Opfer und Täter schildern den größten Betrug im MMORPG EVE Online – „Er war mein bester Freund im Spiel“

Opfer und Täter schildern den größten Betrug im MMORPG EVE Online – „Er war mein bester Freund im Spiel“

Im knallharten SF-MMORPG EVE Online fliegen Piloten wertvolle Schiffe und vertrauen niemandem. Doch ein Video aus dem August 2022 erzählt jetzt von einem legendären Piloten, der einem Betrüger sein wertvollstes Schiff anvertraute. Das Überraschende: Diese eine Geschichte im sonst so herzlosen MMORPG EVE Online hat tatsächlich ein Happy End.

Was ist das für ein Video?

  • Die Seite PCGamer hat ein 16-minütiges Video erstellt, in dem die Beteiligten auf einen legendären Raub im Jahr 2017 zurückblicken. Sie beschreiben im Detail, wie es zu dem Betrug kam, warum sie damals so handelten, wie sie handelten, und wie sie das heute sehen (via PCGamer).
  • Betrügereien gehören in EVE dazu: Die Weltraumsimulation tut nichts, um Spieler vor Betrügern zu schützen. Ganz im Gegenteil: Ein cleverer Betrug ist etwas, dass man in EVE respektiert und in Ehren hält. Viele Geschichten ranken sich um legendäre Vorfälle von Betrug und Verrat. Aber dass bei dem großen Scam von 2017 einiges anders war, sah man schon damals. Denn der Betrug erstreckte sich über 16 Monate und tat, am Ende, sogar dem Betrüger leid.
  • Der Betrüger selbst schrieb damals über den Vorfall auf reddit einen Beitrag: „Der 300 Milliarden ISK-Raub, von dem ich fast wünschte, ich hätte ihn nie begangen.“
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Pilot und sein einzigartiges Raumschiff werden in EVE Online zu Legenden

Um was drehte sich der Betrug? Bei EVE Online fliegt der berühmte Pilote TikkTokk Tokkzikk: Er hatte sich nach Jahren des Spielens seinen Traum erfüllt und sich ein extrem seltenes Schiff gekauft, eine „Chremoas Fregatte“: eine besondere Belohnung für das Event “Alliance Tournament XI” aus dem Jahr 2013, die es daher nur in limitierter Zahl in EVE Online gab.

Das Schiff ist mit einer Tarnvorrichtung auf „Kleingruppen-PvP“ ausgelegt und eigentlich total overpowered, wie selbst die EVE-Entwickler einräumen.

Normalerweise ist so ein Schiff derart wertvoll, dass es kaum eingesetzt wird: Denn bei jedem Kampf besteht das Risiko, dass das Schiff für immer zerstört wird.

Aber TikkTokk war ein so guter Spieler und konnte die Risiken vor jedem Kampf so gut abschätzen, dass er 400 Kills sammelte, die sich auf seinem Schiff als Markierungen widerspiegelten. Er sammelte die Kills, ohne dass das Schiff verloren ging. Seine Chremoas wurde legendär.

eve-chermoas
Das Raumschiff an sich ist schon wertvoll – aber mit 400 Killmarken wurde es einzigartig im Universum von EVE Online.

Was war der Betrug? Ein Spieler unterwanderte mit dem Charakter „Samantha Myth“ die Gruppe des Piloten, die Amamake Police, und wurde Teil der Elite PvP-Einheit. Das ist schon deshalb ungewöhnlich, weil die Elite PVP-Einheit niemanden einfach so reinlässt und jeder Elite-Spieler in EVE notorisch paranoid ist.

Im Video sagt Samantha Myth denn auch, das Schwierige war, überhaupt in die Gruppe reinzukommen. Denn es hätte für zu viel Misstrauen gesorgt, wenn er aktiv die Nähe zu der eingeschworenen Gruppe an Piloten gesucht hätte, zu der TikkTokk gehört. Also hing er lange Zeit nur passiv rum und hoffte darauf, von einem der Mitglieder der Amamake Police angesprochen zu werden. Das geschah dann letztlich.

Ein Freund von TikkTokk, Casper24, lud ihn ein:

Ich traf Samantha Myth in einem Ingame-Channel, wo er ein paar ziemlich coole Kills gelinkt hat, auf die man klicken kann und dann sieht man, welches Schiff er genutzt und was er gekillt hat. Und ich dachte so: Okay, der sieht wie ein super-netter Typ aus und so haben wir ihn eingeladen, mit uns zu fliegen. Über diese Art des natürlichen Treffens entscheiden wir, wer mit uns fliegt. Wir wollen ja nicht reingelegt werden.

Casper24

TikkTokk sagt: Weil Casper mit dem “Neuen” flog, ging er davon aus, dass Samantha Myth schon in Ordnung ist – immerhin war das jetzt ein Freund seines Freundes.

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Betrüger wird über 18 Monate zum besten Freund des späteren Opfers

Über 18 Monate erschlich Samantha Myth sich nun das Vertrauen von TikkTokk, wurde sein Kamerad im Spiel und sein Freund. Seine Taktik war dabei, ein „solider, zuverlässiger Spieler zu sein“, der immer ansprechbar war und für jeden Einsatz zu haben.

Um den Betrug vorzubereiten, kaufte sich Samantha Myth für viele ISK, die Ingame-Währung, sogar ein eigenes teures Schiff, eine “Whiplash”, und begann dann dieses Schiff an Mitglieder der Crew kostenlos zu verleihen.

Indem er dieses „Flieg doch diese Woche mal mein Schiff“-Ding in die Gruppe brachte, etablierte er eine neue Gepflogenheit, wie er sagt.

Nach 18 Monaten war es dann so weit, dass ihm TikkTokk sein eigenes Schiff anvertraute. Zu dem Zeitpunkt war es zur Normalität geworden, die wertvollsten Besitztümer der Freunde zu fliegen und seine eigenen zu verleihen.

Auch in anderen MMORPGs wie WoW gibt es legendäre Geschichten:

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Pilot erfährt aus dem Forum, dass er über Monate betrogen wurde, ist bitter enttäuscht

So erfuhr TikkTokk vom Betrug: Der Pilot wachte eines Morgens auf und dachte, alles sei in bester Ordnung: In einigen Tagen würde ihm sein Freund das Schiff ja zurückgeben, doch Freunde alarmierten ihn, er solle unbedingt ins Forum reddit schauen.

So las TikkTokk auf reddit von dem Betrug, dem er aufgesessen war. Er wusste sofort: Das ist echt, ich wurde von einem Freund hintergangen. Sogar von seinem “besten Freund im Spiel”, wie er im Video sagt.

TikkTokk schrieb damals auf reddit: Noch schlimmer, als der Verlust des Schiffes, wiege der Verlust der Freundschaft. Denn der Betrüger war in den letzten anderthalb Jahren zu seinem besten Freund im Spiel geworden. Ja, mehr noch – die Spielweise, mit Samantha Myth an seiner Seite zu fliegen, war für ihn zu EVE Online geworden.

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Der Spieler hinter Samantha Myth tritt bis heute nur in seinem Spiel-Charakter auf und bleibt anonym.

Heute erklärt TikkTokk im Video: Nach dem Betrug dachte er ernsthaft darüber nach, alles hinzuwerfen und das MMORPG zu verlassen. Er zweifelte 2017 an allem:

  • Hatte der Freund ihn 18 Monate lang belogen?
  • War nichts echt, war alles nur gespielt?

Er fürchtete sogar, dass dieser Verrat verändern könnte, wer er überhaupt ist. Denn bis dahin war er ein vertrauensvoller Mensch gewesen. Der Verrat ließ ihn an seinen eigenen Überzeugungen zweifeln.

Hier seht ihr das komplette Video von PC Gamer zum Betrug in EVE Online:

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Betrüger gibt dem Opfer das Geld zurück, um sich sein Schiff wiederzuholen

So ging die Geschichte aus: Das Besondere an der Geschichte ist, dass die Enttäuschung von Tikktokk, einen Freund verloren zu haben, so ehrlich und authentisch war, dass die sonst mitleidslose Community des MMORPGs sich auf seine Seite schlug.

Normalerweise gilt in EVE „Der Ehrliche ist der Dumme – und der Betrüger der Held“, aber nun sah man TikkTokk als den eigentlichen Sieger der Herzen.

Auch den Betrüger rührten die Worte des Opfers. Letztlich wendete sich der Betrüger an TikkTokk und gab seinem früheren Freund das Geld zurück, das er für den Verkauf des Schiffs bekommen hatte und TikkTokk konnte sich sein geliebtes Schiff zurückkaufen.

Nachdem ich 2 Wochen mit Samantha Myth auf Skype gesprochen hatte, fragte er mich, ob er irgendwas machen kann, um unsere Freundschaft zu reparieren. Ich sagte ihm, dass ich nur meine Chremoas zurückwollte und wenn er dabei helfen konnte, würde ich keine schlechten Gefühle mehr ihm gegenüber hegen. Dann hat er mir 120 Milliarden ISK geschickt, die Summe, die er für den Verkauf des Schiffs erhalten hat.

TikkTokk

So sehen Opfer und Täter das heute: Der Betrüger sagte, letztlich wollte er nur zeigen, dass er den Betrug durchziehen kann, um das Geld ging es ihm gar nicht:

Als alles rum war, sagte ich so: Hey, lass uns cool damit umgehen. Du musst verstehen, dass ich das nicht für das Geld gemacht habe oder um ein Arsch zu sein. Ich hab das nur gemacht, um zu beweisen, dass ich es kann.

Samantha Myth

TikkTokk sagt heute: Er wusste eigentlich immer, dass der Tag kommt, an dem er das Schiff verlieren würde.

Womit er nicht gerechnet habe, war aber die enorme Unterstützung von Menschen, die mit ihm mitfühlten. Letztlich könne man wohl nie sagen, wie sich Leute verhalten würde. Heute ist er fast dankbar, dass er damals betrogen wurde, denn es habe ihm erst klar gemacht, wie viele Leute im Spiel sich um sein Wohlbefinden sorgen.

An den Betrüger gewandt, sagt er: „Wenn wir uns jemals im richtigen Leben treffen, schuldest du mir ein Bier.“

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Keicho2

Deswegen traue ich niemanden im Spiel egal wie lang ich den kenn

Zuletzt bearbeitet vor 1 Jahr von Keicho2
DJ

Schöne PR Geschichte um dieses eine Schiff ! Mehr ist das nicht so kann man Leute auch Anlocken. 😄

Timeless

Einfach ein tolles Spiel, wo man jeder Zeit betrogen, bestohlen und getrollt wird.
Was ein herrliches Umfeld, da hat man richtig Lust einzutauchen.

Aber mal ernsthaft…Warum sollte man sowas spielen…wo man sich brüstet anderen Leuten durch erschleichen von Freundschaft/Loyalität alles zu klauen, nur um dann gefeiert zu werden, das man jemanden was er über Jahre erspielt hat weggenommen hat.

Das zieht ja neue Leute magisch an, das man jederzeit alles verliert,was man sich hart erarbeitet hat,weil sich ein Betrüger als vertrauensvoll ausgibt und sowas auch noch gefeiert wird.

Einer super Community *hust*

Bisschen zu viel kriminelle Energie in EVE.

Minihulk

In EVE wird man halt betrogen, bestohlen und abgeschossen aber man gewinnt auch Freunde.
ich spiele es jetzt seit 6 Jahren ohne Pause und ja es schwierig weil es sehr umfangreich ist. Besonders für Anfänger!
in EVE kommt auch sehr viel persönliches rein was das Spiel sehr interessant macht, siehe wwb III oder jetzt der Wechsel bei der goonsführung.
ich wurde auch schon abgezogen bei einer wertvollen Capital bpo die ich lange erforscht hatte aber shit Happens, aus Fehlern lernt man und ja man wird leicht paranoid!
Freundschaften sind auch entstanden, ich glaub das ist in jedem Spiel so was man intensiv spielt!

gruss

Marcel

Wie schon gesagt wurde sind die Stories um Eve Online immer wieder interessant und fesselnd zu lesen. Es selbst über längeren Zeitraum spielen, könnte ich aber nicht.

Hab es einmal eine Weile gespielt und das ganze komplexe System gefällt mir zwar, aber die Community ist einfach das letzte, was ich in einen MMO begegnen möchte.

Wird man nicht dauerhaft abgeschossen, wird man halt verarscht und betrogen.
Und hier liest man ja, das selbst In größeren anscheinend guten Gilden ( Komme nicht darauf wie das da heißt) man davor nicht geschützt ist. Obwohl das ja von vielen immer wieder empfohlen wird…

Zuletzt bearbeitet vor 1 Jahr von Marcel
Steelfish

Die Geschichten aus eve lesen sich immer super und wenn ich das Spiel dann sehe weiß ich wieder warum ich es nie angefangen habe.

p.s. Vielleicht mal beim nächsten mal nochmal drüber lesen oder ne Rechtschreibprüfung drüber laufen lassen. Da sind mal locker 4-5 (Tipp-) Fehler drin. Sowas sollte im professionellen Umfeld eigentlich nicht passieren denke ich…

N0ma

Das einzige epische MMO.
Zum Fall selbst, einmal betrogen, kann man nicht mehr vertrauen.

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