Hatte EverQuest den Code eines Spiels aus 1991 kopiert? Die ersten MMORPGs mit 3D-Grafik im Report

Hatte EverQuest den Code eines Spiels aus 1991 kopiert? Die ersten MMORPGs mit 3D-Grafik im Report

Das Genre der MMORPGs fasziniert und begeistert seit Dekaden Millionen von Spielern. In einem mehrteiligen Report beleuchtet MeinMMO-Redakteur Karsten Scholz die Wurzeln, den Werdegang sowie die Zukunft der Online-Rollenspiele. Teil 2 dreht sich um die ersten 3D-MMORPGs.

Nachdem es im ersten Teil des mehrteiligen MeinMMO-Reports zum Genre der Online-Rollenspiele um die Pioniere der 1970er, 1980er und frühen 1990er ging, bricht jetzt die Zeit der ersten MMORPGs mit 3D-Grafik an.

Welche Spiele haben den heutigen Genre-Königen den Weg geebnet? Warum gab’s vor 2004 keinen großen Hit, der das Genre aus der Nische in den Mainstream befördern konnte?

Der Beginn einer neuen Ära

Als im Jahr 1996 Meridian 59 erschien, brach eine spannende Phase für alle Fans von Online-Abenteuern an. Der bis heute spielbare Oldie katapultierte das Genre der MMORPGs ins 3D-Zeitalter, wobei bewegliche Objekte aber noch in 2D dargestellt wurden. Ein paar hundert Spieler kamen in jeder Version der Spielwelt unter.

Der spielerische Fokus lag anfangs vor allem auf PvP-Duellen. Der virtuelle Tod wurde drastisch bestraft – durch Verlust der maximalen Lebenspunkte sowie der gesamten Habe, die von anderen Spielern geplündert werden konnte.

Publisher 3DO bezeichnete das Spiel damals übrigens als MMPRPG, also ein „Massively Multi-Player Role-Playing Game“ – ohne das “Online”. Der heutige Standard-Begriff „Massively Multiplayer Online Role-Playing Game“ (also MMORPG) wurde erst ein Jahr später von Richard Garriott geprägt.

Ultima Online gehört zu den großen Meilensteinen des MMORPG-Genres:

Ein Klassiker jagt den nächsten

Eben jener Garriott, der durch seine Ultima-Rollenspielreihe auch als „Lord British“ bekannt wurde, hatte mit Ultima Online einen eigenen MMORPG-Kandidaten im Stall stehen. Links und rechts erschienen ab 1996 zudem diverse weitere Online-RPGs, in allen Formen und Farben.

Während Ultima Online auf eine isometrische 3D-Ansicht und ein Abo-Modell setzte, nutzten Spiele wie Tibia (1997) eine 2D-Grafik und einen Free2Play-Zugang. Neben dem beliebten Fantasy-Thema setzten Entwickler immer häufiger auf alternative Settings wie Science Fiction (Terra, 1996) oder Horror (Dark Eden, 1997).

Spielerisch hinterließen neben Ultima Online vor allem EverQuest (1999), Runescape (2001) und Dark Age of Camelot (2001) wichtige Fußabdrücke. DAoC begeisterte vor allem mit seinem Dreifrontenkrieg zwischen den Reichen Albion, Hibernia und Midgard.

Dark Age of Camelot stammt von Mythic, die später auch Warhammer Online machen sollten.

Runescape lockte indes durch niedrige Hürden (Browser-Game plus Freemium-Modell) unzählige Spieler an und konnte sogar einige Einträge im Guinness-Buch der Rekorde aufstellen – etwa für die meisten registrierten Spieler (mehr als 254 Millionen) im Jahr 2017 (via Guinness World Records).

Beim „ersten EverQuest“ begeisterte indes das Gesamtpaket aus riesiger Spielwelt, 14 Klassen, zwölf Rassen (plus ihre Gesinnungen, eingeteilt in Gut, Neutral und Böse), zig besonderer Fähigkeiten (wie das Meistern der Trollsprache), Gilden und vieles mehr.

Übrigens wäre es fast zu einer Klage gekommen, da sich die EverQuest-Entwickler ziemlich stark von einem textbasierten Multi-User-Dungeon-Vertreter mit dem Namen DikuMUD (aus dem Jahr 1991) haben inspirieren lassen.

So sehr, dass zeitweise sogar der Vorwurf im Raum stand, man habe Teile des Codes für EverQuest kopiert. Auf der offiziellen Webseite von DikuMUD findet sich bis heute ein abschließendes Statement dazu:

„Die DIKU-Gruppe ist stolz darauf, dass das „DIKU-Gefühl“ seinen Weg in ein so unterhaltsames und preisgekröntes Spiel wie EverQuest gefunden hat.“

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Was passierte derweil in Asien?

Mit dem Start der 3D-Ära der MMORPGs im Westen tauchte auch in Asien das erste relevante Online-Rollenspiel auf. Nexus: The Kingdom of the Winds avancierte 1996 trotz 2D-Grafik aus dem Stand zum ersten Millionen-Seller des Genres.

Zwei Jahre später folgte mit Lineage – erneut in 2D – sogar ein noch größerer Erfolg, mit zig Milliarden US-Dollar an Einnahmen für NCSoft, einem direkten Nachfolger (Lineage 2 erschien bereits 2003, mit einer 3D-Engine), Mobile-Auskopplungen und modernisierten Clients.

Zu den weiteren asiatischen Meilensteinen dieser Zeit gehören Phantasy Star Online (2000) – das nicht für den PC, sondern für den Dreamcast entwickelt wurde -, sowie Final Fantasy XI (2002), Maple Story (2003) und Fantasy Westward Journey (2004, das in China zu den erfolgreichsten Online-Games aller Zeiten gehört).

Die große Faszination der 3D-MMORPGs

In dieser Pionierzeit erstmals ein Online-Rollenspiel zu betreten, dürfte für jeden Spieler eine unvergessliche Erfahrung gewesen sein. Schließlich befand man sich in einer oft riesigen, persistenten Online-Welt. Zudem erhielt das Verständnis von Multiplayer eine neue Dimension.

Überall konnte man auf andere Spieler treffen, um gemeinsam loszuziehen, sich zu bekämpfen oder einfach nur zu chatten (MMORPG-Chats waren quasi die Vorgänger heutiger sozialer Netzwerke). In welchen anderen Spielen dieser Zeit war das möglich?

Auch die offenen Welten waren damals noch kein PR-Kampfbegriff, den man über fast jedes Genre stülpen kann. Selbst Singleplayer-Rollenspiele, mit 3D-Engine und einer großen, offenen Welt, waren etwas Besonderes (und oft zufallsgeneriert, wie in Elder Scrolls II: Daggerfall).

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Eine besondere soziale Erfahrung

Noch mehr Faszination versprühten die MMORPGs, sobald sich auf den Servern feste Communitys bildeten, in denen sich Gilden, aber auch einzelne Spieler einen Namen machen konnten. Veteranen von Dark Age of Camelot würden jetzt wahrscheinlich von nächtlichen Telefonketten schwärmen, durch die Angriffe der feindlichen Fraktion erfolgreich abgewehrt werden konnten.

Bleibt so eine Gemeinschaft aus Gleichgesinnten lang genug zusammen, bilden sich Freundschaften und sogar Beziehungen fürs Leben, flankiert von schönen Erinnerungen an Gildentreffen, gemeinsam gemeisterten Herausforderungen oder besonderen Ingame-Events wie Wettbewerben, Hochzeiten oder Rollenspiel-Aktionen.

Das soziale Mit- und Gegeneinander bildet das Fundament für die Faszination von MMORPGs.

Fehlender Internet-Ausbau verhinderte Blüte der MMORPGs

In dieser ersten Generation von 3D-MMORPGs gab es bereits einige Titel, die starke Verkaufs- und Abozahlen erzielen konnten. EverQuest soll bis Ende 2004 beispielsweise drei Millionen Einheiten verkauft und einen Höchststand von 550.000 zahlenden Abonnenten erreicht haben.

Dennoch kam das Genre in der Breite bis dato nicht beim Massenmarkt an. Das hatte vor allem zwei Gründe:

  • Wer ein MMORPG erleben wollte, brauchte zu Hause einen PC mit ausreichend Leistung und Internet – ein kostspieliges Hobby.
  • Die Online-Rollenspiele aus den 1990ern und frühen 2000ern boten in vielen Fällen hohe Einstiegshürden, wenig Komfort und potenziell frustrierende Strafen (etwa für den Tod des Charakters).

Zur Einordnung: Laut Landesmedienzentrum nutzten 1997 gerade einmal 6,5 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren regelmäßig irgendwelche Online-Dienste. Kein Wunder. Es gab weder Facebook noch Twitter oder TikTok, und eben auch keine Internet-Flatrate.

Jede Online-Minute trieb die monatliche Telefonrechnung in die Höhe. Das war kein Spaß mit einem langsamen Telefonmodem von damals (DSL oder gar Glasfaser waren noch pure Fiktion). Die Abo-Gebühr kam bei diversen MMORPGs noch obendrauf.

Genau diese Rahmenbedingungen änderten sich erst Mitte der 2000er flächendeckend, wovon vor allem ein Spiel extrem profitieren konnte. Doch darum soll es im dritten Teil unseres Reports gehen. Bis dahin könnt ihr euch die Zeit mit dem folgenden Special vertreiben: Die 15 aktuell besten MMOs und MMORPGs 2024

Quelle(n): History of massively multiplayer online games, List of massively multiplayer online role-playing games
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N0ma

“Hatte EverQuest den Code eines MUDs kopiert? ”

Wundern würde es mich nicht. Das vollständige Statement klingt auch etwas widersprüchlich. Kommt nicht so selten vor Code irregulär kopiert wird.

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