bestmöglichen Setup an Ausrüstung und Fertigkeiten niemals gegen einen Hardcore-PvP-Veteranen gewinnen wird. […] Unsere Aufgabe ist es aber natürlich, dafür zu sorgen, dass wir keine neuen Fertigkeiten ins Spiel bringen, die übertrieben stark ausfallen.

Rich Lambert im Interview mit MeinMMO

Gold Road wurde aber nicht nur kritisch in der Community aufgenommen. Viel Lob gab es zum Beispiel für das visuelle Design der Zonen und die Art und Weise, wie die aus Oblivion bekannten Orte wie Skingrad in Elder Scrolls Online integriert wurden.

Richtig gut kam bei vielen Lore-Fans aber auch die Einführung der neuen Daedrafürstin Ithelia an. Die charismatische Prinzessin gehört auch für Rich zu den Highlights des Kapitels. Genau wie die bereits erwähnte Schriftlehre:

Das System an sich ist bereits fantastisch, mit den mehr als 4.000 Kombinationsmöglichkeiten. Die Schriftlehre wird jedoch von einer Geschichte begleitet, die ich einfach für unfassbar gut halte. Das gehört ganz klar zum besten Storytelling, das wir bisher gemacht haben.

Rich Lambert im Interview mit MeinMMO

„Die eine Hälfte war sich sicher, dass wir so das Spiel töten werden.“

Rich und ich sprachen aber nicht nur über das neue Kapitel, sondern auch über den Weg, den das Spiel in den vergangenen zehn Jahren zurückgelegt hat. Nachdem ich mit Michael Zenke und Bill Slavicsek bereits über die Vollvertonung aller Dialoge gesprochen hatte, wollte ich wissen, welche weitere Design-Entscheidung das Elder Scrolls Online von heute besonders positiv geprägt hat.

Zu einer der wichtigsten Entscheidungen kam es erst nach dem Launch, und zwar, als Matt Firor und ich uns zusammensetzten, um zu überlegen, was wir unternehmen können, um aus Elder Scrolls Online etwas anderes zu machen. […]

Wir standen zu dieser Zeit zwischen den Stühlen, weil das Spiel nicht genug Elder Scrolls, aber auch nicht genug MMO war, und wir mussten uns einfach Gedanken darüber machen, was genau wir sein wollen. Ich verbrachte über Weihnachten also mehrere Tage in Matts Haus, um gemeinsam herauszufinden, was One Tamriel sein könnte.

Als wir das festgezurrt hatten, ging es zurück zum Team, wo wir unseren Pitch präsentierten. Und das Team schaute uns ungläubig an: „Ihr wollt was machen?!“ Die eine Hälfte war sich sicher, dass wir so das Spiel töten werden. Die andere Hälfte war begeistert von unserer Idee. Und wir machten es, und das veränderte alles zum Besseren.

Rich Lambert im Interview mit MeinMMO

Das Update One Tamriel erschien im Oktober 2016 und brachte die flexible Level-Skalierung in die Spielwelt von Elder Scrolls Online. Außerdem wurde das Endgame des MMORPGs umgebaut. Beides schuf in Kombination das Fundament, auf dem ESO seit mittlerweile fast acht Jahren steht.

Eine Live-Action-Serie für Elder Scrolls wie Fallout?

Ihr habt sicherlich mitbekommen, wie unfassbar positiv sich der Start der Fallout-Serie von Amazon Prime auf die Spielerzahlen in den verschiedenen Fallout-Games ausgewirkt hat. Von Rich Lambert möchte ich wissen, wie solch eine Adaption für Elder Scrolls aus seiner Sicht aussehen müsste, damit sie lohnenswert und bedeutsam wird.

Ähnlich wie Blizzard bei Warcraft hört auch das Team von Zenimax seit Jahren immer wieder und wieder den Wunsch nach einem Live-Action- oder CGI-Film, nur eben für das Elder-Scrolls-Universum. Rich hätte richtig Bock auf solch eine Adaption, weil die Lore von Tamriel so viel zu bieten hat, doch liegt diese Entscheidung nicht in seiner Hand.

Durch die Fallout-Serie von Amazon Prime feierte Fallout 76 Spielerrekorde – hier der Trailer:

Dazu kommt, dass jede Minute CGI-Film, in der Qualität der Cinematic-Trailer von Elder Scrolls Online oder World of Warcraft, extrem teuer ist: „Viele Leute können sich schlicht nicht vorstellen, wie teuer es ist, so etwas in CGI umzusetzen“, erklärt der Entwickler.

Der heißeste MMORPG-Sommer seit Jahren

Im Interview sind wir schließlich auch die verschiedenen MMORPG-Releases durchgegangen, die aktuell und in den kommenden Wochen anstehen. Tarisland ist bereits draußen. Final Fantasy XIV: Dawntrail und WoW: The War Within stehen bereits in den Startlöchern. Throne and Liberty kommt. New World landet auf den Konsolen.

Von Rich möchte ich wissen, ob derzeit Erleichterung vorherrscht, dass man mit dem frühzeitigen Launch von Gold Road diesem Launch-Reigen entgehen konnte oder ob er sich – ganz im Gegenteil – privat auf eines der Projekte sehr freut.

Ich finde die alle spannend, und nicht nur die kommenden MMORPGs. Ich freue mich auch riesig auf den DLC von Elden Ring. Es gibt einfach so viele Spiele, die bald erscheinen. Aktuell spiele ich Hades 2 hoch und runter, ich hab’ schon den ersten Teil geliebt. […]

Wenn es die Zeit zulässt, möchte ich aber auch in die ganzen neuen MMORPGs reinschauen. Das ist zum einen natürlich Teil des Jobs, zum anderen bin ich aber auch seit jeher Fan des Genres.

Rich Lambert im Interview mit MeinMMO

Die Zeit unter Microsoft

Normalerweise mag es die PR nicht, wenn man in einem Interview zu einem spezifischen Spiel zu sehr vom eigentlichen Thema abweicht, doch nutze ich die Chance, um mit Rich kurz über Microsoft und die bisherige Zeit bei Team Xbox zu sprechen.

Lange Zeit hieß es, dass die Microsoft-Leitung den übernommenen Studios viele Freiheiten gewährt, damit diese in Ruhe an ihren Projekten arbeiten können. Seit der Übernahme von Activision Blizzard gab es jedoch wiederholt Meldungen über Entlassungen, Projekt-Beendigungen und Studio-Schließungen. Immer wieder waren auch Zenimax und Bethesda betroffen.

Von Rich möchte ich wissen, wie er die Zeit seit der Übernahme im März 2021 bewertet und ob sich seitdem etwas an der internen Arbeitsweise verändert hat.

Wir befinden uns in der guten Situation, dass wir profitabel und erfolgreich sind, und dass die Xbox-Führung verstanden hat, was wir machen und warum wir es machen. Sie lassen uns daher die meiste Zeit in Ruhe arbeiten, was großartig ist.

Für uns Entwickler hat sich beim täglichen Geschäft tatsächlich gar nichts verändert. Die Veränderungen, die es gab, betrafen eher die Führungsebenen, also Matt Firor und die anderen. Das Team und ich tun einfach weiter, was wir die ganze Zeit schon machen, und solange wir damit erfolgreich sind, können sie uns damit allein lassen.

Rich Lambert im Interview mit MeinMMO

„Ich habe meine Frau in EverQuest kennengelernt.“

Online-Rollenspiele haben seit jeher das Potenzial, eine enorm wichtige Rolle in den Leben von Menschen zu spielen und diese auf eine spürbar positive Art und Weise zu prägen und zu beeinflussen. Das hat vor kurzer Zeit erst die Geschichte einer schwer kranken Frau gezeigt, die mit der Community teilte, was ESO für sie bedeutet.

Von Rich möchte ich wissen, was in ihm vorgeht, wenn er von solchen Geschichten erfährt und ob es vielleicht eine Community-Story gibt, die ihn besonders berührt hat. Der Creative Director erklärt, dass es im Laufe der Jahre derart viele schöne Anekdoten gab, dass er keine hervorheben mag. Aber in vielen geht es darum, dass sich Freunde oder Partner fürs Leben gefunden haben.

Er selbst kann das sehr gut nachvollziehen, da Rich seine Frau in EverQuest kennengelernt hat. Mittlerweile sind sie seit 22 Jahren verheiratet. Es fühlt sich für den Entwickler daher so an, als könne er mit ESO jetzt etwas zurückgeben und den Kreis schließen.

Erste Details zum Update für das dritte Quartal 2024, das unter anderem neue Housing-Inhalte bringen soll, wird es laut Rich Lambert „sehr bald“ geben. In den kommenden Wochen soll zudem der öffentliche Testserver mit den Neuerungen live gehen.

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N0ma

“Gerade unser PvP ist aber so Skill-basiert”
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