Wer im Strategie-Spiel Victoria 3 (Steam) als Deutschland das Spiel gewinnen will, muss die Hälfte der Weltbevölkerung unter seine Kontrolle bekommen. Unser Autor Schuhmann sagt: Das geht schon, aber die Performance wird so mies, dass selbst mit einem guten Rechner das Ganze keinen Spaß macht. Das Spiel ist einfach nicht auf die Dimensionen ausgelegt, die es im Endgame erreicht.
Wie kann man Victoria 3 „gewinnen?“ Es gibt 3 verschiedene Arten, Victoria 3 zu gewinnen, die vom jeweiligen Land abhängen, das man wählt:
- Wer etwa Frankreich spielt, der muss gar nicht expandieren, sondern darf „hoch“ spielen, also aus seinen Provinzen das Maximale herausholen. Denn es geht darum, dass es der Bevölkerung gut geht, sie alle Vorteile einer modernen Gesellschaft genießen: Altersvorsorge, Arbeitsschutz, hohen Lebensstandard. Das ist knifflig, weil einen irgendwann die „Wohlfahrts-Kosten“ in den Ruin treiben, wenn man nicht aufpasst.
- Wer mit der USA spielt, der muss voll auf die Wirtschaft setzen. Das ist eine relativ entspannte und lockere Art zu gewinnen, wenn man mal verstanden hat, wie die Wirtschaft funktioniert: Es geht um Wachstum, Wachstum, Wachstum. Bei Victoria 3 heißt das letztlich: Möglichst viele Provinzen besitzen, die Öl fördern können, denn der Rohstoff ist im Endgame begrenzt.
- Wer aber mit Deutschland gewinnen will, der muss die Weltherrschaft anstreben. Das ist leichter, als es klingt, aber mühsam, so mühsam.
In Deutschland spielt man 30 Jahre relativ friedlich, dann brennt die Welt
Wie gewinnt man als Deutschland? Das Spiel beginnt als „Preußen”, denn „Deutschland“ ist zum Start von Victoria 3 zersplittert. Die Strategie als Preußen ist:
- Die Wirtschaft im Heimatland aufbauen und den Staat „modern“ gestalten – dabei verzichtet man aber auf alles, was „Wohlfahrts-Geld“ kostet.
- Sich in Afrika und Ozeanien Kolonien sichern und in Afrika erste Eroberungsfeldzüge planen. Dabei ist das Timing wichtig: Man erobert ein Land und hält nun solange die Füße still, bis der „Infamy“-Wert wieder gesunken ist, dann schnappt man sich das nächste Land in Afrika.
- In Europa setzt man komplett auf Diplomatie: Es gilt „Nationalismus“ zu erforschen und dann alle Kleinstaaten im Norden Deutschlands in eine Zollunion zu bringen und die Beziehungen soweit zu verbessern, dass sie sich Preußen anschließen, bis man zu „Norddeutsche Föderation“ wird.
- Etwas später erforscht man „Pan-Nationalismus“ und macht das Gleiche mit Süddeutschland, bis man zu Deutschland wird. Dabei gehts militärisch lediglich darum, so brav zu sein, dass weder Österreich noch Frankreich auf dumme Ideen kommen.
So funktioniert das in der Praxis: Diese Strategie führt dazu, dass man 30, 40 Jahre lang ein relativ ruhiges Spiel genießt. Man will keinen Krieg mit einer Großmacht riskieren, weil Kriege gegen „starke“ Nationen unheimlich teuer sind und schnell in „Deutschland gegen England, Frankreich, Russland und Österreich“ ausarten und man da nicht gut wegkommt.
Letztlich ist es auch gar nicht nötig, in dieser Phase gegen die Weltmächte zu kämpfen. In Afrika und Ozeanien kriegt man alle Rohstoffe, die man braucht: Seide, Opium und Gummi. Die Wirtschaft in Preußen wächst und floriert. Die Gesellschaft wird Jahr für Jahr liberaler, das hilft beim Wachstum und zieht Einwanderer an.
Was ändert sich dann? Nach etwa 30, 40 Jahren in Victoria 3 gilt es dann auf „Kriegs-Industrie“ umzustellen, man gibt es auf, den „Infamy“-Wert niedrig zu halten, und das Spiel wechselt in den Militär-Aspekt von Victoria 3 über: Man rekrutiert Generäle, baut Baracken, Munitionsfabriken und Waffenschmieden ohne Ende.
Auf dieser Route kämpft man früher oder später mit Deutschland gegen die ganze Welt. Das geht eigentlich nur, wenn man das Militär möglichst breit ausbaut, also das Maximum von 20 Armeen mit 100+-Einheiten befehligt.
Der Kern, um das Spiel in der Situation zu gewinnen und mehr als 50 % der Weltbevölkerung zu kontrollieren, sind die bevölkerungsreichen Staaten in Asien, vor allem in China und Japan. Dazu kann man sich Teile in Afrika, Südamerika und Europa rauspicken.
Klein funktioniert Victoria 3 hervorragend – Riesig nicht mehr
Warum macht Victora 3 an dieser Stelle keinen Spaß mehr? Das Spiel wird im Endgame extrem träge. Statt wie am Anfang einzelne Fabriken auszubauen oder Industrie-Zweige zu fördern, zieht man jetzt mit den Mengen-Tasten Strg und Shift gleich 200 Fabriken in einer frisch eroberten chinesischen Provinz hoch, weil es dort 6 Millionen Bauern gibt, die man irgendwie industrialisieren muss. Danach muss man mühsam noch Eisenbahnen bauen und immer so weiter. Es ist auch lästig, die eroberten Provinzen, auf die eigene Industrie umzustellen: Hier muss man immer wieder in den Wirtschafts-Untertab und 90 Feinabstellungen vornehmen.
Oder man spart sich das. Denn weil man die Wirtschaft der Gegner an der Stelle um das 10-Fache überflügelt hat, wirkt das Spiel im Endgame beliebig.
Selbst auf einem PC für 3.800 € mit Ryzen 9 5900 X, Geforce 3080 TI und allem Schnickschnack wird das Spiel langsam und laggy.
Und die Kriege funktionieren so, dass man riesige Raumforderungen stellt, der Gegner dann aber in letzter Sekunde doch zurückzieht und einem nur die erste geforderte Provinz überlasst. Gleichzeitig mehrere Kriege führen, ist ohnehin nicht möglich. Dazu muss man sich mit lästigen und unbedeutenden Rebellionen rumschlagen, welche die eigene riesige Armee locker zerschlägt.
Es bietet sich dann an, gegnerische Nationen gleich zu reinen Marionetten zu machen.
Selbst wenn es mal zu einem größeren Krieg kommt, kann Victoria 3 nicht glänzen: Denn der Militär-Aspekt gilt bestenfalls als rudimentär: Denn, wenn man mal die Generäle platziert hat, spult sich der Rest praktisch automatisch ab – nur mit See-Invasionen kann man den Krieg etwas beschleunigen und neue Fronten eröffnen.
Sowohl Forschungs- als auch Sozialsysteme sind schon Jahrzehnte vorm Spiel-Ende durch und es gibt einfach nichts mehr, was noch groß kommt und dem Spiel eine Wende gibt.
Kennt Paradox das Problem? Ja, natürlich. In der Community gilt Victoria 3 etwa ab 1900 als “unspielbar”.
Paradox hat bereits vor Monaten gesagt, es liegt offenbar an der “Pop-Zersplitterung”: Das Spiel hat irgendwann so viele Bevölkerungsgruppen zu verwalten, dass selbst moderne PCs nicht mehr mitmachen. Man hat angekündigt, an dem Problem zu arbeiten.
Aber das unglaublich langsame und laggy Endgame ist etwas, das auch andere Spiele von Paradox selbst nach vielen Jahren noch lähmt: wie Crusader Kings und Stellaris.
Beim Spiel mit Deutschland zeigt Victoria 3 seine hässliche Seite
Das steckt dahinter: Victoria 3 hat im Moment das Problem vieler „Grand-Strategy-Games“. Bei den Spielen von Paradox (Crusader Kings, Stellaris) fällt das besonders auf, aber auch die Civilization-Spiele leiden darunter:
- Am Anfang, wenn alles in der Schwebe ist, und jede Entscheidung zählt, ist das Spiel spannend und macht Spaß.
- Wenn man aber mal klar auf der Siegerstraße ist und die „Kampagne“ nur noch zu Ende spielen muss, entwickelt sich das doch zu einer rechten Geduldsübung und Qual.
Mit anderen Zielen und Ländern wie bei Frankreich und den USA lässt sich so eine Kampagne locker zu Ende spielen, als Deutschland, das die Welt erobern will, treten die Schwächen von Victoria 3 aber besonders stark zutage.
Es gibt übrigens auch die Möglichkeit aus Deutschland die “DDR” zu machen, mit Flagge und allem:
Steam: In Victoria 3 ist der Kommunismus dem Kapitalismus überlegen – Das passt einigen nicht
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Da haben wir also endlich richtige Anwendungsbereiche für Quantencomputer. 😄
Fühlt sich das nicht irgendwie schräg an, als Deutschland die Weltherrschaft zu wollen? Und sei es nur für Studienzwecke? Ich würde wohl vorsichtshalber die Vorhänge vor die Fenster ziehen und den Sound abdrehen. 😁
Als ich die ersten Wochen gespielt habe, fand ich das auch alles “zu dicht an der Realität” und hatte wirklich Bauchgrummeln – genau, wie du es beschreibst. Will ich wirklich Elsass-Lothringen überfallen?
Aber wenn man dann ein paar hundert Stunden gespielt hat, ist es halt doch sehr abstrakt. Gerade der Kriegsaspekt ist in Victoria 3 sehr, sehr abstrahiert und hat halt keinerlei Immersion. Es fühlt sich einfach nicht so an, als führt man da wirklich Krieg.
Bei Crusader Kings 3, wenn du ad Krieg führst, und verlierst irgendwie deine 3 Lieblings-Ritter und die Barbaren killen deine Frau und 2 Söhne – das merkt man halt, weil man da eine Verbindung zu den Figuren aufbaut. In Victoria 3 … da wird das Budget rot.
Das Kampfsystem ist leider totaler Rotz. Ich warte bis Paradox da ordentlich was nachliefern. Aktuell ist das einfach bescheiden.
Da ist Victoria 3 doch harmlos. Spiel mal Hoi4 (Hearts of Iron) historisch als Deutschland😅. Wobei die deutsche Version natürlich zensiert ist. Das Spiel ist übrigens auch aus dem Hause paradox.
Bin derzeit bei Warhammer 3 dabei die ganze Welt (riesiege Welt) mit den Kislev zu erobern. 70% habe ich schon aber jetzt wird das ganze sehr knifflig da mich alle als Feind haben.
Obwohl ich 21×20 Armeen habe (natürlich Ice Guards ^^).
hatte ich bei Civilization auch schon, KI Zug am Ende dauerte jedesmal 5 min
Jo, finde Civilization ist auch ein gutes Beispiel für Games, die im Early-Game viel spannender sind als im Endgame.
Ist ein typisches Paradox-Problem.
Stellaris kämpft mit den gleichen Problemen. An irgend einem Punkt hat man so viele Pops etc. dass die Berechnungen für die ganzen Formeln und Checks ewig dauern.
Ich muss allerdings sagen, dass sich das mit den letzten Patches in Stellaris wesentlich verbessert hat.
Vielleicht bekommen sie das ja in Victoria auch hin. In Stellaris hat es ja nur ein paar Jahre gedauert 😀