Die neue Serie „Gen V“ auf Amazon Prime ist mit den ersten 4 von 8 Folgen gestartet. Unser Autor Schuhmann schaut auf die Serie im Universum von „The Boys” und sieht Superhelden auf einem Selbstzerstörungs-Trip und den Sohn von Arnold Schwarzenegger:
Darum geht es in der Serie: Die Serie „Gen V“ behandelt die Frage: „Was wäre, wenn Superhelden real wären?“ – aber nicht in einer Schwarz/Weiß-Welt, in der Lois Lane züchtig Supermann auf die Wange küsst, sondern in einer durch und durch zynisch-kapitalistischen Welt voller gescheiterter Existenzen, Drogen, Sex und Social-Media-Wahn.
Gen V dreht sich um eine fiktive Universität, an der junge Studenten aufeinandertreffen, die von ihren Eltern als Teenager mit einer speziellen Substanz behandelt wurden, die ihnen Superkräfte verleihen sollte.
Da zeigt sich schon das Dilemma: Welche liebenden Eltern machen ihr Kind zu einem Versuchskaninchen?
- Wollen sie wirklich ihrem Kind ein besseres Leben ermöglichen?
- Steht der Wunsch im Vordergrund, dass der eigene Sprössling was „ganz Besonderes“ wird?
- Oder soll das Töchterchen die Karriere machen, die Mama versagt blieb – und auf dem Weg zu einer Weltkarriere der liebenden Mutti vielleicht noch ein paar Millionen $ verdienen?
Doch nicht jeder „Supe“ wird ein cooler und absolut tadelloser Superheld wie Homelander, die meisten verdienen sich ihr Geld irgendwie als Sänger, Schauspieler oder zumindest als Social-Media-Sternchen. Um für so eine Karriere gerüstet zu sein, besuchen junge Supes die Godolkin Universtiy, die natürlich von der wohlmeinenden Firmen Vought betrieben wird.
Schon „The Boys“ fiel durch eine harte Kapitalismus-Kritik auf. Beinah jede Figur, die für die alles beherrschende Firmen Vought arbeitet, ist bis ins Mark korrupt und zynisch. Mindestens die Hälfte hat einen schrägen Sex-Fetisch oder war schon mal von Kopf bis Fuß mit Blut einer explodierenden Leiche bespritzt: bedauerliche Kollateralschäden.
Helden werden auf ihre Image, ihr Vermarktbarkeit und darauf reduziert, welche Zielgruppen sie ansprechen.
Das geht bei „Gen V“ so weiter, wobei die Serie gezielt auf Themen wie politischer Korrektheit eingeht und selbstzerstörerische Tendenzen von jungen Erwachsenen im College-Alter in den Vordergrund stellt. Dazu kommt ein knallhartes „Ranking“, welches das Leben an der Uni dominiert.
Der Goldjunge, der in Flammen aufgeht, und die Blutkinetikerin von nebenan
Auf was für Figuren trifft man in „Gen V“? Wir treffen auf Studenten wie die Waise Marie Moreau, die ihr eigenes Blut formen kann, oder den Telekineten Andre Anderson, dessen Vater schon ein berühmter Superheld war: Beide wollen mal in den „Seven“ dienen. Die natürliche Vorstufe dazu ist es, in einem offiziellen, ständig einsehbaren Uni-Ranking der Studenten auf Platz 1 zu stehen.
Dahin wird es Little Cricket wohl nie schaffen: Ihre Superkraft ist vermeintlich, dass sie wie Ant-Man auf eine winzige Größe schrumpfen kann. Zur Unterhaltung der Massen duelliert sie sich mit einem Nagetier auf YouTube.
Auf Nummer 2 in der Liste steht Jordan Li, der die Macht besitzt, in seiner männlichen Form jeden Schlag zu absorbieren, und die aufgeladene Kraft dann in seiner weiblichen Form als kinetische Energie weiterzugeben. Aber ein Superheld mit Pronomen-Problem und Gender-Wechsel macht nicht nur dem asiatischen Papa Probleme, der nicht versteht, warum sein Erstgeborener nicht einfach nur sein Sohn sein will, sondern ist auch für die furchtbare Vought-Chefin Ashley ein Problem. Wie soll man denn einen Gender-Switch-Helden nur für die Zielgruppe in den ländlichen Teilen der USA aufbereiten?
An der Spitze der Liste steht „Golden Boy“ (gespielt von Patrick Schwarzenegger): Ein Wunderkind, den jeder liebt, und der seine Kleidung verbrennt, wenn er zum lodernden Supermenschen wird. Denn sehr zur Freude seiner Mitstudentinnen kämpft er dann nackt.
Das Ranking dreht sich offiziell um Dinge wie Leistung, Social-Media-Auftritt und ähnliches: In der Praxis geht’s aber darum, wen Professor Brink (Clancy Brown) mag: die große Vaterfigur der Uni, der als absoluter Experten im Bereich Superhelden gilt.
Überspitzte, aber glaubhafte Konflikte
Das ist das Besondere der Serie: Nach den ersten 4 Folgen kann man sagen, dass die düstere Seite von Superkräften und die selbstzerstörerische Tendenzen von jungen Erwachsenen stark im Zentrum der Serie stehen.
Jede Figur hat einen glaubhaften inneren Konflikt, in vielen Fällen dreht sich der Konflikt um die Eltern oder Kompromisse, die jeder mit der Gesellschaft aushandeln muss. Das ist überspitzt, hat aber immer eine Basis in der Realität, ist emotional wirkungsvoll.
Wie schon in The Boys spielt Gen V damit, dass auch gute und nette Menschen mal Fehler machen, aber wenn Menschen mit Superkräften einen Fehler begehen oder die Kontrolle verlieren, dann geht halt jemand drauf – und das führt zu einer Spirale an furchtbaren Entscheidungen und Konsequenzen.
Der Zuschauer weiß oft mehr über die Welt als die Figuren
Für wen lohnt sich das? „Gen V“ richtet sich klar an Leute, die „The Boys“ gesehen haben und davon gerne mehr möchten: Immer wieder wird auf die Serie angespielt und verwiesen. „Gen V“ spielt nach der 3. Staffel von The Boys, die bei uns 2022 lief, und soll als Brücke zu Staffel 4 funktionieren.
Die Serie dreht sich um junge Menschen, die in einer Welt voll mit „Black Noir Brotdosen“ aufgewachsen sind, und für die Queen Maeve und Homelander echte Vorbilder und Leitfiguren sind, während der Zuschauer aus „The Boys“ längst weiß, dass die tadellosen Bilder nur Fassade sind und sich hinter Homelander ein irrer Psychopath verbirgt. Der Zuschauer kennt auch die inneren Dämonen, mit denen Queen Maeve zu kämpfen hat.
Es ist eine zynische, harte Welt, die immer wieder für skurrile Situationen sorgt. In den besten Szenen bleibt einem das Lachen im Hals stecken.
Wie kann man das sehen? „Gen V“ läuft in Deutschland auf Amazon Prime, dem bezahlpflichtigen Streaming-Dienst von Amazon: Die ersten 5 Folgen sind mittlerweile draußen, die letzten 3 sollen in den nächsten Wochen erscheinen, immer an einem Freitag. Ob mal eine zweite Staffel kommt, ist aktuell nicht bekannt, dürfte aber recht wahrscheinlich sein.
Mehr zu Superhelden:
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.
Gibt es den Begriff Supersarkasmus?^^
Diese sogenannte “Kapitalismus-Kritik” zieht sich doch durch alle Superelden Filme. Es ist aber keine, weil es immer nur um irgendeine “böse” Firma geht die von irgendeinem “Bösen” geleitet wird. Nach dem Motto nicht das System ist das Problem nur dieser Eine.
Die Kritik richtet sich hier nicht allein gegen die Firma, sondern gegen die ganzen Kultur: Wie Dinge vermarktet werden, wie sich öffentliche Wahrnehmung von der Realität unterscheidet, wie Personen in dem System korrumpiert werden, nach welchen Parametern überhaupt entschieden wird.
Klar, ist die Firma schlimm – aber in den meisten Filmen ist es ja so, dass eine böse Firma die Welt erobern will. Bei “The Boys” hat die Firma die Welt schon lange erobert und hat sie bereits seit Jahrzehnten korrumpiert und schlechter gemacht. Die Firma hat ihre Regeln dem Rest der Welt übergestülpt, sodass auch die Politik und die Medien nach ihren Regeln spielen.
Auch die Eltern sind ja schon schuldig, weil sie ihren Kindern das Zeug geben – und wie das funktioniert, dass alles auf Likes bei Social-Media, Zielgruppen-Befragungen und Rankings und Top-Listen reduziert wird, ist schon gut gemacht.
Das geht schon weiter, als “Lex Luthor” ist der Böse und die Welt um ihn herum ist gut. Die Welt ist hier schon schlecht, weil sie seit Jahrzehnten manipuliert wird, indem man ihnen vorgaukelt, dass es Helden sind – aber es sind im Wesentlichen egomanische Ärsche.