Vollvertontes Erfolgs-MMORPG sollte ursprünglich dröge Questtexte haben wie WoW

Vollvertontes Erfolgs-MMORPG sollte ursprünglich dröge Questtexte haben wie WoW

Zum 10. Jubiläum von The Elder Scrolls Online hatten wir die Gelegenheit, mit zwei Entwickler-Urgesteinen des Zenimax-Teams über das MMORPG zu sprechen. Es ging vor allem um die Lore, Story und Charaktere aus Tamriel.

Am 4. April 2024 ist The Elder Scrolls Online bekanntlich zehn Jahre alt geworden. Da der Launch auf Konsole erst im Juni 2015 erfolgte, soll die Jubiläumsparty ein ganzes Jahr andauern – zuletzt konntet ihr euch etwa ein schickes Oasen-Eigenheim durch nur dreimal einloggen sichern.

Das Entwickler-Team von Zenimax blickt dabei auf zehn turbulente Jahre zurück:

  • Wie fast alle MMORPGs startete auch Elder Scrolls Online mit einigen Problemen und Baustellen.
  • Die Entwickler sorgten mit den ersten Updates nicht nur für immer mehr Feinschliff, sie gingen auch grundlegende Probleme bei der Charakterprogression und beim Endgame an. Ein wichtiger Meilenstein war dabei das Update One Tamriel, das die flexible Stufenskalierung in der offenen Welt eingeführt hat.
  • Die Entscheider passten das Bezahlmodell an (Abschaffung des Pflicht-Abos) und führten eine klare Update-Struktur mit DLCs, kostenlosen Patches und dem alljährlichen Kapitel ein.
  • Neue Features wie die Gefährten, Ruhmesgeschichten oder die Endlosen Archive erweiterten das bestehende Angebot aus Quests, Dungeons und Konsorten.
  • Mit dem Konsolen-Launch konnte Zenimax viele neue Spieler nach Tamriel locken.

Durch diese und weitere Maßnahmen konnte sich Elder Scrolls Online neben WoW und Final Fantasy XIV als das dritte große Themenpark-MMORPG etablieren – mit 24 Millionen Spielern und mehr als zwei Milliarden US-Dollar Umsatz.

Das Kapitel Gold Road von ESO steht ab dem 3. Juni 2024 auf dem Programm:

Die Lore-Experten im Interview

Zur Feier des Jubiläums hatte die MeinMMO-Redaktion vor einigen Tagen die Möglichkeit, mit ESO-Loremaster Michael Zenke und Narrative Director Bill Slavicsek über Story und Lore des MMORPGs zu sprechen.

Gleich zu Beginn des Interviews ging es um die bemerkenswerte Entwicklung, die das MMORPG im Laufe der Jahre durchlaufen hat. Einzig Final Fantasy XIV und das Team von Naoki Yoshida haben vergleichbar viel (oder sogar noch mehr) investiert, um die Spielerfahrung nach dem Launch grundlegend zu verbessern.

Es ist fantastisch, zurückzublicken und sich anzuschauen, was wir in dieser Zeit alles gemacht haben und wie großartig das Team zusammengearbeitet hat, um all das zu erreichen. Unsere Art des Storytellings ist dabei ein Schlüssel-Feature, glaube ich […]. Wir sind sehr stolz auf all das.

Bill Slavicsek im Interview mit MeinMMO

Michael Zenke ergänzt, dass ein Grund des Erfolgs auch in der Bereitschaft der Entwickler steckt, bereits bestehende Systeme wie etwa die Ruhmesgeschichten oder die Gefährten weiter auszubauen und um neue Inhalte zu erweitern.

Was das Design von Geschichten und Charakteren angeht, hebt der Loremaster hervor, dass sich die Beziehungen zwischen NPCs und dem Spielercharakter im Laufe der Zeit spürbar verändern. Das gibt es seiner Meinung nach nur selten in Games und noch seltener in einem Zeitraum von mehreren Jahren.

Wie weit ist die Story vorausgeplant?

Im nächsten Teil des Gesprächs möchten wir von den beiden Lore-Experten wissen, wie weit im Voraus die Autoren an der Story von Elder Scrolls Online werkeln – gibt es bei Zenimax auch ein Konzept, das vergleichbar mit dem ist, was derzeit bei Blizzard und der Weltenseele-Saga von WoW passiert?

Bill Slavicsek erklärt, dass das Team stets an Inhalten arbeitet, die in den kommenden 18 Monaten erscheinen sollen – derzeit steht also der Content für 2025 im Fokus der meisten Entwickler. Überdies finden regelmäßig Diskussionen und Pitches darüber statt, wohin es Tamriel-Abenteurer nach den nächsten 18 Monaten verschlagen könnte (also ab 2026).

Mit dem daedrischen Krieg hatte ESO sogar bereits einen Story-Arc, der über mehrere Jahre erzählt wurde, mit den wichtigsten Ereignissen in Morrowind, Clockwork City sowie Summerset. Zuletzt gab’s in Necrom hingegen einen waschechten Cliffhanger, der mit dem kommenden Kapitel Gold Road aufgelöst wird. Auch das sieht Michael Zenke als große Stärke des MMORPGs an:

Das Spaßige, auf das sich die Leute verlassen können: Wir machen nie zweimal dasselbe. […] Wir reden hier über zehn Jahre, das ist eine lange Zeit, um Geschichten zu erzählen. Indem wir sicherstellen, dass Dinge etwas anders ablaufen, halten wir die Spielerfahrung frisch – nicht nur für die Spieler, sondern auch für uns.

Michael Zenke im Interview mit MeinMMO

Die Entwickler bleiben sich dieser Regel auch beim kommenden Kapitel treu: Am Ende von Gold Road soll es definitiv keinen Cliffhanger geben. Der Ausgangspunkt neuer Story-Pitches ist die Karte von Tamriel: In welcher Zone waren die Spieler bisher nicht, was kann man dort erzählen? Oder andersherum: Die Autoren haben eine coole Story-Idee, wo passt diese hin, welche Fraktionen sollten involviert sein?

Obwohl es sich bei Elder Scrolls Online um ein MMORPG handelt, mit einer Spielwelt, die MMO-Regeln folgen muss (und denen Singleplayer-Rollenspielen nicht unterliegen), soll das Lore-Team laut Bill Slavicsek übrigens noch nie eine Idee für eine Geschichte, eine Charakterentwicklung oder eine Entscheidungsmöglichkeit verworfen haben.

Die Geburt einer Daedrafürstin

Zum Cliffhanger von Necrom kam es dank Ithelia. Das Team war überzeugt, dass die Enthüllung einer völlig neuen Daedrafürstin ein so großes und wichtiges Ereignis für die Elder-Scrolls-Lore ist, dass man hier erst einmal den Moment und die Erkenntnis wirken lassen wollte. Mit Gold Road hat man jetzt die Zeit, um eine ausreichend lange und spannende Geschichte rund um Ithelia zu erzählen.

Um Ithelia kreieren und einführen zu dürfen, waren Gespräche mit dem Team von Bethesda notwendig. Die segneten dann das grundsätzliche Konzept ab, stellten aber gewisse Anforderungen – etwa, dass die Autoren erklären müssen, warum die Daedrafürstin erst jetzt auf der Bildfläche erscheint und in den zukünftigen Ereignissen der Lore nie erwähnt wird.

Als das Konzept abgenickt war, stürzte sich das Lore-Team von Zenimax in die Recherche und das Design der Figur, um für Ithelia ein Fundament zu schaffen, das im Einklang mit den anderen Elder-Scrolls-Spielen steht.

Eine TV-Serie für Elder Scrolls ist derzeit nicht in Arbeit. Fallout könnte aber Schule machen:

Vollvertonung versus Quest-Miteinander

Im letzten Teil des Interviews wollten wir von den beiden Zenimax-Urgesteinen wissen, wie vor mehr als zehn Jahren die Frage diskutiert worden war, ob man in ESO – ähnlich wie in SWTOR – voll vertonte Dialoge anbieten soll oder nicht.

Michael Zenke erinnert sich gut daran, schließlich hatte er schon sieben, acht Monate an Elder Scrolls Online gearbeitet, bevor die Entscheidung kam, voll auf vertonte Gespräche zu setzen. Bis dahin wurden Aufträge über Texte wie im Questlog von WoW vermittelt.

Das gesamte Autoren-Team war begeistert vom anstehenden Wechsel, da man auf die Art ein modernes MMORPG schaffen konnte, das auf den Spuren von Skyrim (war einige Monate zuvor erschienen) wandelt. Gleichzeitig veränderte sich durch diesen Wechsel vieles.

Ich glaube, wir haben ab einem gewissen Punkt jeden Englisch sprechenden Synchronsprecher der westlichen Hemisphäre angestellt, um das Spiel fertigstellen zu können. Als die Entscheidung erst einmal getroffen war, waren alle im Team in kürzester Zeit Feuer und Flamme, weil jeder das Potenzial davon sah.

Michael Zenke im Interview mit MeinMMO

Bill Slavicsek ergänzt, dass sich die Vollvertonung sehr positiv auf die Qualität der Geschichten in ESO ausgewirkt hat. Wenn eine Legende wie John Cleese einer Figur Leben einhaucht, dann kann das einfach nur gut werden, so der Entwickler weiter.

Die beiden Interview-Partner könnten es sich übrigens sehr gut vorstellen, dass die Elder-Scrolls-Franchise irgendwann mit Live-Action-Serien oder -Filmen erweitert wird, ähnlich, wie es vor kurzer Zeit bei Fallout sehr erfolgreich passiert ist: Die Fallout-Serie kommt super an – Aber der Chef hat schlechte Nachrichten für alle, die auf mehr hoffen

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N0ma

Dröge Questtexte haben auch ihre Vorteile. Man kann sie schneller überfliegen, als langsames “Gelaber” anzuhören. Und man kann sie schneller wegklicken. 😉

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