Wargaming-Chef zum Ukraine-Krieg: „Wir haben uns entschieden, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen“

Wargaming-Chef zum Ukraine-Krieg: „Wir haben uns entschieden, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen“

Anlässlich des 25. Jubiläums von Wargaming (World of Tanks), bekam MeinMMO-Chefredakteurin Leya Jankowski die Gelegenheit mit Victor Kislyi ein Interview zu führen. Victor ist Gründer und CEO von Wargaming, einem Studio, das seine Wurzeln in Belarus hat – diese Wurzeln wurden durch den Krieg jedoch gänzlich herausgerissen.

Am Morgen des 24. Februar 2022 marschiert Russland in die Ukraine ein. Ein Krieg bricht aus. Der Krieg dauert bis heute an.

Im Jahr 2023 feiert ein Spielestudio mit russischen Wurzeln sein 25-jähriges Bestehen. 1998 gründete Victor Kislyi in Minsk (Belarus) das Studio Wargaming. Es ist heute vor allem für seine Fahrzeugshooter wie World of Tanks oder World of Warships bekannt. Am 4. April 2022 gibt Wargaming bekannt, Russland vollständig verlassen zu wollen – und zieht das durch.

Anlässlich dieses Jubiläums hat uns Wargaming ein Interview mit Victor angeboten, das wir in zwei Teilen auf MeinMMO veröffentlichen werden. Im ersten Teil des Interviews geht es um die einschneidende Erfahrung, mehrere hundert Mitarbeiter und ein Studio in einem Kriegsgebiet zu leiten.

Wir mussten viele Opfer bringen

MeinMMO: Ein Thema, über das es sicher nicht leicht ist, zu sprechen, ist der anhaltende Krieg in der Ukraine. Wie hat sich die aktuelle Situation in der Ukraine auf den täglichen Betrieb und die Entwicklung bei Wargaming ausgewirkt?

Victor Kislyi: Als der Krieg in der Ukraine begann, mussten wir zuerst unseren Mitarbeitern in Kiew helfen. Natürlich haben wir in der Folgezeit viele Sitzungen abgehalten, und das Führungsteam ist gemeinsam zu dem Entschluss gekommen, alle Aktivitäten in Russland und Weißrussland einzustellen. Wir waren uns bei dieser Entscheidung so einig wie nie zuvor. Und wir alle haben die einzig richtige Entscheidung getroffen. Und warum? Weil wir alle beschlossen, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen.

Aber für uns war das natürlich eine Katastrophe. Vor dem Krieg arbeiteten zwei Drittel unserer Mitarbeiter in diesen drei Ländern (Belarus, Russland und Ukraine). Und wir mussten die Mitarbeiter umsiedeln, etwa 1000 Familien, das heißt, sie mussten ihre Heimat verlassen und in ein völlig unbekanntes Land ziehen.

Und es war sehr schmerzhaft, als wir die finanzielle Entscheidung getroffen haben. Es war klar, dass wir am nächsten Morgen mit Sicherheit einen großen finanziellen Verlust erleiden würden. Wir reden hier von 250 Millionen US-Dollar an Einnahmen, die wir über Nacht verloren haben. Ein Drittel unserer Spielerbasis stammte aus Russland und Weißrussland.

Entwickler Sergey Kuravskiy veröffentlichte 2022 vom Bunker in Kiew aus den Halloween-Modus für World of Tanks.

Wir haben auch etwa ein Drittel unserer Mitarbeiter verloren – wir haben viel Schaden erlitten und mussten bei der Umstrukturierung viele Opfer bringen, weil wir es schnell machen mussten. Wir mussten einige Entwicklungsinitiativen einstellen; wir haben 3 neue, unangekündigte Spiele verloren, um genau zu sein. Der Rückzug aus Russland und Weißrussland war für uns einschneidender als für die meisten anderen globalen Unternehmen.

Aber unter diesen wirklich schlechten Umständen haben wir es geschafft, unsere Live-Spiele ohne Unterbrechung aufrechtzuerhalten, wir hatten neue Spielmodi, neue Inhalte. Wir haben unsere Hauptaufgabe als Unternehmen nicht vergessen, nämlich unsere Millionen von Spielern, die uns weltweit ihre Zeit anvertrauen, glücklich zu machen. Es war nicht einfach, aber unsere Mitarbeiter haben, obwohl sie sehr gestresst waren, diese Mission, die wir als Wargaming haben, nicht vergessen, und darauf bin ich sehr stolz.

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Meine Gedanken waren bei unseren 430 Mitarbeitern in Kiew

MeinMMO: Was ging dir als Erstes durch den Kopf, als dich die Nachricht vom Einmarsch in die Ukraine erreichte?

Victor Kislyi: Das erste, was mir durch den Kopf ging, war Entsetzen und ich dachte an das Leid der ukrainischen Bevölkerung und natürlich waren meine Gedanken sofort bei unseren 430 Mitarbeitern in Kiew (Ukraine) und ihren Familien. Wir hatten einige Notfallpläne vorbereitet, die in den ersten ein bis zwei Stunden, nachdem wir von den Ereignissen erfahren hatten, zum Einsatz kamen.

MeinMMO: Welche Maßnahmen hat Wargaming ergriffen, um die Sicherheit und das Wohlergehen seiner Mitarbeiter und deren Familien in den betroffenen Gebieten zu gewährleisten?

Victor Kislyi: Für diesen Fall hatten wir bereits Pläne. Zuerst haben wir Busse bereitgestellt, um unsere Mitarbeiter und ihre Familien in den Westen der Ukraine in Sicherheit zu bringen. Das geschah nur wenige Stunden nach Beginn der Invasion. Wir brachten jeden, der wollte, an einen sicheren Ort, wo eine Unterkunft und ein vorübergehender Arbeitsplatz vorbereitet waren. Wir hatten auch zusätzliche finanzielle Mittel, um den Menschen bei der Reise und der Umsiedlung zu helfen.

Wir haben aber nicht nur unseren Mitarbeitern geholfen, sondern auch dem ukrainischen Roten Kreuz eine Million Dollar gespendet, uns an der Anschaffung von Krankenwagen und medizinischer Ausrüstung für die Ukraine beteiligt, die Opfer des zerstörten Kraftwerks Kachowka unterstützt und vieles mehr. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums spendete Wargaming über die Plattform United24 insgesamt 250.000 US-Dollar. Das Geld wurde für den Kauf von medizinischer Ausrüstung verwendet, um den vom Krieg betroffenen Menschen in der Ukraine zu helfen.

Wer selbst einen Beitrag leisten kann und möchte, kann das beispielsweise bei der Aktion Deutschland Hilft tun, die betroffenen Menschen aus der Ukraine humanitäre Hilfe leistet. Hier geht es zur Nothilfe Ukraine.
In einem internen Crowdfunding-Projekt wurden 200.000€ gesammelt und dafür sechs Krankenwagen für die Ukraine gekauft und übergeben

Es gibt kein Zurück

MeinMMO: Wie werden sich die aktuellen Ereignisse in der Ukraine auf die Zukunft von Wargaming auswirken?

Victor Kislyi: Wir haben sofort nach dem Einmarsch die richtige Entscheidung getroffen und sie schneller umgesetzt als jedes westliche Unternehmen, das ich kenne, schneller als es Menschen möglich ist. Wir haben keine Präsenz, keine Verbindungen, keinen Einfluss, keinen Geldaustausch, keine Arbeitskräfte, was auch immer, weder in Russland noch in Weißrussland. Darauf sind wir stolz.

Es gibt kein Zurück, kein Bedauern. Wir glauben, dass wir uns für die richtige Seite der Geschichte entschieden haben.

Das ist unser Ausgangspunkt für die Zukunft.

Vielen Dank an dieser Stelle, Victor, für deine Offenheit und Zeit.

Im zweiten Teil des Interviews gibt Victor Einblicke in schwierige Entscheidungen, den Arbeitsalltag eines Studio-Chefs und gibt Einschätzungen zum Gaming-Markt der Zukunft ab:

Wargaming-Chef gibt Einblick in 25 Jahre Spiele-Entwicklung: „Gut ist, dass es neue Investoren gibt, die tatsächlich Gamer sind“

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Dragotix

Ich will ja hier nichts herabwürdigen oder so, aber mal ehrlich. Im grunde hatten sie nur die Wahl zwichen Russischen Spielern vs mehr oder weniger den Rest der welt. Auf eines hätten sie dank Sanktionspolitik eh verzichten müssen. Und wenn 1/3 russische spieler 250mio USD sind, dann geh ich mal von aus das die anderen 2/3 mindestesn 500mio bringen! Da der westen evtl sogasr kaufstärker ist, könnten das auch (deutlich) mehr sein
Also ist es im Grunde die entscheidung für das Geld und nicht die “richtige” seite.

Zumal ja das Game einfach von einer firma nun in Russland weiterbetrieben wird und die sicher auch weiterhin updates bekommen werden. Ob da dann wirklich 250mio USd verloren sind ist da nochmal nen anderes thema.

Huehuehue

Auf eines hätten sie dank Sanktionspolitik eh verzichten müssen.

Wirklich? Die EU-Kommission hat gestern als Antwort auf die Abfrage eines deutschen Abgeordneten festgehalten, dass laut einer Studie der Yale University der größte Teil “ausländischer” Unternehmen (60%) weiterhin an ihren Geschäften in Russland festhält.

Dragotix

Was nichts daran ändert das der zahlungsverkehr gesperrt ist für fast alle unternehmen. Und genauz wie andere offnet man dann halt ein tochterunternehmen und bringt das geld von dort dann halt auf umwege wieder zu hauptfirma,

Stephan

Ich habe den Eindruck das man mir hier eine Strategische Entscheidung als moralische Verkaufen will. Lange Zeit hat sich Wargaming nicht zum russischen Angriffskrieg geäußert, warum wenn es doch sofort klar war das man auf der richtigen Seite stehen will. Die Fehlenden Einnahmen die hier so hervorgehoben werden gehen nun in die Kassen der Tochterfirma… denn nach wie vor wird in Russland World of Was-auch-immer gespielt. Das man Versucht seine Angestellten aus einem Kriesengebiet zu schaffen hat vermutlich jede Firma versucht.

Thor2D2

Warum verbreitest Du Unwahrheiten? “Lange Zeit hat sich Wargaming nicht zum russischen Angriffskrieg geäußert” Am 24.02.22 hat Russland die Ukraine angegriffen. Am 25.02.22 hat der Creative Director sich zustimmend zum Angriffskrieg geäußert.
“Wargaming distanzierte sich von den Aussagen des Mannes und stellte in einem Statement klar, dass Burkatovskiys „persönliche Überzeugung ganz ausdrücklich nicht der Haltung unserer Firma entspricht“. Einen Tag später war Burkatovskiys Engagement bei Wargaming Geschichte.” (/t3n.de)
Einen Monat später haben sie dann ihr Engagement in Weißrussland und Russland beendet.
Du solltest Dein Zeitgefühl überprüfen.
Auch wenn man aus irgendeinem Grund etwas gegen eine Firma hat, sollte man bei der Wahrheit bleiben.

Hoholnigggerkiller
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Nyla

Ich bin sehr beeindruckt. Nicht nur wie schnell sie ihren Mitarbeitern in Kyiv geholfen haben. Da scheint kein Aspekt vergessen worden zu sein. Aber auch noch 1000 Familien ihrer Mitarbeiter beim Umsiedeln zu helfen und dann noch die Verluste + zukünftigen Verluste in Kauf zu nehmen.
Respekt vor dieser Konsequenz ihrer Entscheidung.

Luripu

Wie kann man diese 250 Millionen $ einordnen?
Ist das 1/3 ihres Jahres Umsatzes der nun weggebrochen ist?

Drunken-Style

was für 250 Millionen? Da war nur die Rede von 250.000 und einmal 1 Millionen.

Dr. Perl Junior

Ne, da steht schon 250 Millionen Verlust an Einnahmen.

Sertent

Das wird der Umsatz der Russischen Server gewesen sein. Diese wurden an ein anderes Unternehmen abgegeben und laufen nicht mehr unter wargaming.

Huehuehue

Die Preise dürften regional unterschiedlich sein, weswegen dieses 1/3 der Spieler wahrscheinlich nicht 1/3 des Umsatzes ausmachen wird aber ja, so in etwa kann man das einordnen.

alf

als unternehmen solche verluste bewusst in kauf zu nehmen, ist schon ein ganz großer schritt, der sehr sehr viel respekt verdient.dann aber bewusst auf einahmen in zukunft zu verzichten in dieser höhe. verdient mehr als respekt, denn sowas kann in diesen sphären auch mal ganz schnell den konkurs bedeuten , dann stehen die vor dem nichts. alle. vom kleinsten job in dieser firma bis hin zum boss.
seinen mitarbeitern helfen in solch einer prekären notsituation hätte jede andere firma auch getan.das hat unser unternehmen auchgetan . da standen innerhalb von 2 tagen busse verpflegung,kleidung,medizinische und humanitäre hilfen bereit.da hat jeder mitarbeiter zu hause seine schränke leer gemacht um zu helfen .egal was.. von kosmetik bis lebensmittel , bis hin zu spielsachen und klamotten für kinder.
was aber nicht normal ist, ist die tatsache das sie auch vorrübergehend arbeitsplätze bereitstellen , unterkünfte usw, damit ein geregeltes leben weiterlaufen kann so gut es möglich ist.
wargaming verdient da ganz ganz viel respekt und sehr viel hochachtung vor dem was sie da getan und gestemmthaben

Wesker

Respekt. Nicht jede Firma hätte einen derartigen Verlust in Kauf genommen.

Koron

Wo haben Sie denn inzwischen Ihren Hauptsitz?

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