YouTuber erreicht mit Mathe Tausende Zuschauer: „Ich wollte kein Influencer werden“

YouTuber erreicht mit Mathe Tausende Zuschauer: „Ich wollte kein Influencer werden“

Der YouTuber und Unternehmer Daniel Jung erklärt den Zuschauern auf seinem Channel nicht die besten Gaming-Builds und macht keine Reaction-Videos, sondern Mathe. Er erzählt uns in einem Interview, wie er auf die Idee kam, und wie er die Digitalisierung in Deutschland sieht.

Seit 2011 lädt der YouTuber und Unternehmer Daniel Jung schon stetig Videos auf seinem Channel hoch, die seinen Zuschauern die verschiedensten Bereiche von Mathematik näher bringen. Egal, ob Schüler oder Studierende, jeder findet bei ihm Videos, die ihm in Mathe weiterhelfen.

Mittlerweile hat der Channel über 850.000 Abos und viele dankbare Zuschauer, aber wie kommt man auf die Idee, einen solchen Channel zu starten?

Zusammen Daniel haben wir von MeinMMO einen Ausflug in den Bereich von YouTube und Twitch gemacht, den viele von euch gar nicht auf dem Schirm haben.

“In den USA haben renommierte Unis schon Anfang 2000 ihre Vorlesungen verfilmt”

MeinMMO: Hallo Daniel! Magst du dich kurz unseren Leserinnen und Lesern vorstellen?

Daniel: Hi! Mein Name ist Daniel Jung und ich habe mal Mathematik und Sport studiert auf Lehramt. Ich habe mich aber dann entschieden, das Internet zu nutzen, um Menschen Mathematik näherzubringen, vor allem mit Lernvideos über YouTube.

MeinMMO: 2011 war YouTube noch dabei, so langsam weg von Katzenvideos und hin ins Mainstream vorzustoßen. Was hat dich dazu bewegt, einen Channel zu erstellen?

Daniel: Ich hatte parallel zum Studium mein erstes Unternehmen gegründet. Das war ganz klassische Nachhilfe analog vor Ort, aber sehr lokal, so aus meiner Heimatstadt. Da haben wir Tennistrainer vermittelt.

Das waren Studenten, die meistens Sport und ein anderes Fach studiert haben. Das war ganz klassisch und das war so Ende der 2000er. Da haben die ersten von ihnen gesagt: “Wir haben Videos entdeckt im Internet, die nicht nur Katzenvideos waren, sondern auch Lerninhalte zeigten.”

Er dachte: “Oh, das ist spannend als Rückmeldung.” Dann habe ich als Zweites die Recherche gestartet und war erstaunt, dass in den USA eigentlich alle oder viele renommierte Unis schon Anfang der 2000er ihre Vorlesung verfilmt hatten. Sie wurden erst auf eigene Lernplattformen noch vor YouTube online gestellt und zum Start von YouTube 2005 auch schon direkt dort hochgeladen.

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So ging’s los: Eins der ersten Videos, die Daniel auf seinem YouTube-Channel veröffentlicht hat.

So, das heißt, eigentlich war schon etwas da. Das hat nur keiner gefunden, weil eben sehr viele Katzenvideos gab. Und dann hab ich gesagt: “Finde ich spannend.” Nur waren mir diese Videos zu lang. Es war eine klassische Vorlesung.

Dann habe ich aus Erfahrung gesagt, ich hätte viel lieber gerne so kleine Einheiten. Ich habe jetzt eine Frage: “Was ist eine Potenz?” oder “Was ist eine Ableitung?” Das möchte ich so in fünf Minuten erklärt haben.

Ich habe mir gedacht, ich glaube, da ist ein Markt, um Dinge per Video in kurzen Einheiten zu verstehen. Das war vor TikTok, vor Instagram – schnell, schnell, schnell – 30, 90 Sekunden. Und ich wollte das auch jetzt nicht in 30 oder 90 Sekunden haben, sondern wirklich entspannt in drei bis fünf Minuten. So ist die Idee entstanden. Das war der Start.

daniel jung channel videos
Mittlerweile finden sich auf dem Channel von Daniel hunderte von Videos zu verschiedensten Themen.

MeinMMO: Du bist mittlerweile ein Unternehmer, der mehrere Firmen gegründet hat. Erzähl uns aber etwas über die Anfänge deines YouTube-Channels. Womit hast du am Anfang am meisten zu kämpfen gehabt?

Daniel: Ich hab eigentlich gar nicht zu kämpfen gehabt, weil ich es einfach als Vehikel gesehen habe, um zu testen, wie du Digitalisierung in die Bildung bringen kannst.

Eine Möglichkeit war: Ich mache einen Livestream, aber das war 2011-12 noch so schwierig. Einfach Scheiß-Leitungen, die Streams waren nicht stabil. Was ich klassisch analog gemacht hatte, war schwierig.

Aber ein Video zu produzieren, fand ich interessanter als einfach nur Dokument online hochzuladen, was du dir wieder selber durchlesen musst. Ich wollte das Erklärformat einer klassisch analogen Vorlesung irgendwie in ein 5-Minuten-Video verpacken und das dann bereitstellen über eine Plattform, die 2011 die einzige Videoplattform war.

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Mittlerweile erklärt Daniel Mathe in verschiedenen Formaten und für unterschiedliche Bildungsgruppen.

Ich habe dann einfach mit der Rückmeldung gearbeitet. Also, wie kannst du dich selbst optimieren? Was passt, was passt noch nicht? Am Anfang bin ich noch im Tennishemd mit schlechter Beleuchtung an die Tafel gegangen, hab zu schnell gesprochen [Er lacht].

Ich fand das von Anfang an eigentlich eher interessant. Ich wollte ja kein Influencer oder sowas werden. Für mich war es in ein Vehikel, um zu testen, weil mein erstes Unternehmen klassisch analoge Nachhilfe war. Und das war eigentlich ein Test.

Ich hatte keine Einnahmen am Anfang und musste schauen:

  • Wie monetarisierst du YouTube?
  • Welche Möglichkeiten gibt es?
  • Ist Werbung eine Option, wenn man lernt?
  • Stört es die Leute vielleicht?

Bis zum heutigen Punkt, wo die Leute sagen: “Für dich mache ich den Ad-Blocker aus, weil der Content so hochwertig ist, dass ich lieber die Werbung dann ertrage.” Es ist wirklich fantastische Rückmeldung.

Es war von Anfang an aufgrund dieser Test-Spielwiese, einfach immer nur interessant, mit dem Feedback zu arbeiten.

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Weg von Katzenvideos, hin zu Lerninhalten

MeinMMO: Dein Channel besteht ja nun seit über 10 Jahren und hat junge Leute als Zielpublikum. Wie hat sich in dieser Zeit das Verhalten der Zuschauer verändert? Unterscheidet sich die “Jugend von heute” von der “Jugend von damals”?

Daniel: Ich versuche immer Unterschiede zu identifizieren, aber im Endeffekt gibt es beim Lernen generationsübergreifend keine Unterschiede. Jeder muss irgendwie lernen. Mathe kommt überall vor, jeder muss Mathe lernen.

Heute ist man aber im Umgang mit den Medien gewohnter. 2011 war es noch die Anfänge. Damals sagte man, also über YouTube und Co, das ist was für Katzenvideos. Also da geh ich nicht hin, um zu lernen.

Heute ist eigentlich der Unterschied, dass du weißt: Wenn ich noch mal Hilfe brauche, dann weiß ich, es gibt Lernvideos in sozialen Netzwerken und vor allen Dingen sortiert auf der Plattform YouTube.

Man geht heute wirklich aktiv auf YouTube. Früher hast du gegoogelt: “Hilfe, ich hab eine Frage in Mathe, Thema Ableitung.” Heute “youtubest” du sozusagen, macht deine Suche halt auf einer Videoplattform.

Das heißt, heute ist es wirklich schon Gesetz und Standard. Die Jugend weiß, es gibt Lernvideos nicht nur für Mathe, sondern auch für andere Fächer. Man ist tatsächlich mittlerweile gewohnt, das als Zusatz zu nehmen beim Lernen.

MeinMMO: Das stimmt. Ich selbst bin Abi-Jahrgang 2010 und damals wäre mir nicht in den Sinn gekommen, auf YouTube nach Lernvideos zu suchen. Wir hatten ganz klassisch nur die Abi-Bücher zur Vorbereitung.

Daniel: Genau. In Deutschland auf keinen Fall, weil man’s einfach nicht auf dem Schirm gehabt hat. Obwohl das alles, zumindest englischsprachig, schon da war. Alles, jedes Thema, nur nicht auf Deutsch. Und dann begannen so 2011-13 die “Early Adopters” wie ich damit. Es waren einige wenige, die gesagt haben: Ja, könnte auch in Deutschland klappen.

MeinMMO: YouTube als Plattform befindet sich ebenfalls im ständigen Wandel. Welche Wünsche hättest du spezifisch als Betreiber eines Lehr-Channels an YouTube?

Daniel: Ich habe unzählige! Und ich schreie sie auch schon seit Jahren raus. Ich war überall. Ich war in London bei YouTube, ich habe überall vorgesprochen.

Ich fang mal direkt hoch oben an: Ein Monetarisierungskonzept neu für Bildungs-Content-Creator. Das heißt, dass die Werbung aktuell nicht personalisiert genug ist für Bildungs-Creator. Sie müssten eigentlich Unterstützung bekommen von allen möglichen größeren Unternehmen, die fokussiert sind, die Bildung voranzutreiben.

So – die könnte man irgendwie vielleicht bündeln, um die ganzen Daniel Jungs und Lehrer Schmidts, die es da gibt, irgendwie finanziell zu unterstützen, damit man hochwertiges Wissen kostenlos bereitstellen kann. Das ist der Punkt 1.

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Punkt 2 wäre eigentlich ein Feature. Auch ein Video scheitert irgendwann, und auch ein Livestream ist irgendwann vorbei. Und was ist, wenn du dann noch eine spezielle Frage hast?

Dann wäre da ein Community-Effekt, ich nenn das mal Schwarmintelligenz, für den Fall, wenn der Bildungs-Creator offline ist. Die Kommentarsektion ist aber eben nur für “Hey, du bist toll, du bist scheiße, heute tolles Wetter” da.

Das sind einfach klassische Kommentarmechanismen und kein Austausch für spezielle Fragen. Und wenn du eine spezielle Frage hast und ich bin nicht live, mein Video hilft auch nicht, könntest du dich halt mit einem Schwarm von Menschen verbinden und irgendjemand davon hüpft rein und beantwortet sie.

Das wäre natürlich einfacher, wenn es direkt bei YouTube unter dem Video drunter so ein Mechanismus gehen würde.

Punkt 3 ist natürlich der Algorithmus. Im Moment spült er dich dann doch irgendwann ins Katzenvideo. Eigentlich bräuchtest du einen Creator-Hub, wo alle Lernchannels sind. Möglich wäre, dass YouTube dich per Algorithmus weiterbringt: “Du hast gerade Mathe und Statistik gesucht. Für dich könnte auch dieses Psychologie-Video interessant sein.” Das finde ich sehr interessant.

Blick in die Zukunft: Livestreaming-Schule mit einem Stundenplan?

MeinMMO: Während unseres Mail-Wechsels wurde ein neues Format von dir angeteasert, das in Zusammenarbeit mit anderen Lehr-Channels entsteht. Kannst du uns mehr darüber verraten?

Daniel: Ja, die Initialzündung war der Lehrer Herr Gerold, mit dem ihr in einem anderen Interview gesprochen habt. Er ist ja an einer Berufsschule und redet über Abschlussprüfungen.

Er hat auf Twitch einen Livestream gemacht und hatte auf einmal einige Hundert Leute, die zugeschaut haben. Da dachte ich: “Mensch, das finde ich total interessant”. Ich war tatsächlich bisher noch nicht auf Twitch.

Dann bin ich aufgrund dieses Artikels an ihn herangetreten und haben ihn eingeladen zu uns. Und dann hat er halt erzählt, was es für Mechanismen bei Twitch gibt, wenn du im Livestream über Wissensinhalte sprichst. Da sagte ich, dann lass uns doch mal irgendwie schauen, ob wir nicht in einem Live-Format Lehrkräfte bündeln können.

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Aber es gibt halt, auch durch Corona gefördert, ganz viele echte Lehrer, die sagen: “Ich gehe jetzt in diese digitale Welt, und das auch noch in einem Livestream-Format.”

Und dachte ich mir: “Wenn du diese Leute bündeln kannst in einem Livestream-Format.” Das finde ich spannend. Ich schreibe jetzt keinen Medien-Plan für die nächsten zehn Jahre, sondern sage: “Dann lass uns doch mal die, die gerade auf Twitch unterwegs sind, bündeln und lass uns doch mal live erst mal unterhalten.”

Vielleicht bauen wir eine Online-Livestream-Schule. Montags gibt es dann Mathe, Physik, Chemie. Dienstags gibt es Bio – oder jeden Tag gibt es irgendetwas, zusätzlich als Hilfe für Menschen, die vielleicht noch Probleme haben.

Darüber reden wir jetzt regelmäßig in einer Runde und schauen, was daraus entsteht.

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Die ersten Schritte für das Projekt wurden bereits getan.

MeinMMO: Nachdem die Technik sich seit 2011 weiterentwickelt hat und vor allem aber auch Corona in den letzten Jahren viele Defizite im digitalen Bereich deutlich gemacht hat, findest du, dass es einen Wandel innerhalb des Bildungssystems gab? Geht es jetzt mehr Richtung digital?

Daniel: Leider tote Hose. Ein paar Rohrkrepierer, viele Gelder, die dann doch wieder verpuffen, weil sie in Deutschland an Anträgen scheitern. Wenn du aus dem bestehenden System heraus etwas ändern willst, scheiterst du an den Mechanismen für Antragsverfahren.

Aber bei YouTube, TikTok, Twitch und Co muss ich keinen Medien-Plan schreiben. Das heißt, die digitale Revolution wird von außen kommen, mit aber Experten aus dem System, nämlich den Lehrkräften, die Bock haben.

Und das hat Corona positiver Weise befeuert, dass viele, die noch skeptisch waren, sich dann gesagt haben: “Lass ein Video oder einen Livestream machen.”

Es gibt Grenzen, wo du sagst: Wir werden weiterhin vor Ort zusammenkommen. Aber das Tolle ist, wir müssen nicht mehr vor Ort zusammenkommen, um rezeptartig anderthalb Stunden Vortrag zu hören, sondern wir machen irgendwie coole Sachen vor Ort.

Ich glaube, dass das Bildungssystem in Deutschland mit unserem Föderalismus und Co sehr schwierig zu knacken ist. Aber es gibt immer mehr Lehrkräfte, die Bock haben, sich auf der digitalen Wiese auszutoben, Menschen mit Wissen zu begeistern in Form von Livestreams etc.

Wenn man die bündelt, dann haben sie den Hebel, die digitale Bildungsrevolution wirklich jetzt mal richtig zu befeuern, ansonsten würde hier wahrscheinlich in Deutschland alles wieder so versacken.

MeinMMO: Hast du noch abschließende Wort für unsere Leserinnen und Leser?

Daniel: Jeder, der Bildungs-Creator kennt und sie unterstützen kann: Unterstützt sie bitte. Macht Shoutouts oder holt sie in eure Streams rein.

Ich finde die Zusammenkunft von Gaming und Bildung super-interessant. In Finnland gibts Minecraft schon als Schulfach. Warum kriegen wir so eine Zusammenkunft nicht hin? Da denkt man ja gar nicht dran.

Wenn du in der Gaming-Welt bist, denkst du ja nicht daran, dass man gleichzeitig jemanden bilden kann. Das ist so das, wofür ich kämpfe. Die Bildung kann echt sexy sein, dank Digitalisierung.


Wie findet ihr Lehrformate auf YouTube, wie die von Daniel? Habt ihr sie selbst schon mal benutzt oder lernt ihr lieber klassisch? Wie würdet ihr eine Online-Stream-Nachhilfeschule finden? Schreibt es uns in die Kommentare.

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Ahriman

Er zählt uns in einem Interview, wie er auf die Idee kam.

Ist das ein Mathe-Witz oder ein Rechtschreibfehler im Beschreibungstext?

Cortyn

Ja.

BlackStarNero

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