Das koreanische Kino hat sich von einem Geheimtipp zu einem bekannten Kinoland gemausert. Das lag vor allem an Parasite. Boon Joon-ho hatte aber auch vor dem Film schon Meisterwerke abgeliefert. Einer davon ist Memories of Murder, den euch MeinMMO-Redakteur Nikolas Hernes nur ans Herz legen kann.
Worum geht es in Memories of Murder? In einem kleinen koreanischen Dorf 1986 werden Frauen ermordet aufgefunden. 3 Ermittler müssen sich dem Fall widmen, der so in der koreanischen Geschichte unvergleichbar war. Die Ermittler untereinander haben auch verschiedene Ansätze, den Fall zu lösen.
2003 erschien der Film und war erst der zweite Film des heute oscarprämierten Regisseurs Bong Joon-ho, der 2019 mit Parasite seinen großen internationalen Erfolg feierte. MeinMMO-Redakteur Nikolas Hernes findet Memories of Murder noch besser als Parasite. Das liegt auch an der wahren Geschichte hinter dem Film.
Memories of Murder könnt ihr bei Apple TV oder Amazon Prime im Stream kaufen oder leihen. Wer einen Bibliotheks-Ausweis hat, kann sich den Film kostenlos bei filmfriend anschauen.
Der Film gehört zu den besten koreanischen Filmen aller Zeiten: Das sind die 7 besten koreanischen Filme aller Zeiten via IMDb
Ein unvergleichlicher Thriller
Was macht Memories of Murder so besonders? Der Film ist anders als jeder andere Thriller, den ich gesehen habe. Das liegt vor allem am Ort und der Zeit. Südkorea war in den 1986 technologisch bei der Polizei noch nicht so fortgeschritten, wie man das aus amerikanischen Thrillern kennt.
Im Film sieht man die kaum vorhandene Professionalität auf den Tatorten und auch wie versucht wird, den Fall zu lösen. Das ist aber nicht nur ein Zeichen von Faulheit und bewusst schlechtem Verhalten. Solch einen Fall gab es in Korea vorher einfach nicht. Im Film sieht man die Limitationen und die Fehler, die gemacht werden.
Das wird von den Schauspielern auch fantastisch verkörpert. Song Kang-ho spielt die Hauptrolle, zusammen mit Kim Sang-kyung. Song spielt den Provinz-Ermittler, der den Fall schnell lösen möchte, auch wenn die Beweise oft gegen seine Verdächtigen sprechen. Kim spielt den studierten Profi aus der Hauptstadt.
Im Verlauf des Films streiten sich beide oft auch auf humorvolle Art und Weise, doch je länger der Film dauert, desto mehr merkt man, wie die Verzweiflung der beiden wächst. Der Druck wird immer größer, doch man kann den Täter einfach nicht fassen.
Ein Satz hat sich bei mir im Kopf eingenistet, der den Moment zeigt, als der arrogante Provinzdetektiv völlig verzweifelt ist. Er fragt den Ermittler aus Seoul: Siehst du so was wie das hier oft in Seoul?
Dabei schaut Song ihn mit traurigen Augen an. Das ist ein unscheinbarer Moment, der aber genau zeigt, wie schwer die Situation ist.
Ein Film, der im Gedächtnis bleibt
Was macht diesen Film besonders? Am ehesten lässt sich der Film mit Zodiac oder True Detective vergleichen. Die Atmosphäre ist oft drückend und frustrierend, weil sich viele Taten der Ermittler als nutzlos erweisen. Jede Hoffnung wird letztendlich zerstört.
Das, was dieser Film besonders gut macht, ist die Wahl der Tonalität. Es ist nicht immer alles traurig oder dramatisch. Es gibt auch lustige Szenen, die aber dafür sorgen, dass sich die tragischen Szenen noch härter anfühlen. Das ist ein Merkmal, das viele koreanische Filme, wie auch Parasite schaffen.
Der Film ist auch richtig schön gedreht. Oft gibt es weite Einstellungen mit einzelnen Figuren. Dramatische Bilder, die sich ins Gedächtnis brennen. Das alles wird vom fantastischen Soundtrack unterstützt.
Noch intensiver wird Memories of Murder nur, wenn man sich die wahre Geschichte des Films anschaut.
Ein wahrer tragischer Fall
Worauf basiert der Film? Memories of Murder basiert auf den Hwaseong-Morden, die wirklich zwischen 1986 und 1991 passiert sind. Wie The Korean Herald berichtete, war es damals aufgrund vieler Fehler und der technischen Limitation nicht möglich, den Täter zu fangen. Das Schockierende für die koreanische Bevölkerung war die Brutalität der Morde und der Frust, dass die Ermittlungen nicht funktionieren.
Man konnte damals einen Zeugen und Proben des Täters finden, wie Fingerabdrücke und Haare und sogar eine Beschreibung vom Täter existierte. Aber das führte zu nichts. Eine DNA-Analyse war damals noch nicht möglich, nur wenige westliche Länder nutzten diese Technik.
Auch die Ermittlungsmethoden gerieten in die Kritik, da Verdächtigte aussagten, sie seien gefoltert worden. Der gescheiterte Fall zeigte dem Land, wie schlecht es um die Ermittlungsmethoden des Landes steht.
Obwohl der Film 2003 den Fall nochmal aufrollen konnte, brachte auch das nichts. 2006 verjährten die Morde. 2019, zum Release von Parasite, konnte man die Morde endlich lösen. Durch eine moderne DNA-Technologie konnte man herausfinden, dass Lee Chun-jae der Mörder war.
Er saß zu der Zeit schon lebenslänglich im Gefängnis und gab die Taten auch zu. Seine Blutgruppe war anders als gedacht. Hätte man damals die richtige Blutgruppe herausgefunden, hätte man ihn früher fangen können und unschuldige Menschen wären nicht von der Polizei gefoltert oder sogar ins Gefängnis gebracht worden.
Memories of Murder hat alle die echten Aspekte in den Film hereingebracht. Es ist frustrierend, das alles mit anzusehen, aber auch faszinierend. Schon 2003 zeigte Bong Joon-ho, dass er einer der großen Regisseure ist. Einen seichteren Action-Film aus Südkorea findet ihr hier: Dieser koreanische Action-Star verteilt Backpfeifen wie Bud Spencer – Den Film könnt ihr im Prime-Abo schauen
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Ich bin ein Riesen-Fan von Memories of Murder. Ich hab das vor Jahren mal entdeckt und für mich hat der Film einen extremen Friedrich-Dürrenmatt-Vibe – genau wie Parasite.
Ich hab das Gefühl, wenn Dürrenmatt heute noch leben würde und Koreaner wäre – würde er so Stoffe machen. Das ist unglaublich dicht und dabei wirkt es gar nicht so, aber erzählerisch ist das wahnsinnig verdichtet und hat viele erzählerische Ebenen, ohne dass es überladen wirkt. Ganz toll.
Ich hab mir in der Phase auch andere Sachen aus Korea angeschaut – da fällt qualitativ vieles schon stark ab. Die Filme sind dann brutal und krass, ja – aber nicht sonderlich clever.
Der Bong Joon-ho ist schon eine Ausnahme-Erscheinung. Man kann nicht sagen: Koreanisches Kino ist toll, sondern es ist halt wirklich dieser eine Typ, mit großartigen Schauspielern und einem fantastischen Sinn fürs Erzählen.
Auch “The Host” ist so ein toller und ungewöhnlicher Film. Der ist für mich wie Tarantino – einfach eine Ausnahmeerscheinung, erzählerisch wirklich ein Ausnahmetalent.
So langsam fragt man sich wieso die Südkoreaner beim Film soviel besser sind als Deutschland. Ich guck auch immer mehr koreanische. Manchmal sinds auch Kopien wie bei Haus des Geldes, aber auf koreanisch, nicht 1:1.
Ich finde das auch echt faszinierend. Die haben auch gar nicht so eine lange Filmhistorie wie andere Länder und dadurch vermutlich einen anderen Blick auf Filme und Serien.Die können ja auch gefühlt jedes Genre mittlerweile.
Möglicherweise weil die einfach machen, egal wie dämlich das erstmal klingt. Beispiel der Film wo man sich selbst in der Zukunft gesehen hat auf nem Monitor.