Viele große AAA-Titel verlieren immer mehr an Reiz, weil sie sich nicht mehr genug trauen – findet zumindest MeinMMO-Autor Benedict Grothaus. Zwei „kleine“ Indie-Spiele auf Steam zeigen, dass sich die großen Studios einfach mal wieder mehr trauen müssten: Valheim und Splitgate.
Ich liebe Indie-Games. Nicht alle, aber grundsätzlich reizt mich der Titel eines kleinen Studios, das einfach seine Vision verwirklichen will, deutlich mehr als das Millionen-Dollar-Projekt eines „Big Players“ wie EA, Ubisoft oder Actvision Blizzard.
Der Grund ist ganz einfach: Indie-Studios vermitteln mir ganz klar die Nachricht, dass sie das Spiel für mich machen – für den Nerd, der genau auf ihren Kram steht. Ganz ohne Kompromisse. Soll die breite Masse das Spiel doch verabscheuen, solange der Kern der Spieler treu bleibt.
Zwei neue Games von unabhängigen Studios zeigen genau das.
Was sind das für Spiele? Das Survival-Spiel Valheim und der Shooter Splitgate hatten einen enormen Erfolg auf Steam und sind immer noch beliebt:
- Valheim erschien am 2. Februar im Early Access, überholte nach kurzer Zeit ARK und hatte nach einer Woche schon über eine Million Spieler. Sogar heute spielen im Schnitt noch über 16.000 Leute das Survival-MMO mit den Wikingern(via steamcharts.com).
- Splitgate ist schon seit 2019 in der Beta, brachte es auf Steam aber erst im Juli 2021 zu Bekanntheit. Das Spiel bekam schneller Spieler als Server-Kapazität und im Moment spielen allein auf Steam im Schnitt über 23.500 Leute (via steamcharts.com).
Beide Spiele konnten zu ihren Hochzeiten sogar riesige Dauerbrenner auf Steam wie Rainbow Six Siege, Apex Legends oder GTA V übertrumpfen.
„Wir machen das für ein ganz spezielles Publikum“
Was macht die Spiele so gut? Sowohl Valheim als auch Splitgate haben jeweils ein eigenes und ganz besonderes Spielprinzip. Etwas, das gar nicht darauf ausgelegt ist, von vielen Spielern gezockt zu werden.
Valheim ist ein herausforderndes Survival-Spiel mit einem Souls-artigen Kampfsystem und einer festen Story. Ihr folgt hier einem mehr oder weniger linearen Fortschritt und kämpft euch durch Gegner und Bosse, während ihr zugleich neue Bauteile, Rüstungen und Nahrung herstellt.
Splitgate orientiert sich an alten, schnellen Shootern wie Quake oder Unreal Tournament und würzt das Gameplay mit Portalen wie aus Portal. Ihr fliegt regelrecht über die Maps und öffnet einen Riss im Raum, um einfach wo anders aufzutauchen und Gegner so völlig zu überrumpeln.
Auf beide Spielprinzipien muss man sich erst einlassen und das auch wollen. Sie sind ungewöhnlich und vielleicht etwas unbequem – ich komme mit Splitgate etwa gar nicht klar, aber die Spielerzahlen sprechen für sich.
Warum können sie sich das leisten? In einem „Fireside Chat“ von Valheim sprachen Richard Svensson, Erschaffer und Lead Designer, sowie Robin Eyre, Generalist Artist, über das neue Update Hearth & Home. Dabei erklärten sie auch, was Valheim eigentlich für sie ist.
Sie wollen nicht das beste Spiel für alle machen, sondern die bestmögliche Version von Valheim erschaffen – von dem Spiel, das sie sich vorstellen. Dazu polieren sie immer weiter an vorhandenen Elementen, bis sie damit zufrieden sind.
Ziel ist es dabei überhaupt nicht, möglichst viele Leute anzusprechen. „Wir sind nicht hier, um ein generisches ‘Jeder liebt dieses Spiel’-Ding zu machen“, erklärt Eyre. „Wir haben dieses Spiel niemals für jedermann gemacht, sondern für ein sehr kleines, spezielles Publikum.“
AAA-Titel verlieren ihre Identität und folgen zu oft Formeln
Das Problem der großen Spiele: Je erfolgreicher ein Spiel ist, desto mehr Erfolg wird erwartet. Das war schon immer so und wird auch so bleiben. Indie-Spiele sind von diesem Zwang ausgenommen, aber AAA-Titel müssen gewisse Standards erfüllen.
Das führt dazu, dass oft auf bekannte Muster zurückgegriffen und diese nur leicht verändern, um weiteren Erfolg zu garantieren. Hier und da gibt es kleinere Neuerungen, aber große Innovationen fehlen in Reihen wie Call of Duty oder Assassin’s Creed schon seit einer Weile. Stichwort: Ubisoft-Formel.
Es fühlt sich ein wenig so an, als würde die Liebe zu ihrem Spiel bei den großen Studios verloren gehen. Als würden viele Entscheidungen nur noch getroffen, um den Gewinn zu maximieren, nicht um die eigene Vision des Spiels Wirklichkeit werden zu lassen.
Dabei müsste diese Vision nicht einmal gut bei Spielern ankommen. Valheim und Splitgate zeigen: Wenn das Studio hinter dem Projekt steht, wird das Spiel schon angenommen. Egal, wie abgefahren es ist. Solange man nur merkt, dass da Herzblut drin steckt – zumindest, so lange die Qualität nicht absolut fernab von Gut und Böse liegt.
Sind deswegen alle AAA-Titel schlecht? Absolut nicht. Trotz aller Kritik spiele ich immer noch gerne ab und an mal Call of Duty, Rainbow Six, World of Warcraft und mehr. Die Spiele wären schließlich nicht so riesig, wenn sie grottenschlecht wären.
Der Punkt ist lediglich, dass sich die Entwicklung vieler dieser Titel immer weiter in eine Richtung verschiebt, mit der möglichst viele Leute angesprochen werden sollen. So etwas verwässert die Substanz dessen, was die Spiele einst ausgemacht hat.
WoW ist das beste Beispiel. Vom ehemaligen Nerd-Juwel für Geeks mit absolut keinem Leben hin zum Lifestyle-Projekt für Casuals mit wenig Zeit. Für ein Wachstum klingt es logisch, mehr Leute ansprechen zu wollen. Es ist aber auch verständlich, wenn diejenigen, die „das Spiel groß gemacht haben“, sich vernachlässigt fühlen.
AAA-Titel können den Indie-Flair nicht so leicht kopieren
Die Crux an der ganzen Sache ist, dass große Studios es nicht einfach mal so machen können wie Valheim und Splitgate. Sie haben Sponsoren und Publisher, die sie zufriedenstellen müssen und eine riesige Masse an Spielern, die möglichst schnell möglichst viel Nachschub haben will.
Irgendein Aspekt muss dann hintenan gestellt werden und meist ist das eben die kreative Freiheit. Warum sollte man auch viel Neues ausprobieren, wenn altbewährtes ja funktioniert?
Blizzard, Ubisoft, EA und Co. könnten also nicht einfach den Indie-Ansatz kopieren. Dazu steht dort wirklich zu viel auf dem Spiel. Trotzdem würde ich mir zumindest im kleinen Maße wünschen, dass wieder mehr Mut zu Neuem aufkommt.
Valheim und Splitgate machen einfach weiter
Währenddessen kümmern sich die beiden Außenseiter einfach darum, ihre Spiele so aufzupolieren, dass sie selbst damit zufrieden sind. Splitgate musste seinen Release verschieben, hat aber nun 100 Millionen Dollar bekommen – damit sei nun absolut alles möglich.
Valheim dagegen veröffentlicht am 16. September sein erstes großes Update, Hearth & Home. Darin gibt es relativ wenige neue Features, vor allem neue Nahrungsmittel, Rezepte und Bauteile sowie einige wenige Waffen oder Schilde.
Die Entwickler haben jedoch schon gewarnt, dass die Updates vor allem zum Polieren der aktuellen Version von Valheim da sind. Neue Inhalte kommen dann, wenn alles andere gut genug aussieht. Trotz des enormen Erfolgs haben sie es nicht unbedingt eilig, alles zu erzwingen – auch wenn sie nicht absichtlich trödeln, wie sie sagen. Es dauert eben, so lange es dauert.
Dass ein solcher Ansatz zumindest in gewissem Maße auch bei großen Spielen funktioniert, zeigt etwa Rainbow Six Siege – eines meiner Lieblingsspiele. Hier versucht sich das Entwicklerteam immer wieder an neuen Ideen, wenn auch nicht ganz so liberal wie Indie-Titel. Dennoch wird das Spiel immer besser:
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“Es dauert eben, so lange es dauert.” genau so ist die richtige einstellung – finde ich großartig und Valheim ist eines meiner Lieblingsspiele!
Valheim ist wirklich eins der besten Spiele, die ich seit langem gespielt habe. Hoffentlich ist es wirklich so, dass sie ihrer Vision treu bleiben und durch den Alpha Erfolg nicht eine andere Richtung einschlagen
1047 Games dürfte mit dem Budget jetzt das 2. größte Indie Studio nach CIG sein.
Stimme ich vollkommen zu kaufe gerade deswegen schon lange keine großen Titel mehr…
Ein paar Ausnahmen gibt es dennoch wie Anno oder MH, aber da ist es mehr das grundsätzliche was mich überzeugt.
Und unter den “Indies” sind oftmals richtige Perlen die weitaus mehr Spielzeit bieten.
Valheim lässt seit über einem halben Jahr auf Content Updates warten. Das Spiel ist gut und es macht wirklich Spaß aber es dauert einfach viel zu lange bis da irgendetwas kommt.
Was erwartest du denn von so kleinen Studios? Da sitzen keine hunderte Mitarbeiter und Programmierer dran wie bei den riesen Studios daher dauert auch neuer Content entsprechend länger. Finde ich jetzt gar nicht verwerflich oder schlimm. Die Leute sind einfach zu verwöhnt von den Megastudios, aber da bekommst du meistens auch nur 0815 von der Stange und selten mal was wirklich kreatives und spannendes.
Im Video sagten die Devs sogar, dass sie mit mehr Leuten nicht schneller fertig werden würden. Dann würden sie Zeug deligieren, was sie am Ende eh wieder prüfen müssten um zu schauen, dass es auch wirklich ihrer Vision gerecht wird.
Leute wie du sind genau das Problem, Fordern ohne Zusammenhänge zu verstehen. Einige Teile der gaming Community heute sind einfach nur furchtbar. Entweder anspruchslos, zu hohe Ansprüche und überzogene Erwartungen oder man hängt alten Vorstellungen und Franchises hinterher und alles andere ist doof wie die Bioware Jünger die immer noch nicht gerafft haben das Bioware schon seit ME 3 und teilweise davor nicht mehr Bioware ist sondern nur noch den Namen trägt. Ernsthaft ich weiß nicht wer mich mehr sauer macht, die publisher und Entickler die sich nichts neues trauen oder die Spieler die zu diesem Umstand geführt haben.
Es steht doch im Text, die Macher von Valheim haben sich eben entschieden das Qualität am wichtigsten ist, nue Inhalte kommen erst wenn diie mit dem grundspiel zufrieden sind. Das finde ich extrem gut und sollte bei vielen Spielen so sein.