Auf Twitch gibt es einen neuen Weltrekordhalter mit den meisten Stream-Stunden in einem Monat – und er kommt aus Deutschland. Uns stand Seanstream für einige Fragen Rede und Antwort.
Der Twitch-Streamer Bljerim „Seansstream“ Bajramovik (kurz: Ben) hat kürzlich den Rekord für die meisten Stream-Stunden pro Monat mit 595 Stunden im November gebrochen.
Bereits zuvor hat er sich den Rekord für den längsten Stream am Stück gesichert – mit 173 Stunden. Wir haben mit ihm gesprochen.
Für den Rekord an die Grenze gegangen
MeinMMO: Dein Versuch ist ja wirklich gefährlich. Wie wichtig ist ärztliche Aufsicht während eines solchen Rekords?
Seansstream: Ich gehe etwa alle drei Tage zu einem befreundeten Arzt – außer er verlangt, dass ich öfter komme. Mir ist das extrem wichtig, denn es gibt mir Ruhe. Erstens möchte ich keine bleibenden Schäden. Zweitens möchte ich das Signal setzen: Leute, wenn Ihr einen Rekord versuchen wollt, macht es. Aber tut es so, dass Ihr Euch nicht selbst gefährdet. Es ist wichtig, Symptome zu erkennen und zu wissen, was sie bedeuten.
Wenn du etwa beim Pinkeln gehen siehst, das ist zu dunkel, weißt du: Oh, ich trinke gerade zu wenig. Mich beruhigt es, zu wissen, das läuft soweit und es kann nichts passieren.
Mein Arzt hat auch eine Verfügung von mir. Wenn er sagt: Das ist zu gefährlich, brich ab, dann breche ich ab. Dann muss ich sogar abbrechen.
MeinMMO: Wie sehr an der Grenze bist du? Wirst du deinen Rekord nochmal brechen oder eher nicht?
Seansstream: Ich bin während des Rekords ein mal krank geworden. Da hat’s mich einmal erwischt, weil mein Immunsystem es nicht geschafft hat, gegen den Virus anzugehen. Wenn ich das abziehe, ist noch Luft nach oben. Die Grenze liegt in meinen Augen – bei 30 Tagen – bei 640 bis 650 Stunden.
Das ist das absolute Maximum. Alles was darüber hinausgeht ist … kritisch. Ich bin eh schon der Meinung, dass bei Zeiten von 20 Stunden am Tag, so etwas ohne ärztliche Aufsicht gar nicht zugelassen werden sollte.

Wichtige Vorbereitung: Weg mit der Pizza, her mit dem Salat!
MeinMMO: Wie sieht es aus mit der Ernährung? Klappt das mit dem typischen „Gamer Food“ Pizza und Energy?
Seansstream: Das letzte Mal wars extrem getaktet, als ich die sieben Tage am Stück wach war. Keine Tierprodukte, auch keine Milch und Eier oder sowas. Und auch nicht zu viel. Das kennst du ja sicher auch, wenn du zu viel isst, wirst du müde. Und das willst du ja nicht.
Bei diesem Rekord ist es etwas lockerer, weil du deinem Körper ja doch etwa mehr Auszeit gibst. Das reicht, um einige Dinge auszugleichen. Ich esse auch mal Fleisch, aber wenig Fettiges – möglichst gesund. Nur Kaffee, Tee und einige Energydrinks kommen dazu.
Mein Koffeinhaushalt ist aber zum Beispiel unfassbar niedrig. Du kannst mit einem Chat-Befehl auch immer kontrollieren, was ich so zu mir genommen habe.
MeinMMO: Du hast auch einen Drogentest gemacht – Warum? Wurde schon mal betrogen?
Seansstream: Damals musste ich das machen, weil das ein offizieller Rekord werden sollte. Heute mache ich das und es sehen ja Menschen – Hunderte! Ich komme damit klar, wenn sie sagen: Was für ein Idiot, was für ein Bekloppter.
Ich würde aber nicht verkraften, wenn da einer nachmacht und dem passiert was. Da habe ich keinen Bock drauf. Darum war von vorn herein klar: Risiko ist meine Sache, aber andere Leute anstiften ist ein ganz anderes Thema. Deswegen war mir ganz klar, dass ich einen Drogentest machen will.
Ich will ganz klar nachweisen, dass ich keine illegalen Substanzen zu mir genommen habe. Und es soll ganz genau drinstehen, wie viel Koffein oder so ich zu mir genommen habe. Darum esse ich zum Beispiel auch keine Mohnbrötchen. Das könnte was verfälschen.
MeinMMO: Also eine Art Vorbildfunktion? Wie sieht es aus mit Leuten, die das nachmachen wollen?
Seansstream: Wenn jetzt jemand kommt, der das nachmachen will, sage ich: Dann mach das mit einem Drogen-Screening. Man kann alles sicher oder gefährlich machen: Bergsteigen, Radfahren… Und wenn jemand jetzt diesen Rekord nachmachen will, sage ich: Dann mach es sicher und nicht gefährlich. Und so teuer sind die Labortests nicht.
Wie läuft so ein Twitch-Marathon eigentlich ab?
MeinMMO: Der amerikanische Streamer GiantWaffle hat den gleichen Rekordversuch gestartet – zeitgleich. Arbeitest du zufällig mit ihm zusammen am Versuch oder tretet ihr gegeneinander an?
Seansstream: Nein. Ich hätte niemals im gleichen Monat gestartet. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich das gar nicht gemacht. Wir haben es beide auch erst etwa nach der Hälfte erfahren. Wenn daraus ein Wettbewerb gemacht wird, wird es gefährlich, weil man dann immer versucht, besser zu sein und sich irgendwann übernimmt. Das ist grenzdebil, sowas zu machen – für beide Seiten.
Jetzt, nach dem Rekord, bin ich unfassbar beeindruckt von ihm. Er wusste schon vorher, dass er mich irgendwann nicht mehr einholen kann. Trotzdem hat er weitergemacht – für seine Community. Weil das ein Stream-Event für seine Leute sein sollte. Ihm war der Rekord dann auch gar nicht mehr wichtig. Davor habe ich echt Respekt.
GiantWaffle sagt selbst dazu, dass nur die Zuschauer etwas davon haben – Für die Streamer ist das eine Belastung.
MeinMMO: Wie hältst du deine Viewer bei Laune? Was bietest du, außer viel zu streamen?
Seansstream: Während des Rekords biete ich tatsächlich gar nicht so viel Content. Ich achte da mehr auf mich. Ich merke selbst, dass ich es da nicht mehr schaffe, gleichzeitig zu chatten und zu spielen. Also teile ich das auf. Es gibt Chat-Zeiten und Spiel-Zeiten. Ich habe hier jetzt glaube ich mehr „Just Chatting“-Zeiten gemacht als im ganzen Jahr zuvor. Die Stream-Unterhaltung ist aber während der Spiele-Phasen heruntergefahren. Da konzentriere ich mich darauf, das Ding durchzuziehen.
Rekorde können auch gefährlich werden
MeinMMO: Bei ähnlichen Aktionen kam es schon zu Todesfällen bei Twitch-Streamern. Wie siehst du das? Stimmt dich das nachdenklich?
Seansstream: Ich habe den Arzt nur deswegen konsultiert, eben weil mich das nachdenklich stimmt – schon beim ersten Mal, als ich 173 Stunden am Stück wach geblieben bin. Der konnte mich aber sehr weit beruhigen. Wenn du dich vorher prüfen lässt und kerngesund bist – also wirklich völlig gesund – ist die Wahrscheinlichkeit, dass wach bleiben dich tötet, sehr gering.
Außer du übertreibst, etwa mit Koffein oder Zucker. Aber lässt du das weg, überschreitest du nicht die Grenzen, legt dich dein Körper einfach pennen. Da kannst du dich wehren, so viel du willst, der legt dich hin.
Der Versuch jetzt, über einen Monat hinweg, ist aber deutlich gefährlicher, durch die Ruhezeiten, die ich habe.
Twitch-Streamer: Ich kann mir jetzt vorstellen, wie es ist, dement zu sein
MeinMMO: Also ist dieser Rekord eine viel größere Belastung?
Seansstream: Aus meiner Erfahrung und ohne medizinische Fachmeinung, ja. Das ist definitiv anstrengender. Das hier ist vergleichbar mit einem Marathon. Das andere war ein Kurzstrecken-Sprint. Jetzt muss ich mir meine Energie wirklich gut einteilen. Da musste ich wirklich schauen, wie ich schlafe und wie lang und mich erst mal darauf einstellen.
Ich kann mir hier das erste Mal vorstellen, wie es ist, dement zu werden. Du merkst, wie der Zugriff auf deine Erinnerungen oder Fähigkeiten schwierig oder unmöglich wird. Du weißt, dass du etwas weißt oder kannst, kannst das Wissen aber nicht abrufen oder in Worte fassen. Das ist echt nicht schön.
MeinMMO: Einige Kritiker behaupten: „Streamen kann ja jeder“. Könnte diesen Rekord auch „jeder“ machen?
Seansstream: Ich denke, das könnte definitiv nicht jeder, aber sehr viele. Wenn du dir einfach mal die Gastronomie ansiehst oder den Bereitschaftsdienst wie Feuerwehr und Bundeswehr – Die sind körperlich dazu vielleicht sogar noch besser in der Lage. Die kennen diese Belastung von ihrer Arbeit und können damit viel besser umgehen als ich. Es gibt also mit Sicherheit Leute, die auch diesen Rekord brechen können.
Achtung: Nicht zum Nachahmen empfohlen
Darum solltet Ihr aufpassen: Ben sieht zwar die Möglichkeit, dass andere Leute ihn übertrumpfen oder es ihm nachmachen. Dabei ist ihm aber auch die Sicherheit extrem wichtig.
Während seines Versuchs war er unter stetiger ärztlicher Aufsicht und sein Arzt durfte den Versuch jederzeit beenden. Dazu ist Ben, laut seiner Aussage, ein kerngesunder und vitaler Mensch mit einem fitten Körper.
Wir raten Euch dringend davon ab, so einen Rekordversuch selbst zu starten, besonders wenn Ihr Euch nicht zu 100% sicher seid, ob Ihr es schafft. Holt Euch auf jeden Fall ärztlichen Rat und im Zweifelsfall, lasst es sein.
Mehr zu Seansstream auf Twitch
Wer ist Seansstream überhaupt? Bljerim „Seansstream“ Bajramovik ist ein kleiner Streamer aus der deutschen Hauptstadt Berlin. Er streamt seit 2016 auf Twitch und unterhält seit einiger Zeit im Schnitt 200-300 Zuschauer.
Ursprünglich kommt Ben aus der Gastronomie. Er hat eine Lehre in der Systemgastronomie im Münsterland abgeschlossen und dort sogar seinen Betriebswirt gemacht. Da er sich das jedoch nicht auf Dauer vorstellen konnte, folgte ein Studium in der Wirtschaftsinformatik.
Zum Streamen kam er durch eine Reihe von Zufällen. Während er in seiner neuen Heimat Berlin eine Weile lang krank in der Wohnung lag, besuchte ihn seine Schwester, die damals auf Twitch gestreamt hat.
Ben hat sich die ganze Sache aus einem technischen Blickwinkel her angsehen. Damals hat der Anbieter kaum nützliche Tools für Streamer bereitgestellt. Das war eigentlich Bens Idee: Ein Tool für alles, was Streamer brauchen. Ähnlich wie Streamlabs es heute macht. Während der Recherche ist er dann aber daran hängengeblieben, selbst zu streamen.
Wie auch Ihr zum Streamer werdet, erfahrt Ihr in unserem Twitch-Guide mit Profis.
Wir sprachen auch schon mit anderen Leuten aus Deutschland, die es im Gaming-Bereich zu etwas gebracht haben:
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Ganz kurz: Hab ich das richtig verstanden?? Ist er 173 h am Stück wachgeblieben?????
In seinem ersten Rekord, ja. Im zweiten Rekord (diesem aktuellen) nicht. Da hat er 595 Stunden innerhalb eines Monats gestreamt