Ich wünschte, ich hätte das neue Buch von Deutschlands größter Gaming-YouTuberin mit 14 lesen können

Ich wünschte, ich hätte das neue Buch von Deutschlands größter Gaming-YouTuberin mit 14 lesen können

Am 19. Juli erschien das Buch „Du schaffst das nicht“ von Gnu, die eigentlich Jasmin heißt. Sie ist die erste deutschsprachige Gamerin, die über 1 Million Abos auf YouTube knackte. MeinMMO-Chefredakteurin Leya las ihr Buch und wünschte, jemand hätte das ihrem 14-jährigen Ich in die Hand gedrückt. Vielleicht wäre sie dann mit ihrer eigenen Nerdigkeit und Unsicherheit nicht so streng ins Gericht gegangen.

Ich erinnere mich noch genau, als wir mit MeinMMO 2021 darüber berichten, dass Gnu als erste deutschsprachige Gaming-YouTuberin 1 Millionen Abos erreichte. An dem Tag bin ich wütend.

Es freut mich, dass die Gaming-Landschaft damit an der Spitze ein Stück vielfältiger wird. Dann kommt jedoch, was kommen muss. Die Kommentarspalte unter dem Artikel und auf unseren Social-Media-Postings füllen sich schnell mit blöden Bemerkung in der Richtung: „Ist ja klar, warum die das geschafft hat. Zwinker, Zwinker.“ 

Natürlich spielen die Kommentare darauf an, dass Gnu eine attraktive, junge Frau ist und der Erfolg vor allem deshalb kommt. Diese Kommentare werdet ihr größtenteils nicht mehr finden, denn wir haben sie gelöscht. Über jeden einzelnen dieser Kommentare ärgere ich mich damals tierisch. 

In ihrem Buch schildert Gnu ihren langen Leidensweg und harten Kampf, um da anzukommen, wo sie heute steht. 

Ich hätte mir mit 14 Jahren so ein Buch gewünscht. Vielleicht hätte ich dann früher erkannt, dass ich mit meiner Leidenschaft zum Nerd-Kosmos kein totaler Freak bin, mit meinen Unsicherheiten nicht alleine und hätte eine Perspektive für mich gesehen. Denn Vorbilder für junge Mädchen wie mich gibt es in den 90er und 2000er Jahren kaum. Ich bin heute 32 Jahre alt.

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Über Realitätsflucht und Schönheitswahn

Mittlerweile habe ich einen großen Stapel an Büchern, die mir etwas beibringen sollen. Darunter Management, Kommunikation, Problemlösung, Teamführung und noch lauter anderer Kram, der mir dabei helfen möchte, erfolgreich zu sein.

Diese Bücher sind immer ähnlich aufgebaut. Eine Person, die es geschafft hat, erzählt kurz darüber, wo es Schwierigkeiten gab und wie sie diese gelöst hat. Ist auch logisch. Man möchte selbst ja schließlich von der Lösung profitieren.

Manchmal ist das aber frustrierend. Denn für mich wirkt es dann des Öfteren in der komprimierten Version so, als wäre das alles doch recht leicht gewesen. 

In Gnus Buch ist das anders. Sie zieht komplett blank und gibt intime Einblicke, die ich so nicht erwartet hätte. Sie macht in ihrem Buch vor allem Platz für die Probleme und Kämpfe, um zu ihrem Erfolg zu kommen.

Ganz unverblümt berichtet die YouTuberin über ihre innerlichen Konflikte, eine Außenseiterin in der Schule gewesen zu sein und wie sie anfängt, unrealistischen Idealen hinterherzurennen. Besonders spannend find ich hier, dass sie sich dabei vor allem an Spielfiguren wie Lara Croft oder Anime-Charakteren wie Bulma aus Dragonball orientierte. Das war ihre Welt, die ihr gleichzeitig einen Zufluchtsort gab. 

Das bringt mich nochmal ins Grübeln, wie schädlich diese stark überzeichneten fiktiven Charaktere für junge Menschen sein können. So kann man den Trend nur begrüßen, dass wir hier mittlerweile mehr Vielfalt haben und Charaktere wie Aloy aus Horizon ein anderes Bild zeichnen als Vollbusigkeit, Sanduhr-Figur, Schminke und perfekte Haare – auch, wenn das nicht allen gefällt. 

horizon firbidden west kontroverse
Eine Kontroverse brach aus, weil die Heldin Aloy tatsächlich so aussieht, als würde sie in einer Apokalypse leben und nicht wie ein Modell, wie auf der rechten Seite mit Bildbearbeitung dargestellt.

Ein ganz großes Thema des Buches ist die Essstörung, die Gnu im Laufe ihres Lebens entwickelt und die sie für 10 Jahre fest in ihren Klauen hielt. Genauso spricht sie offen über die Schönheitsoperationen, denen sie sich unterzog. Diese lässt sie heute Schritt für Schritt wieder rückgängig machen, da sie die Operationen eigentlich nie aus eigenem, inneren Antrieb heraus wollte.

Ihr Job als Gaming-Influencerin befeuerte diese Störung nur noch weiter, denn da bekommt man es mit dem Blick der Öffentlichkeit und Social Media zu tun – und natürlich auch Leuten, die die eigene Optik bis zur Haarspitze kritisieren. 

Immer auf Augenhöhe

Ich kann mein junges Ich gut in Gnus Beschreibungen finden. Meine Jugend war durch Mobbing geplagt, was stark mit meinen Interessen für Gaming, Anime und nerdigen Themen zusammenhängt.

Zwar bin ich nie einem wahnwitzigen Schönheitsideal verfallen. Aber in meiner Verzweiflung kam es zu selbstverletzendem Verhalten. Denn auch ich hatte, wie Gnu es in ihrem Buch beschreibt, immer das Gefühl nie genug sein zu können.

Falls euch dunkle Gedanken plagen: Ihr seid nicht allein. Holt euch bitte Hilfe. Zum Beispiel bei der Telefonseelsorge unter 0800/111 0 111 oder der Online-Seelsorge, bei der ihr auch einen Chat nutzen könnt. Das ist kostenlos und gilt bundesweit.

Ich glaube, dass mir so ein Buch damals als junges Mädchen sehr hätte helfen können. Denn gerade im jungen Alter fällt es besonders schwer, über Unsicherheiten, Ängste, die eigene Sexualität oder Übergriffigkeiten anderer Personen zu sprechen. 

So ein Buch hätte der kleinen Leya zeigen können, dass sie gewiss nicht alleine mit ihren Problemen ist. Besonders toll wäre es natürlich gewesen, so etwas von einer erfolgreichen Gamerin zu lesen, die die eigenen nerdigen Interessen teilt!

Das Buch schrieb Gnu zusammen mit Co-Autorin Lisa Ludwig, der Chefredakteurin von Moviepilot und bekannt aus dem Podcast Lästerschwestern. Die beiden haben es geschafft, das Buch die ganze Zeit nahbar zu schreiben und auf Augenhöhe zu bleiben. Der Stil ist locker und leicht verständlich, sodass er sich hervorragend für ein jüngeres Publikum eignet. 

Co-Autorin Lisa Ludwig ist Chefredakteurin bei Moviepilot. Die Website gehört zu Webedia. MeinMMO ist ebenso Teil von Webedia, genau wie GameStar und GamePro.

Einblick hinter die Fassade des vermeintlich perfekten Traumlebens als Gaming-Influencer

Gerade viele junge Leute haben heutzutage den Wunsch, auf Twitch, YouTube, TikTok und Instagram ganz groß zu werden. Im Gaming-Bereich wird da oft gezeigt, dass man fürs Zocken bezahlt wird, Games früher spielen darf, auf coolen Events ist und auch noch Geschenke am laufenden Band bekommt. Traumjob! 

Die Realität sieht aber etwas anders aus und die zeigt Gnu auf. Da geht es dann um selbstverantwortliches Arbeiten, Einhalten von Deadlines, dem Führen harter geschäftlicher Verhandlungen, Marketing. Ständig die Zahlen und Trends beobachten, darauf reagieren und absurde Arbeitszeiten, die weit über eine 40-Stunden-Woche hinausgehen. 

Immer mehr Gaming-Influencer äußern sich dazu, dass sie unter dem Druck zusammenbrechen. 

Twitch frisst seine Kinder – Ein deutscher Streamer sagt „Mich macht das kaputt“

Gnu ist dabei so ehrlich davon zu berichten, dass das nur durch Unterstützung ihrer Familie möglich war. Mit ihrer YouTube-Karriere startete sie nämlich noch während ihres Studiums durch, als sie auch noch nebenher einen anderen Job hatte. Da gehört viel Ehrgeiz dazu.

Das sind diese versteckten Arbeiten und Hintergründe, die man nicht sieht, wenn man einfach nur mal ein Video oder einen Stream schaut. Genau diese Infos täten aber sicher so manch einem jungen Menschen gut, der einen Karriereweg in diese Richtung plant. 

Wer sollte Gnus Buch lesen?

Gerade jüngeren Menschen würde ich das Buch sofort in die Hand geben. Denn viele Themen, die hier angesprochen werden, beschäftigen uns in einem für uns schwierigen Alter, in dem wir noch nicht so richtig wissen, wer wir sind und was wir wirklich wollen. 

Das Buch geht aber dabei achtsam mit den harten Themen wie der Essstörung um und gibt an keiner Stelle eine Anleitung, wie man es nachtun könnte.

Wenn ihr darüber nachdenkt, das Buch eurem Kind zu schenken, würde ich es einmal selbst vorher lesen. Gerade für ein sehr junges Publikum sind die Themen dann teilweise doch sehr erwachsen. Vielleicht möchte man das eine oder andere Kapitel lieber überspringen oder zumindest gemeinsam mit dem Kind lesen. 

Ich würde es euch außerdem ans Herz legen, wenn ihr darüber nachdenkt, eine Karriere als Gaming-Inluencer anzustreben. Hier bekommt ihr tiefe Einblicke, die euch eine gute Vorstellung davon geben, was für ein Job wirklich auf euch zukommt. 

Als über 30-Jährige konnte ich dem Buch allerdings auch einiges abgewinnen. Gerade als jemand, der selbst im Medien-Umfeld arbeitet und nunja … eben auch mal eine dumme Teenagerin war. Ich habe Bestätigung und etwas Balsam gefunden, um mein inneres Kind nochmal feste in den Arm zu nehmen.

MeinMMO führte 2020 ein Interview mit Gnu: Sexismus in der Gaming-Branche: „Ich dachte, dass das dazugehört“

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K

Also ich hätte mich damals und auch heute extrem gefreut wenn Mal ein paar Mädels oder auch Frauen bei meinen Interessen damals dabei gewesen wären. Zoggen, Lan Party, Mountainbike, Fußball. Auch beruflich seit ihr gern gesehen.
Fachabi etechnik keine Frau in der Klasse. Ausbildung Mechatroniker keine Frau in der Klasse oder Fertigung, Studium Mechatronik Bachelor und master keine einzige Frau in meinen Jahrgang.
Also nur Mut. Zeigt ruhig was ihr macht und worauf ihr Lust habt. Die meisten Gruppen freuen sich über weibliche Zuwachs und ihr seit herzlich willkommen so wie ihr seid. Und für die Gruppen dynamic ist das eh besser wenn Mädels dabei sind.
Immerhin konnte ich meine Freundin mittlerweile filmisch soweit überzeugen können das die mit mir bei Star wars , Marvel und co dabei ist.
Also eigentlich schlummert in jeden ein kleiner nerd.

lIIIllIIlllIIlII

Oh es gibt sehr viele Berufe, in denen es so gut wie keine Frauen gibt. Maurer, Fliesenleger, Gerüstbauer, Estrichleger, Dachdecker, Pflasterer oder Bergleute. Zum Beispiel.

Zuletzt bearbeitet vor 1 Jahr von lIIIllIIlllIIlII
Threepwood

Ich werd es nicht lesen, aber als Empfehlung im Hinterkopf behalten, ggf. für Eltern, Jugendgruppen etc.
Anekdotische Geschichten jeglicher Art sind manchmal ganz spannend, aber eben auch nur Fallbeispiele.

Klingt aber nach einem guten Buch für Kids und junge Menschen, die in der Breite (auch weiterhin) inszenierter pseudo Perfektion im Netz hinterherlaufen. Selbst Gegenbewegungen switchen irre schnell zu ihrer eigenen Inszenierung.
Dennoch sind solche Realitätsabgleiche auch wichtig, falls die Betroffenen es denn sehen wollen. Das ist ja je nach Bubble so gar nicht der Fall.

BTW der Anteil “Attraktivität” als Erfolgshilfe, teils sogar -standbein, ist nicht von der Hand zu weisen. Dazu gibt seit vielen Jahren Studien, wie Attraktivität Schulempfehlung, Noten, Abschluss, Aufstiegschancen, Jobs, Wohnungssuche, Umgang untereinander, Recht und so weiter und so fort beeinflusst.
Unser Hirn funktioniert da schräg.
Der Kern ist leider wahr und das Internet ist da ganz besonders schnell auf den Zug gesprungen, den TV, Boulevard und Co nochmal fester etablierten.
Unattraktiv bleibt die Ausnahme und Nische, wenn man Erfolg mit Außenwirkung betrachtet. Vor allem bei Frauen. Wir sind und bleiben da, vielleicht auch ein Stück weit genetisch bedingt, Vollidioten. 😄

Zuletzt bearbeitet vor 1 Jahr von Threepwood
Porter

Tolles Buch und eine tolle Frau!
Meine Tochter wird 11 und hat das Buch schon durch und auch ich habe es mal quer gelesen um mir auch einen Eindruck zu verschaffen (jetzt wo sie durch ist hat es erst einmal ihre Mutter und dann darf ich hoffentlich^^).
Mir ist der Umgang mit Medien wirklich sehr wichtig und bin dankbar das Jasmin dieses Buch geschrieben hat denn egal wie nah ich meiner Tochter bin und mit ihr über diese Themen rede ist es doch noch was anderes wenn Gnu über diese Dinge schreibt anstatt das Papa seinen Senf zu Themen gibt.
Das Buch ersetzt sicher nicht den Umgang mit dem Thema aber ist für Eltern wie auch Kinder eine tolle Hilfe.

Leyaa

Es ist immer wieder erstaunlich, wie ähnlich wir uns sind, liebe Leya. Sogar das Alter stimmt 😄
Mich haben in der Pubertät ähnliche Probleme geplagt. Und ich stimme dir zu: So ein Buch hätte bestimmt geholfen.

Aber damals war Gaming auch noch nicht so populär. Das hätte sich wohl kaum verkauft und die Verläge hätten wohl gar kein Interesse, so etwas anzubieten. Heute ist das einfach eine ganz andere Zeit.

Klingt auf jeden Fall nach einem interessanten Buch für Teenager und Gaming Interessierte.

lIIIllIIlllIIlII

Ich glaube, sie hatte ein Video gemacht, in dem sie durch ihren Instagram Account durchgegangen ist und jedes Bild, bei dem Ihr Körper irgendwie bearbeitet war löschte und vorher erklärt hatte, was bearbeitet war und wie es eigentlich aussah.

Allerdings ist das “Opfer” verhältnismäßig kleiner für jemanden, der auch im “Original” etwas mehr Glück hatte als andere. Aber dennoch…

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