„Ein Hobby für Männer“ – Das verriet uns der Chef von World of Tanks im Interview

„Ein Hobby für Männer“ – Das verriet uns der Chef von World of Tanks im Interview

Im Rahmen der digitalen gamescom 2020 haben wir von MeinMMO, Victor Kislyi, den CEO von Wargaming, für ein Interview gewinnen können. Lest hier, was der Chef des Panzer-Game-Entwicklers World of Tanks über sein Spiel und seine Zielgruppe sagt und was er erlebt, wenn er mal selbst zockt.

In unserem Gamescom-Interview mit Victor Kislyi sprach MeinMMO-Autor Jürgen Horn über den Werdegang der Firma Wargaming, wer World of Tanks wohl spielt und was Victor privat so treibt. Und wie er damit umgeht, wenn Spieler ihn für, in ihren Augen, missglückte Updates im Spiel beschimpfen.

Den Anfang des Interviews machten Fragen zur Firma und zu den typischen Spielern von World of Tanks.

Victor Kislyi
Victor Kislyi, der Chef von Wargaming.

Wargaming und World of Tanks

Wie groß ist Wargaming eigentlich? Wargaming begann als kleines Studio in Minsk und ist mittlerweile eine internationale Firma mit Sitz in Zypern. Aktuell arbeiten laut Victor über 5.000 Mitarbeiter für Wargaming, die sich auf 17 Standorte auf der ganzen Welt verteilen.

Die Momente, in denen es nicht gut lief: Als Nächstes wollte ich wissen, ob Wargaming auch mal Probleme hatte, bevor es zu einer erfolgreichen globalen Firma wurde. Und in der Tat sah es bis zum Siegeszug von World of Tanks nicht gut aus:

Vor World of Tanks war es nie sicher, ob wir auf lange Sicht überleben. Wir machten ein Spiel, haben es rausgebracht, haben etwas Geld vom Publisher und von den Verkäufen bekommen. Und dann ging es wieder zurück auf null. Wir haben vor Worlds of Tanks schon 13 Jahre lang Spiele entwickelt. Und jeden Tag hab ich mir gedacht: „Nehmen wir genug Geld ein, um unsere Gehälter am Monatsende auszuzahlen?“ Wir wussten oft nicht, was morgen passieren würde.

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Bis zum Erfolg von World of Tanks war Wargaming oft in Not.

World of Tanks wurde in 18 Monaten entwickelt: Der große Durchbruch kam dann erst mit World of Tanks und Victor ist dankbar, dass seine Mitarbeiter ihm damals so lange treu geblieben sind:

Wir waren wie alte Kameraden aus dem Schützengraben. Die blieben bei uns, obwohl es damals bessere Jobs in Minsk gab. Das hat mir gezeigt, das sie wirklich liebten, was sie taten, das sie diese Art von Spielen machen wollten, die wir bei Wargaming entwickelten. Als wir dann die Idee zu World of Tanks hatten, war das ganze Team gut motiviert und organisiert. Und wir haben das ganze Spiel in 18 Monaten gemacht!

Wer spielt eigentlich World of Tanks?

Als Nächstes wollte ich wissen, was für Spieler eigentlich WoT spielen und wie sich die Vorlieben der Communitys global unterscheiden. Zur letzteren Frage hatte Victor die folgende Antwort parat:

Alle Regionen sind irgendwie anders. Das sieht man auch an Filmen und Musik, welche die Leute jeweils mögen. Und auch an Spielen. Wir haben das Spiel erstmal in der früheren Sowjetunion veröffentlicht. Es wollte ja niemand das Spiel als Publisher haben, daher haben wir das selbst in den Regionen gemacht, wo russisch gesprochen wurde. Und das klappte sehr gut. Und das lag halt auch an Panzern.

Männer im Allgemeinen mögen Panzer. Und Russen lieben Panzer ganz besonders. Das gilt auch noch für Osteuropa wie Polen sowie Deutschland. Da spielen auch viele World of Tanks. In Amerika hingegen nicht so. Das liegt wohl daran, dass die Amerikaner im 2. Weltkrieg nicht an so großen Panzerschlachten beteiligt waren [wie Russland und Deutschland]. Also ja, es gibt schon Unterschiede bei den Vorlieben weltweit, aber sie spielen und mögen alle das gleiche Spiel.

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So sieht der typische WoT-Spieler aus.

Wer ist eigentlich der typische WoT-Spieler? Hier hatte Victor eine witzige Antwort parat, denn er zeigte sogleich auf mich und sagte voller Überzeugung: „Der sieht wie du aus!“

Das erklärte er dann auch gleich:

[Der typische Spieler] ist ein Mann, der Kinder hat und ungefähr 40 bis 45 Jahre alt ist. Er ist verheiratet oder in einer Beziehung, er hat eine Arbeit. Der kann Lehrer, Feuerwehrmann oder Polizist sein, ein typischer Männerberuf halt. Er ist im Beruf und im Familienleben engagiert dabei, er hat vielleicht ein Haus oder eine Wohnung, einen Hund …

Engagierte Leute, die was im Leben erreicht haben, also bei der Familie und der Arbeit. Und dann muss er halt die Möglichkeit haben, sich ein paar Stunden jede Woche freizunehmen und World of Tanks zu spielen. Um mal für einige Zeit aus dem Alltag zu entfliehen und vielleicht mit seinen Kumpels zu zocken. Und dann rumzufahren und Sachen in die Luft zu jagen.“

Gut, bis auf die Sache, das ich noch knapp unter 40 bin und keinen Hund habe, hat er mich da als typische Zielgruppe für World of Tanks gut getroffen.

World of Tanks und Frauen?

Warum nur Männer als Zielgruppe? Laut Victor scheinen Männer wohl die typische Zielgruppe zu sein. Daher fragte ich ihn, ob dies beabsichtigt sei oder ob man auch Frauen für das Spiel gewinnen wolle:

Wir haben bisher keine eigenen Dinge ins Spiel gebracht, um speziell Frauen anzulocken. Gut, das Spiel ist nicht gewaltverherrlichend, wir zeigen nur kaputte Fahrzeuge und keine Leichen. Aber aus irgendwelchen Gründen finden Mädels World of Tanks als Spiel nicht interessant. Und da können wir auch nix machen.

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Panzer scheinen eher Männer als Frauen anzusprechen.

Da es aber durchaus vereinzelte weibliche Spieler in WoT gibt, wollte ich wissen, ob es da Statistiken gibt:

Es sind wohl um die 95 bis 98 Prozent [männliche Spieler]. Es sind echt nur sehr wenige Damen im Spiel. Es ist ein Männerhobby. Das ist wie Fischen. Ich weiß auch nicht, warum das kaum Frauen machen. Aber sie tun‘s nicht! Die finden es einfach nicht interessant oder sinnvoll. Ich weiß auch nicht. Und das dürfen sie natürlich auch so sehen! Aber World of Tanks ist überwiegend ein Hobby für Männer.

Victor Kislyi macht nur „Vorschläge”

So ist Victor am Game-Design beteiligt: Das Victor sein Spiel World of Tanks sehr gern hat, ist offensichtlich. Doch inwieweit ist er als Chef einer globalen Firma noch an der Entwicklung beteiligt?

Ich habe vor langer Zeit mal selbst programmiert, aber auf einem einfachen Niveau. Das mache ich schon lange nicht mehr. Aber ich sehe mich schon als Game Designer. Vor allem bei früheren Titeln von Wargaming war ich da aktiv dabei. Bei World of Tanks war ich aber nicht mehr Lead Designer. Aber ich habe es konstant gespielt und habe hier und da Vorschläge und Anmerkungen gemacht. Und das mache ich immer noch so. Ich gebe Vorschläge und bin bei Brainstorming-Sessions dabei. Aber ich führe aktiv keine Projekte.

Ich habe vielmehr gelernt, meine hervorragenden Ideen in der Form von Ratschlägen zu formulieren. Ich geh also zu den Tank-Typen oder den Schiff-Typen und sage „Hey, ich habe diese und jene Idee, wie wär‘s, wenn ihr das macht.“ Dann haben wir eine Diskussion. Und wenn es geht, dann sagen sie, dass sie es machen. Oder sie erklären mir logisch, warum das nicht geht. Denn nicht jede meiner Ideen ist am Ende wirklich gut.

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Civilization gehört zu den Lieblingsspielen von Victor.

Dieses Spiel würde Victor gerne entwickeln: Victor hatte schon als kleiner Junge Spaß mit einem Strategiespiel auf Textbasis namens „Kingdom“, welches im Labor seines Vaters auf einem uralten Rechner lief. Sein Lieblingsspiel, das er auch in seiner Jugend ausgiebig zockte, ist allerdings Civilization. Nachdem Wargaming mit Masters of Orion schon ein ähnliches Spiel veröffentlicht hatte, war meine nächste Frage, ob Victor denn Civilization übernehmen würde, wenn es denn jemals zum Verkauf stünde?

Etwas sagt mir, dass es Firaxis [die Firma hinter Civilization] gerade sehr gut geht und Civilization ist gerade ihre stärkste Marke. Und ich weiß gar nicht, ob ich Civilization besser machen könnte, ehrlich gesagt. Höchstens bei der KI. Da merkt man einfach, dass die manchmal dumme Züge macht. Und dann bescheißt sie halt heimlich hinter dem Fog of War.

Wenn man 20 Runden spielt und dann nochmal neu lädt und aggressiver oder weniger aggressiv spielt, dann merkt man, dass sich die KI angepasst hat und in etwa gleichzieht.  Das finde ich etwas frustrierend, weil ich da ja quasi bestraft werde, wenn ich effektiver spiele. Aber da kann ich auch drüber hinwegsehen und das Spiel genießen.

Wenn ein Update schlecht läuft, bekommt der Chef den Hate ab

Der Chef zockt selbst: In einem früheren Interview sagte Victor einmal, dass er nach wie vor gerne selbst World of Tanks spiele, aber auf dem russischen Live-Server und unter seinem echten Namen, so dass jeder weiß, das er es ist. Daraufhin fragte ich ihn, ob er dies immer noch so macht:

Ja klar, ich spiele immer unter meinem echten Namen, „VictorKis“. Ich mache das seit Jahren und habe Dutzende über Dutzende von Tanks. Ich dürfte so um die 15.000 Schlachten geschlagen haben. Ich bin aber wohl nicht der beste Spieler auf dem Server. Und ja, die russischen Spieler sehen meinen Namen und klar können sie mich dann kontaktieren.

Wenn das letzte Update gut war, dann sagen sie sowas wie: „Danke, weiter so, ich mag deine Arbeit, WoT forever!“.

Wenn das letzte Update aber nicht so gut ankam, dann sagen sie … ok, ich kann diese Worte hier nicht aussprechen. Sagen wir mal so, „sie drücken ihre Enttäuschung in rüder Form aus.“

Oft sagen sie auch, was genau ihnen nicht passt. Ich kenne also immer recht gut die Stimmung in der Community von World of Tanks auf dem russischen Server.

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Wenn ein Update nicht gut ankommt, rumpelt es in der Community.

Das sind die Folgen von Fan-Kritik: Ich konnte mir gut vorstellen, welche „rüden Worte“ der arme Victor von aufgebrachten Fans zu hören bekam. Daraufhin wollte ich wissen, ob er das persönlich nimmt und wie er mit der Kritik umgeht:

„Wenn ich das über all die Jahre persönlich genommen hätte, dann wär ich doch schon längst im Irrenhaus! Aber irgendwie geht es mir schon persönlich nahe. Denn ich gehe dann zu meinen Entwicklern und frage sie, warum wir ein Update machen, das die Leute so enttäuscht und wütend macht?“

Wenn also ein Update dazu führt, das Fans Victor im Spiel übelst beschimpfen, dann wird das wohl im Design-Team ankommen. Victor erklärte mir aber auch, dass nicht er allein das einzige „Thermometer“ sei, das die Stimmung in der Community messe. Man habe diverse Leute, wie Community Manager, die ein Auge auf die Stimmung bei den Spielern haben.

Doch wenn einmal eine Sache einhellig als problematisch empfunden wird, so sei man bei Wargaming auch entschlossen, sowas nicht wieder zu machen:

„Wir sollten sowas „nicht Gutes“ dann auch nie wieder machen. Wir sollten nur herausragende Dinge machen.“

Mehr Interviews mit Victor: In einem anderen Interview erklärte Victor übrigens, welche zwei Dinge in World of Tanks „nicht so gut“ waren und warum. Es handelte sich hier vor allem um die berüchtigten Updates Rubicon und einen Bug, der das Spiel auf schwachen Rechnern unspielbar machte. Alles zu diesen Katastrophen erfahrt ihr hier in unserem Artikel dazu auf MeinMMO.

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