Jasmin ist bekannt als Gnu und die größte Gaming-YouTuberin in Deutschland. MeinMMO-Chefredakteurin Leya traf sie auf der gamescom und unterhielt sich im Interview mit ihr über die Reaktionen zu Jasmins jüngst veröffentlichtem Buch, in dem sie erstmals über ihre Essstörung spricht. Aber auch, wie sie an ihren Content auf Twitch und YouTube herangeht.
Auf der gamescom lerne ich erstmals eine Person kennen, die ich bisher nur hinter dem Monitor kannte. 2020, noch in den Anfängen der Corona-Pandemie, sprach ich digital mit Gnu über Sexismus in der Gaming-Branche.
Damals weiß ich noch nicht, dass die junge Frau jahrelang mit einer Essstörung kämpfte. Davon erzählt sie erstmalig in ihrem kürzlich veröffentlichten Buch “Du schaffst das nicht”, das mir beim Lesen ziemlich unter die Haut ging.
Das ist für mich Anlass genug, Jasmin auf der gamescom zu treffen und mit ihr über ihr Leben nach diesem Seelen-Striptease zu sprechen.
MeinMMO: Wie ist es jetzt in der Retroperspektive für dich, das Buch herausgebracht zu haben und alle Leute wissen, dass du mit einer Essstörung zu kämpfen hattest?
Jasmin: Ich habe oft damals schon zu meiner Managerin und zu Lisa Ludwig (Co-Autorin) gesagt, dass ich mir unsicher bin, ob ich es machen soll. Mit ihr habe ich damals fast täglich geredet. Das Interessante ist, ich habe eigentlich nicht so Probleme damit, wenn es Leute lesen die mich nicht kennen, als wenn es jetzt zum Beispiel die Eltern meines Partners lesen. Das ist ganz komisch.
Aber ich glaube, in der heutigen Zeit ist es umso wichtiger, genau solche Dinge anzusprechen. Dass es eben Probleme gibt und nicht alles dieses perfekte Leben ist, das man auf Social Media präsentiert. Davon hatte ich die Schnauze einfach voll.
Der Auslöser des Buches war, als mir jemand gesagt hat, dass bei mir immer alles so perfekt und so langweilig sei. Und ich dachte mir nur: Wenn du wüsstest.
Dann habe ich das Angebot fürs Buch bekommen und sagte mir, warum nicht. Es ist ein Teil meines Lebens und diese Story hat mich hierher gebracht. Das gibt Leuten die Hoffnung, dass, egal wie schlecht es gerade bei ihnen läuft, sie trotzdem was Cooles erreichen können.
“Ich wollte gerne über die negativen Dinge des Lebens sprechen”
MeinMMO: Warum war jetzt für dich der richtige Zeitpunkt, das Buch zu veröffentlichen?
Jasmin: Ich habe früher immer gesagt, ich würde nie ein Buch schreiben. Ich habe jetzt aber einen gewissen Abstand dazu. Als der Verlag auf mich zukam, sprach ich darüber, dass ich gerne auch über die negativen Dinge des Lebens sprechen wollen würde.
Dieses “Du schaffst das nicht” und die Lösungen, die ich für mich gefunden habe. Diese Anleitung meines Lebens, was ich besser hätte machen können. So was hätte ich mir mit 15 gewünscht.
Dann dachte ich mir, warum nicht nicht aus etwas Negativen etwas Positives machen. Jetzt habe ich diesen Seelen-Striptease gemacht und wenn es auch nur einer Person hilft, hat sich das gelohnt.
Leya: Wie waren allgemein die Reaktionen zum Buch?
Jasmin: Bei der Buchtour hatte ich Angst. Am Release-Tag hatte ich schon überlegt, ob ich mich für ein paar Tage komplett zurückziehe und gar nicht auf Reaktionen schaue. Tatsächlich gab es bei der Buchtour dann schon die ersten positiven Kommentare, was mich voll gefreut hat.
Eigentlich ist es durchgehend positiv geblieben. Ich habe keinen negativen Kommentar dazu bekommen. Es lesen jetzt natürlich auch nur Leute, die mich kennen.
Viele dachten, dass sie mit ihren Problemen alleine sind und haben sich bedankt, dass ich es angesprochen habe. Ich habe vorhin noch eine getroffen, die mir sagte, dass ich genau ihr Problem beschrieben habe und sie jetzt eine Lösung für sich sieht, wie sie damit umgehen kann.
Ich habe meine Managerin noch gefragt, ob das jetzt das Ende meiner Karriere sein wird. Ich möchte ja auch nicht diesen Stempel haben, wenn man sich zu Problemen geäußert hat, dass man dann immer wieder damit konfrontiert wird.
“Ehrlich gesagt, langweilt mich das perfekte Leben”
MeinMMO: Setzt sich hier in der gesamten Branche ein Wandel durch? Du beschreibst in deinem Buch, dass gerade auf Instagram das perfekte Leben vorgespielt wird von Influencern. Wir alle reden am liebsten über Erfolge, nehmen noch das 100ste Selfie auf, um zu gucken welcher Winkel perfekt ist und sich auch ja kein Pickel zeigt. Gibt es da aktuell eine Gegenbewegung und siehst du dich als Teil davon?
Jasmin: Ich glaube, ja. Es gibt Instagram-Profile wie von Dana Mercer, die ich sehr gerne schaue. Sie hat sehr viel abgenommen und zeigt ihren Körper, wie er ist. Sie hat kein Problem damit zu zeigen, dass sie Cellulite hat und dass es Röllchen am Bauch gibt, wenn sie sitzt. Sie zeigt, dass es total normal ist, dass Haut lebt und sich bewegt. Ich glaube, der Trend geht immer mehr dahin, dass viele in der Öffentlichkeit ihre Natürlichkeit und Menschlichkeit zeigen.
Das finde ich wichtig und ehrlich gesagt, langweilt mich das perfekte Leben.
Leute wollen die Disney-Liebe haben und sehen, aber das gibt es einfach nicht. Umso größer die Enttäuschung, wenn man das Bild vom perfekten Leben zerstört. Jetzt bin ich froh, dass ich das nie aufgebaut habe.
MeinMMO: Wenn man mal in deinen Stream schaltet, sieht man schonmal, dass du rülpst oder pupst.
Jasmin: (Tut lachend geschockt) Wie kommst du denn da drauf?! Das sind alles nur Soundeffekte.
MeinMMO: Achso, also alles nur gespielt! Glaubst du, dass es für dich dadurch leichter war, so ein Buch zu veröffentlichen? Also, dass du Verständnis für dich und deine Person bekommen hast, weil du dich eigentlich schon immer recht “normal” präsentiert hast?
Jasmin: Ich glaube schon. Das einzige Thema, das für mich wirklich schwierig war, war das mit der Essstörung. Das ist etwas, das ich sogar meiner besten Freundin, die ich viele Jahre kenne, erst kurz vor Veröffentlichung des Buchs erzählt habe.
Deswegen war mir das Thema auch so wichtig. Ich erkenne mittlerweile, wenn bei anderen sowas ist. Es sind sehr viele und keiner redet drüber.
Gerade meine Essstörung ist ja eine, bei der man auch die Stille oder Heimliche sagt und ich finde, das sollte eben nicht heimlich sein.
“Es fällt immer leichter, wenn etwas vorbei ist”
MeinMMO: Das ist tatsächlich auch so ein Trend, den wir beobachten. Es kommen immer mehr Geschichten hoch. Kürzlich etwa noch Kalle Koschinski, der sich eine Auszeit wegen mentaler Probleme genommen hat. Ist das ein Thema, was aus deiner Sicht zu sehr hinter geschlossenen Türen passiert?
Jasmin: Ich glaube, gerade wenn es um Burnout geht, trauen sich immer mehr damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich denke, es fällt immer leichter, wenn etwas vorbei ist. Meine Essstörung ist vorbei. Ich glaube, ich hätte kein Buch darüber geschrieben, wenn ich noch mittendrin gewesen wäre.
MeinMMO: Content Creator sein ist oft mit viel Druck verbunden. Wir haben schon Geschichten von Menschen gehabt, die nach Marathon-Streams starben. Was denkst du darüber?
Jasmin: Ich lade jetzt selbst seit Jahren schon regelmäßig Videos hoch und sag mir immer wieder, dass das eine Video noch kommen MUSS. Es sieht dann einfach schön auf dem Kanal aus und die Community freut sich samstags auf ein kurzes Video.
Aber im Endeffekt muss man lernen sich selbst zu sagen, dass die Welt nicht untergeht, wenn mal kein Video kommt.
Leya: Wenn man sich näher mit dir beschäftigt, weiß man, dass du sehr analytisch an deine Arbeit herangehst. Wie gehst du eigentlich in vor, um den Algorithmus der Plattformen zu füttern?
Jasmin: Das ist schwierig, weil er sich ständig verändert. Da haben wir auch regelmäßig Meetings mit meinem Management und überlegen, was ist denn gerade Trend, was kann man aus bestimmten Spielen machen? Vor allem, was kann man auch Einzigartiges draus machen. Da werden Spiele recherchiert und Ideen entwickelt für die Community oder schon erste Ideen gesammelt für Video-Titel und Thumbnails.
Natürlich, wenn jetzt ein Hype-Spiel kommt, wie kürzlich Among Us, dann schaut man: Ok, jeder spielt das gerade. Was können wir damit machen? Was könnte lustig sein? Wie kann ich damit etwas umsetzen, das zu mir passt? Über sowas nachdenken macht mir richtig viel Spaß.
Deswegen geht man da so analytisch ran, weil man den Algorithmus nie richtig einschätzen kann oder auch andere Einflüsse. Wir haben es jetzt im Sommer zum Beispiel gemerkt, dass das der erste Sommer war, in dem Leute wieder ohne große Einschränkungen rausgehen konnten, was dann auch wieder einen Einfluss auf die Aufrufe hat.
Wir sind da als Content Creator einfach alle sehr abhängig von den Plattformen und vom Algorithmus: Was wird vorgeschlagen? Was wird angeschaut?
“Das größte Problem aller Plattformen ist, dass es um Masse geht und nicht Qualität”
MeinMMO: Welche Verantwortung siehst du hier bei den Plattformen wie Twitch?
Jasmin: Das größte Problem aller Plattformen ist, dass es vor allem um Masse geht und nicht die Qualität. Für Creator ist es einfach attraktiver auf Masse zu gehen und den schnellen nicht qualitativ hochwertigen Content zu bedienen.
Gerade wenn das mehr Aufrufe bringt, warum sollte ich mir dann mehr Zeit nehmen und mehr Geld in ein hochwertiges Video investieren? Ich glaube, das ist das Problem: Mehr Content, mehr Trends, schneller, besser und die Fixierung auf Zahlen. Ist dein gestriges Video besser als das von heute und warum? Das wäre schön, wenn sich das irgendwie ändern würde. Aber ehrlicherweise glaube ich nicht daran, dass das passieren wird.
MeinMMO: Möchtest du vielleicht zum Abschluss noch erzählen, an welchen Projekten du aktuell arbeitest?
Jasmin: Wie immer Gaming!
Aber mein Dritt-Kanal ist aktuell mein neues Herzensprojekt, wo ich über Sachen spreche, die mir persönlich wichtig sind.
Wie eine toxische Selbstwahrnehmung dank Social Media oder auch Sport und wie man sich da auf eine gesunde Weise zu motivieren kann, auch aus anderen Gründen als Diäten. Da möchte ich in Zukunft noch mehr Zeit investieren und das weiter ausbauen.
MeinMMO: Vielen Dank für das Gespräch.
Jasmin ist nicht die einzige Gaming-Influencerin, die mittlerweile offen über den Druck in dem Job spricht. Immer mehr Streamer und Streamerinnen äußern sich zu den Problemen auf Plattformen wie Twitch: Eine der größten Twitch-Streamerinnen der Welt erklärt, warum sie weniger streamen will
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Ich weiß nicht. Ist ja alles schön und gut, trotzdem hinterlässt sowas bei mir einen faden Beigemschmack. Das hat für mich schon wieder was von fame-fishing. Die vielen Menschen, die genau die gleichen Probleme und mehr haben plus kein Geld – was ist mit denen? Ich persönlich kann das nicht außer Relation lassen.
Auch wenn man erfolgreich/wohlhabend ist, hat man so seine Päckchen zu tragen … keine Frage.
Die “Unterschicht-Familie” oder viele Alleinerziehende haben allerdings noch ein paar Probleme mehr und müssen sich zusätzlich noch um ganz triviale Dinge kümmern … bspw. dass am Ende vom Monat noch überhaupt ein wenig Kohle vorhanden ist. Da juckt die Cellulite wohl irgendwo ganz zum Schluss erst.
So viele Stories von “Influencern” wirken, als würde es bei *allem* um noch mehr Aufmerksamkeit gehen – egal bei was.
Gefühlt ist das (für mich) seit so vielen Jahren extrem inflationär.
Kernaussagen zu bodyshaming zu thematisieren finde ich gut … nur das ganze “influencer-gedöhns” – vielleicht bin ich auch einfachzu alt… 😊
Es ist etwas sehr Gutes, wenn gerade “Influencer”, deren Leben für viele “der Traum” ist und das in seiner Darstellung perfekt zu sein scheint, aufzeigen, dass “das Leben” selbst eben nun mal nicht perfekt ist. Gerade weil sie Role Model für so viele sind ist es gut, dass sie den Leuten, die die vielleicht bewundern, zeigen, dass es ok ist, wenn nicht alles “ok” ist.
Ubd zum Thema: “Für Influencer-Gedöhns bin ich vielleicht einfach zu alt”- also meine über 86jährige Oma liest, seit ich denken kann, diese Klatschmagazine über “Prominente”… “Influencer” sind nichts anderes als (mehr oder weniger bekannte) “Prominente”, nur dass sie vielleicht nicht aus Adelshäusern stammen oder keine Schlager singen, sondern mit moderneren, Medien ihr Geld verdienen.
Dieser Logik nach dürfte ja niemand über seine Probleme reden. Es gibt schließlich immer jemanden der auch Probleme hat, teils auch größere.
Ich bin eher nicht die Zielgruppe dieses Buchs und werde es nicht kaufen.
Ich würde aber auch nicht die Probleme die sie hat als Mumpitz abtun.
Und wenn sie mit deren Aufarbeitung anderen in ähnlicher Lage helfen kann ist doch eine grundsätzlich gute Sache.
Meinst du wirklich es hilft jemanden deine Zeilen zu lesen, der wirklich an was zu knabbern hat? Was meinst du wie viele Menschen psychische Probleme haben? Wer darf nun über psychische Probleme sprechen oder ein Buch schreiben, mit dem er anderen Helfen will? P.S. Man kann auch Bücher kaufen in denen Menschen einfach nur ihre Fantasie niedergeschrieben haben, ist das nun auch falsch?
Es mag ja sein, dass manche Menschen andere belügen, um einen gewissen Vorteil zu erhalten. Passiert in allen Lebensbereichen, aber willst du als Arzt, nur weil du mal einen Hypochonder als Patient hattest, keinen mehr wegen gewisser krankheitssymptome behandeln, weil ist ja nur eingebildet? Weißt du worauf ich hinaus will?
Menschen die psychische Probleme haben, öffnen sich nicht, weil ihnen genau so etwas wie von dir geschrieben entgegenschlägt und sie sich nicht trauen, sich zu öffnen. Auch dieser Hypochonder braucht Hilfe, weil das kommt ja nicht von irgendwoher. Also bitte, solche Meinungen helfen keinen weiter. Im Gegenteil, sie schaden einfach nur denen die sich die Frage stellen müssen “Soll ich mich öffnen oder nicht?”