Der brasilianische Präsident Luiz Inácio “Lula” da Silva sprach auf einer Konferenz über die Sicherheit an Schulen. In seiner Rede stellte er einen Zusammenhang zwischen gewalttätigen Videospielen und Kriminalität her.
Was ist das für eine Debatte? Spiele mit gewalttätigen Inhalten, oft abwertend als “Killerspiele” bezeichnet, stehen nach wie vor im Ruf, auch Gewalt im echten Leben auszulösen. Einen wissenschaftlichen Beweis für einen solchen Zusammenhang gibt es allerdings nicht.
Dennoch gibt es immer wieder Berichte, in denen etwa das kunterbunte Battle Royale Fortnite als wildes Gemetzel dargestellt wird. Das Vorurteil gegen solche Spiele kann sich auch auf einzelne Menschen auswirken.
So etwa im Fall des “Angry German Kid”, dessen vermeintlich lustiges Video ihn plötzlich über Jahre zum Gesicht Killerspiel-süchtiger Jugendlicher in Deutschland machte.
Zu viel Gewalt und zu wenig Liebe in Videospielen
Was sagte der Präsident? Nachdem andere Redner knapp zweieinhalb Stunden lang die Problematik der Sicherheit an Schulen erörtert hatten, ergriff Lula da Silva das Wort. Seiner Meinung nach würden erhöhte Sicherheitsmaßnahmen an Schulen allein das Problem nicht lösen.
Viel mehr müsste die Ursache für Gewalt unter jungen Menschen angegangen werden und die sieht der Präsident Zuhause: beim Verhalten der Eltern und bei Videospielen mit gewalttätigen Inhalten.
Lula da Silva kritisiert, dass bereits sehr junge Kinder an Videospiele herangeführt und diese die falschen Werte vermitteln würden:
Wenn ein vierjähriges Kind weint, was tut man dann? Man gibt ihm sofort ein Tablet zum Spielen. Man bringt ihm sehr früh bei, Videospiele zu spielen. Es gibt keine Spiele, die über Liebe sprechen. Es gibt keine Spiele, die über Bildung sprechen. Games bringen Kindern bei, zu töten.
Präsident Lula da Silva via 3D Juegos
Auch die Zeit, die Kinder mit Videospielen verbringen, bereitet dem Präsidenten Sorge: Ausnahmen gebe es zwar, doch kaum ein Kind zwischen 8 und 12 Jahren würde seine Zeit nicht mit diesem “Müll” verbringen. Das Resultat sei schließlich Gewalt unter Kindern.
In Brasilien fordern manche, 30 Tage Verbot für Spiele mit Gewalt
Was steckt hinter diesen Aussagen? Die Ansprache von da Silva geschah vor dem Hintergrund einer Reihe gewalttätiger Angriffe auf Bildungseinrichtungen in Brasilien.
Der Abgeordnete Marcos “Zé Trovão” Pereira Gomes hatte bereits nach einer Gewalttat in einer Kindertagesstätte Anfang April gefordert, Videospiele für 30 Tage zu verbieten, die “zu Gewalt auffordern” würden. Der Täter soll sich im Chat eines solchen Spieles mit anderen ausgetauscht haben.
Diese Argumentation scheint zyklisch immer wieder aufzutauchen. Nach dem Amoklauf eines 18-Jährigen an einer Schule im niedersächsischen Emsdetten 2010 gab es eine nahezu identische Aussage des CSU-Politikers Edmund Stoiber: “[Killerspiele] animieren Jugendliche, andere Menschen zu töten.” (via sz.de)
Die Frage, ob Videospiele Gewalt auslösen, ist in Deutschland bereits seit den frühen 2000er-Jahren ein Thema. Nach den Vorfällen der Silvesternacht 2022, bei der es in mehreren deutschen Städten zu Ausschreitungen gekommen war, wurde die Debatte auch hierzulande neu belebt:
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Naja man ist die kurzsichtigen Argumente gewohnt von leuten mit zuviel Macht und zu wenig bezug zur Realität
Achja alte weiße Männer halt.
Aha. Zum einen bezweifle ich sehr stark, dass das typische Durchschnittskind in Brasilien…
…einem Land, welches nicht nur extrem davon betroffen ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich enorm ist (vlt. mal Caritas oder Weltbank Reports lesen Herr da Silva, 29,4% der Bevölkerung leiden in deinem Land unter Armut, auf die Gesamtbevölkerung gerechnet sogar 5,4% in extremer Armut), einem Land , welches einen der höchsten Gini Koeffizienten besitzt, einem Land, welches einen immer noch in höchstem Maße großgrunddominierten und -orientierten Staatsapparat besitzt (verstehe schon; da bleibt natürlich kein Geld für Sozial- oder Bildungsprogramme. Uebrigens, kleine amüsante Randnotiz: Brasilien liegt auf Platz 91 von 120 – absteigende Wertung = korrupt – der internationalen Korruptionsrangliste; Deutschland auf Platz 9. Sage also noch mal einer, es gäbe keine Korruption in Deutschland😂), und und und…
…oder dessen Eltern sich lockerflockig Tablets und Co. leisten können, und
…zum Anderen ist es IMMER in der Verantwortung der Eltern, des sozialen Umfeldes, etc. den moralischen und ethischen Kompass des Nachwuchses zu eichen. Und ggf., so man es sich denn leisten kann, den Umgang mit technischen Medien verantwortungsvoll und bewusst zu lehren (So schwer das auch in Zeiten sein mag, in denen so Mancher sein halbgares Wissen aus 20sek. Dämel-Spots, belanglosem Kalendersprüche-Blablabla vermeintlicher Fachleute des WWW,, sog. Beeinflussern, die gerade mal die präpubertäre Calimero-Eierschale durchstossen haben, usw. generiert)
Für mich sind nicht Spiele schuld, dass Gesellschaften verrohen oder sozialkompetent verblöden, sondern die Gesellschaft.
Und ganz ehrlich, wenn ich mir so anschaue, wie mittlerweile auch bei uns (durch die Homeschooling bzw. Coronazeiten noch massiv verstärkt) viele Eltern den Nachwuchs verstärkt vor den Daddelkisten parken, weil sie gar keinen Bock haben, sich intensiv mit ihren Kindern auseinanderzusetzen (ist ja auch anstrengend…ich weiß das aus eigener Erfahrung), sollten viele von/bei uns den mahnenden Moral-Zeigefinger, mit dem sie auf andere zeigen, mal ganz schnell wieder verschwinden lassen.
Weiß ich nicht ob das wirklich so hin haut.
Laut einem Artikel von 2015 hieß es:
Im Artikel geht es zwar darum dass die Zahlen für Tablets zurück gehen, aber der Grund hier eher das immer stärkere Interesse an Smartphones übergeht.
Tablets und Smartphones gibt es in allen Preisklassen. Ich denke mal schon, dass der Großteil der brasilianischen Bevölkerung mobil vernetzt ist.
Fälle wo sich Familien tatsächlich kein Tablet/Smartphone leisten können, gibt es wahrscheinlich in allen Ländern.
Danke für den netten Hinweis. Erstaunlich.
Schmälert dennoch nicht den Kern meines eigentlichen Kommentar-Anliegens; des gefühlt zunehmenden Versagen der Gesellschaft hinsichtlich moralischer und ethischer Werte bzw. die Frage der Verantwortung. Dies nur auf Spiele oder mediale Beschallung zu schieben, ist kurzsichtig und fadenscheinig.
Vlt. sind Oberflächlichkeit und Desinteresse (an gesellschaftspolitischen Themen trotz unverkennbarer Signale, auf was wir zusteuern) aber auch die heutigen Werte.
Oder meine ganz eigene pragmatisch kritische Sicht auf die Dinge. Tja, wer weiß das schon?!
Ich hab eh nur noch wenige Jahrzehnte auf der Kugel zu wandern, so bekomme ich hoffentlich nicht mit, dass sich Dinge erst ändern, wenn man mit dem Rücken an der Wand steht. 😉
Ich bin mir absolut sicher, dass Spiele wie Mineirinho zur Gewalt an brasilianischen Schulen beitragen.
Man sollte dabei berücksichtigen das in einigen Spielen tatsächlich die Gewalt als einzige Lösung dargestellt wird. Sozusagen “töten als Lösung aller Probleme”.
Natürlich sind Spiele und Filme häufig Fiktion und nicht realistisch, aber nicht alle Menschen reagieren gleich auf den Inhalt. Kommen dabei soziale Probleme hinzu (Armut, Diskriminierung, Gewalt allgemein usw.) kann das zu einer gefährlichen Mischung werden.
Ich schreibe und kritisiere das schon seit Jahren das man in Spielen auch alternative Konfliktlösungen einbauen sollte. Etwa einen Oberbösewicht lebend gefangen nehmen und diesen einem Gericht zu überführen (damit die Konsequenzen veranschaulicht werden).
Auch können Monster mal vertrieben oder wie in Witcher neben den Menschen leben ohne das diese zur dauerhaften Zielscheibe der Gewalt werden.
Ich habe nichts gegen Gewalt, aber wenn “töten der einzige Ausweg ist” und das auf dauer so praktiziert wird… es stumpft zu sehr ab.
Danke für den Kommentar. Du bringst genau das zum Ausdruck, was ich mir auch denke.
Yep, schöner Kommentar. Schließe mich dem an. Spiele gerne Monster Hunter und selbst da, töte ich digital nur wenn mir das Spiel es nicht anders erlaubt, werde immer nur die Monster fangen.
In einem Ocarina of Time wird Ganondorf verbannt – auch ne schöne Lösung.
ALLE MMORPG zb haben immer noch: Da vorne ist böses Monster, geh und töte es.
Es macht nichts, läuft auf dem Feld auf und ab, sieht sogar niedlich aus.
Egal! Töte und level!
Ich mag spiele wo ich töten muss um mich zu verteidigen, nicht um eine *Level* aufzusteigen.
Ich kam mir immer total bescheuert vor, aber auf mich wirkt das auch super abschreckend, wenn meine erste Aufgabe daraus besteht, unschuldige Tierchen zu massakriert.
Ich muss aber sagen, dass mich selbst bei Pokémon und seinen Klonen ein dezent schlechtes Gewissen beschleicht, wenn ich die wilden Kreaturen bewusstlos irgendwo In der Pampa zurück lasse 😀
Da ist einer dem Putin wohl zu tief in den Hintern gekrochen und muss die Sch**sse loswerden?
Selbst kriminell und schwurbelt vor sich hin. Abholzernaro war leider auch nicht besser. Armes Land und bedenkliche pre 3rd WW Zeiten.
Zu dem Thema kann man nur die “Ferngespräch”-Folge KILLERSPIELE empfehlen.
Hoffe, ich darf das hier verlinken.
Nö. Das Problem ist Armut verursacht durch unfähige und korrupte Politiker.
Die Geschichte zeigt, dass niemand soviele Menschen in Krieg und Tod getrieben hat wie Politiker und Könige.
Eine Ursache von Gewalt? Die Lügen der Politiker! Ganz einfach.
Vielleicht sollten Politiker, die Lügen, einmal 30 Tage Rede Verbot erhalten. Wäre wirklich sinnvoll.
Ja Spiele sind schuld lol. Armut, Korruption , Rassismus, Diskriminierung in Favelas sind nicht schuld….
Bei Lula jagt eine becknackte Aussage die nächste, zum Glück nicht mein Präsident. Er ist zwar irgendwie besser als Bolsonaro, aber nicht besonders viel.
Wenn man es sich einfach machen möchte und einen Grund für so vieles was da falsch läuft sucht, dann kommt so ein Blödsinn zustande. Wenn man keine Änderung möchte, sollte man so weiter reden
Ansich guter Artikel, hätte mir nur gewünscht das hier vielleicht auf Studien etc. hingewiesen wird, die das Thema (Computerspiele/Egoshooter und die Auswirkungen auf Körper und Geist) Wissenschaftlich unter die Lupe nehmen und solche Aussagen, von den Mainstream Medien und Politikern als den Blödsinn entlarven, der er ist.
Vielleicht wäre auch ein Special “Warum Computerspiele nicht die Wurzel des Uebels sind!”, so eine Art Diss. (auf respektvoller Weise natürlich, mit gegen Argumenten zu den größten Mythen) der Medien/Politiker und deren verblendeten Ansichten zu einem Thema, das sie einfach nicht verstehen wollen oder können, eine Idee ?!
Getreu dem Motto.
Das Internet ist Neuland – Angela Merkel 2013
Danke für deinen Kommentar 🙂
Ich würde das Thema ungern in ein paar Links abhandeln und sagen, das sei jetzt der wissenschaftliche Konsens. Ein längeres Special fände ich da tatsächlich eher interessant.
Ah shit here we go again.
Immer noch besser als Bolsonaro schätze ich.
Kinder suchen sich Vorbilder um deren Verhalten abzuschauen.
Ein Spiel an sich kann kein Vorbild sein, das kann nur eine Person.
Diese könnte fiktiv sein, wie zum Beispiel Anti-Helden in Filmen oder diese pistolenwedelnden, frauenverachtenden Gangster im Musikvideo.
In Spielen kommen so detailierte Charaktere aber eher selten vor, schon gar nicht in rein competetiven Shootern.
Wieder einmal wird also “in die falsche Richtung geschossen”. -_-
natürliche kann eine fiktive figur ein vorbild sein
Ich danke dir für die Bestätigung. 👍
irgendwer muss es ja tun
Sag mir dass du nie Videospiele gespielt hast ohne zu sagen dass du dies noch nie getan hast. Absolut lächerlich, diese Argumentation.
Ja, der Klassiker. Ich hab beim Lesen das Zucken bekommen. Leider bringt es auch nichts, solchen Leuten Gegenbeispiele zu zeigen. Hier wird schnell ein Sündenbock benötigt, damit man sich mit den tatsächlichen Ursachen der Kriminalität nicht beschäftigen muss, also müssen mal wieder Games herhalten.
Des machen doch alle Politiker so auf der ganzen Welt. Auch unsere Politiker sind da nicht besser. Um Dinge durchzusetzen sind keine Moralischen Grenzen gesetzt.
Und wenn es ums Geld geht erst Recht nicht.
Mein inneres Ich schreit gerade auch innerlich mit Gegenbeispielen. Ich meine LiS, The Witcher, die Sims oder auch das klassische Mario. Selbst idioische Beispiele, wie das “Fun”-Games “Sven Bømwøllen”. 😅