WildStar hat knapp zwei Monate nach dem Release an den Auswirkungen einiger Design-Entscheidungen zu knabbern. Wie viele Spieler sehen den Raid-Content wirklich, in den so viel Arbeit wandert?
Um das Problem von WildStar zu beleuchten, machen wir einen kurzen Ausflug in die tiefste nur vorstellbare Vergangenheit, praktisch ins analoge Zeitalter. Zurück in eine Zeit, als wir ewig kein Fußballweltmeister mehr waren und unsere Nationalspieler Odonkor und Neuville hießen und nicht Müller und Neuer. In eine Zeit, in der Naxxramas die härteste Instanz in MMOs überhaupt und keine simple Kartenspielerweiterung für 18 Euro war. Eine Zeit, in der Raiden noch was für echte Kerle und Kerlinnen war: Zurück ins Jahr 2006 also.
Das WoW-Problem: Jeder kann raiden
Am Ende von Vanilla-World-of-Warcraft, im Juni 2006, führte Blizzard mit Naxxramas einen Raid ein, auf den die Designer wahnsinnig stolz waren, wie man heraushörte. Nur sah ihn kaum wer.
Die Eintrittshürden waren zu hoch, die Zeit bis zum Add-On zu kurz. Die Spieler mussten die Raids vorher alle bewältigt haben, um die harten Gear-Checks zu bestehen, eine Zugangsquests legte man bei Blizzard gratis mit drauf: Außerdem waren die Anforderungen in der Nekropole selbst riesig. Raid-Gilden zerbrachen, weil man für einen Boss auf einmal acht Tanks statt vieren brauchte. Daher wechselten Main-Tanks Gilde und Server, um nur für diesen Boss die fünfte, sechste, siebte oder achte Tankgeige in einer Progress-Gilde zu spielen.
Wer es überlebte, sprach vom härtesten Raid aller Zeiten. Er redete von Naxxramas wie ein Veteran von einem Schlachtfeld, auf dem er zwar zum Mann geworden war, aber auch einen Großteil seiner Freunde verloren hatte.
Es war für Blizzard und die Spieler ein einschneidendes Erlebnis. Zwar hielt man zu Beginn der Erweiterung „The Burning Crusade“ noch an den Design-Entscheidungen fest, doch spätestens zum Ende der Erweiterung gab man sie nach und nach auf, schaffte aufwändige Zugangs-Quests ab und führte Mechanismen ein, durch die Spieler leichter einen Equip-Rückstand aufholen konnten.
Ein paar Jahre später war das Raiden in World of Warcraft in einigen Modi kaum mehr als ein Sommerspaziergang. Alle vier Monate wurde das vorher schwer erkämpfte Gear deutlich leichter erhältlich und in regelmäßigem Abstand wurde den Bosse in den Raids die Zähne gezogen. Sie wurden generft, die Spieler mit Bonus-Gear gestärkt. Wo früher 40 Spieler zu Werke gingen, sind heute noch 10 geblieben.
Blizzard hatte seine Entscheidung getroffen: Content, den man mit viel Mühe und Hingabe schuf, sollte auch von jedem Spieler zu sehen sein. Und wenn es nur die Mickey-Mouse-Version davon war.
Das WildStar-Problem: Kaum jemand kann raiden
In der Folge von Blizzards Entscheidung, das Raiden zu entwerten oder, um es freundlich zu sagen, es mehr Spielern zugänglich zu machen, wandten sich viele Veteranen vom ganzen Raid-Geschäft ab. Sie beklagten, es sei zu „casual“ geworden, der Konkurrenzkampf mit anderen Gilden sei erschlafft, es gebe nichts mehr, worauf man stolz sein könne – man wünschte sich das Raiden in World of Warcraft von früher zurück.
Wenn wir ein paar Jahre vorspulen zur Entwicklung von Carbines WildStar, bemerkte man bei den Aussagen der Entwickler oft einen leichten Unterton: „Wenn Ihr das ernst meint und wieder so raiden wollt, dann werden wir Euch genau das geben.“
[quote_box_right]Raiden in WildStar – 40 wilde Helden – ist das noch zeitgemäß?[/quote_box_right]
Und WildStar spulte tatsächlich die Zeit zurück, bis in den Juni 2006 ungefähr. Wieder gibt es brettharte Zugangsquests, wieder sind die Raids fordernd und der Konkurrenzkampf groß. Und man hat klar gemacht: So möchte man das auch haben. Man werde nicht den Weg Blizzards beschreiten und die Bosse nach und nach nerfen.
Doch was ist mit dem alten Problem Blizzards? Was ist, wenn man aufwändige Raids entwickelt, und einfach nicht genügend Spieler findet, die diese Raids auch sehen und erleben?
Wenn ein Boss in einer Instanz steht und kein Spieler sieht ihn – ist er dann noch ein Boss?
Genau vor dem Problem steht WildStar jetzt, wenn man sich die Zahlen anschaut. Laut WildStar-Progress, einer Seite, auf der Gilden ihre Erfolge eintragen können, haben im Moment 113 Gilden weltweit den ersten Boss der Gen-Archive bezwungen. Wenn man noch eine Dunkelziffer dazu rechnet, könnte man die Zahl verdoppeln und von 5000 Spielern reden, die den Boss bezwungen haben und all das zu sehen bekommen, was Carbine dahinter versteckt hält. Den zweiten Boss haben 61 Gilden down, sagen wir 3000 Spieler.
Die Bosse dahinter haben ein bisschen das Problem von einem einsamen Baum im Wald. Sind es auch Bosse, wenn keiner da ist, um gegen sie zu kämpfen? Zählen Sie auch für das Spielvergnügen der ungewaschenen Massen, des PvE-Prekariats, machen sie das Spiel für die Nicht-Raider besser?
Ressourcen-Verteilung ein heikles Thema
Nun muss man sagen, dass die Zahlen von WildStar-Progress nicht absolut sind. Und das sei hiermit gesagt. Nicht jede Raidgilde kennt die Seite und trägt sich dort brav ein (wobei es bei anderen MMOs, allen voran WoW, fast schon Ehrensache ist, sich bei den entsprechenden Seiten zu registrieren), aber die absoluten Zahlen, wenn auch nur Tendenzen, sind schon ernüchternd. Man kennt keine genauen Spielerzahlen, zwischenzeitlich kursierte auf einer englischsprachigen Seite eine sehr optimistische Schätzung von 1 Millionen Spieler. Realistischer wären vielleicht 500.000. Dann hätte man bei wiederum optimistisch geschätzten 5.000 Raidern den Content für 1% der Spieler designet.
Allerdings gibt es, wenn man so harten Raid-Content im Spiel hat wie bei WildStar, auch einen Motivations-Effekt. Die Spieler haben ein Ziel, auf das sie hinarbeiten können. „Wenn ich gut genug werde und genug Zeit investiere, dann sehe ich auch diesen ganzen Kram, den ich sonst nie zu sehen kriege und den 99% aller anderen auch nicht zu sehen bekommen.“ Spieler sagen, sie werden später einsteigen, müssten sich noch equippen, suchten nach der richtigen Gelegenheit, der perfekten Gilde. Eigentliche plane man zu raiden, wenn man mehr Zeit habe, wenn die Sterne günstiger stünden oder wenn man endlich die vermaleidete Zugangsquest abgeschlossen habe, die so viel Zeit und Nerven kostet.
Bei Carbine könnte man unmöglich den Fans erklären, dass man die Raids abschwächt oder ändert, hat man doch mehrmals betont, dass man genau dieses Spiel liefern werde, das es jetzt gibt.
Die Frage ist nur: Sind auch genug Spieler da, um aufwändige Raids zu rechtfertigen? Oder fiel man bei Carbine dem Phänomen zum Opfer, das neulich ein Mitarbeiter von Herr der Ringe Online beschrieb? Sind die Raider und Hardcore-PvPler bei MMOs in Spiele-Foren überrepräsentiert und machen damit mehr Lärm, als ihre Masse rechtfertigt? Was ist, wenn es gar nicht genug Raider gibt, damit der Ansatz Carbines trägt?
„Wenn du es baust, werden sie kommen“
Die Frage bleibt, ob sich die investierten Ressourcen in Raids in dieser Form lohnen oder ob sie nicht woanders besser eingesetzt wären. Auch die größten Fans werden zustimmen müssen, dass die beiden bisherigen Daily-Zonen, jeweils recyclte Varianten von Start-Zonen, etwas mehr Liebe und Mühe verdient gehabt hätten.
[pull_quote_right]Wo sind die Raider, die jahrelang nach so einem Spiel gerufen haben?[/pull_quote_right]
Wenn man sieht, wie viele Ressourcen in das Design von Bossen fließen, die ein Großteil der Spieler in ihrer jetzigen Form nicht zu Gesicht bekommen wird, kann man im Nachhinein Blizzards Entscheidung verstehen. Und es wird sehr interessant sein zu beobachten, ob Carbine standhaft bleibt und zu ihrer Entscheidung steht, Teile WildStars wirklich nur für eine „Hardcore-Elite“ zu entwickeln. Und sie auch hinter einer hohen Mauer, einer harschen Zugangsquests, zu verstecken.
Gerade diese Mauer sorgt auch bei passionierten Raider in letzter Zeit für viele Beschwerden. Denn selbst wenn man sich – mit viel Genuss und Befriedigung – durch den 20er-Raid geschlagen hat, stehen vor dem Eingang zum 40er-Raid zwei neue Hürden: Ein langwieriger Grind in Form der Zugangsquest und die Tatsache, dass man jetzt 20 neue Spieler nachequippen und ihnen den Zugang verschaffen muss, soll es weitergehen. Mit einer anderen 20er-Gilde auf demselben Stand reibungslos zu fusionieren, ist eine auf vielen Ebenen schwierige Geschichte. Hier rekrutieren viele Gilden lieber nach, um nicht die Kontrolle aus der Hand zu geben.
Im Moment wackeln die ersten Design-Konzepte Carbines. Das mit der Zugangsquest will man sich wohl in den nächsten Wochen nochmal durch den Kopf gehen lassen.
Dabei kann man Carbine und WildStar keinen Vorwurf machen. Sie haben das Spiel geliefert, von dem sie sagten, dass sie es liefern würden. Die Frage sei erlaubt: „Wo sind die Raider, die jahrelang nach so einem Spiel gerufen haben?“
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Wie schon ab und an angedeutet: Es ist ganz gut, Ziele zu haben, die man vorerst nicht erreichen kann.
Für mich geht das sogar noch einen Schritt weiter: Ich mag es, ein Ziel zu haben, dass ich nie erreichen werde.
Ich habe nie wirklich geraidet, aber ich fand Raids immer spannend. Man weiß, dass es irgendwo 40 Mann (und Frau) gibt, die sich durch verschlungene Dungeons prügeln, soweit sie nur kommen. Niemand hat bisher alles gesehen, es verbleiben Rätsel. Und wenn doch mal ein großer Boss gelegt wurde, hat man sich das Video dazu angeschaut.
Sowohl dieses höhergestellte Ziel, als auch das Mysterium um die Bosse.
Gerade letzteres verleiht einem MMO eine viel mitreissendere und Spieler-geleitete Geschichte, als jede noch so “spannende” Lebendige Geschichte. Es ist zwar ganz cool alle Inhalte spielen zu können, aber die Fantasie beginnt dort, wo das Wissen aufhört. Und meine Fantasie ist um einiges größer als jeder Engame-Inhalt.
Letzten Endes wird es in der Tat so sein, dass der aktuelle Content bei dem Schwierigkeitsgrad nur von etwa 1-5 % der Spieler abgeschlossen wird.
Der Fehler ist meiner Meinung nach darin ein Problem zu sehen. Gerade in einem MMO ist es doch entscheidend dem Spieler eine Karotte vor die Nase zu setzen, eine Langzeitmotivation zu bieten. Dieses roße, schwere, vielleicht kaum zu erreichende Ziel muss vorhanden sein.
Wichtig ist schlichtweg, dass das Spiel fair bleibt. Ich muss erkennen können: Ok, es ist bockschwer, aber Möglich, wenn ich mich genug anstrenge.
Was aber in dieser Diskussion nahezu immer unter den Tisch fällt: Was bringt denn diese extreme “Vercausalisierung” mit sich, außer das Spiel schlichtweg einfacher und zugänglicher zu machen?
Richtig: Eine ewiglange, hausgemachte contentfreie Zeit. Denn wenn ich:
– für den aktuellen Content außer irgend einen Gearscore keinerlei weitere Zugangsvoraussetzungen habe
– allgemein vieles extrem verinfache
– durch absurd viele Schwierigkeitsstufen die Motivation für HM senke
– den im aktuellen Addon vorgegangenen Content durch Nerfs und Item-Spirale völlig entwerte und somit dafür sorge das ich gleich nach der Lvl-Phase im Endcontent bin
ist natürlich “jeder Hans uns Franz” ruck-zuck mit dem Content durch (HM mal ausgenommen).
Wenn Content bedeutet, den selben Boss, welchen ich schon in drölf anderen Modi umgehauen habe, jetzt noch einmal mit +20% HP und +20% Schaden anzugehen, leidet (bei mir) natürlich die (Langzeit)Motivation.
Mein “Auf-Nimmer-Wiedersehen-Erlebnis” in WoW:
Ich steige erst zum absoluten Endcontent bei Cata ein. Werde Lvl 85. 5 Stunden später liegt Todesschwinge (natürlich über den Schlachtzugsfinder). Motivation gleich wieder weg, Abo wieder gekündigt.
Damit will ich nur klarmachen: Wenn ich ein komplett durchgepatchtes Addon, quasi in 3 Tagen “durchspielen” kann, dann stimmt doch irgend etwas nicht.
Ja, ganz genau. Das ist das andere Extrem, was ich in dem Artikel beschreiben wollte.
Das Spiel hat wirklich das Zeug richtig gut zu werden, allerdings sehe ich drei Schwachpunkte:
– Startpunkt: Mittem im Hochsommer zur Fußball WM … hat bestimmt einige Abos gekostet!?!
– zu viele Server … Ja es hat kurzweilig einen Ansturm gegeben, aber braucht es wirklich 3 PVE-DE Server? Denn wir wollen immerhin konkurrierende 40er Raids!!
– Kommunikation innerhalb des Spiels … Wie erkenne ich aus dem Chat heraus die Gilde des Spielers(?), kann ich sehen, wieviele in der Gilde online sind(?), wieviele 50er ohne Gilde gibt es in meiner Zone(?), etc…. Gerade zu Beginn, wo sich Gruppen/Gilden finden müssen, wäre dies bzw. ist dies wirklich hilfreich. [Wahrscheinlich gibt es dafür schon ein Addon].
Den letzten Punkt finde ich sehr wichtig, ist doch der soziale Faktor das Herausstellungsmerkmal von MMOs schlechthin. Bei mir persönlich stelle ich aber fest, dass ich in den MMOs, die ich in letzter Zeit gespielt habe, immer hauptsächlich alleine vor mich hinspiele. Gelegentlich wird mal spontan eine Gruppe für irgendeine Herausforderung gesucht, aber die Kommunikation dabei wird meißt auf ein Minimum beschränkt und am Ende gehen alle wieder auseinander ohne sich je wieder zu sehen. Wenn man die Lvl Phase dann mal durch hat, gibt es so wenig Anreiz noch weiter zu machen. Das ist jetzt meine persönliche Erfahrung, aber ich denke, dass ist der Grund warum ich bisher an keinem hängen geblieben bin.
Mit einer Gilde wäre das etwas ganz anderes. Hätte man Bekannte in dem Spiel, mit denen man regelmäßig was unternehmen würde und den Kontakt, den man einfach nicht verlieren möchte, wäre man viel eher langfristig an das Spiel gebunden. Meiner Meinung nach werden aber viel zu wenig Möglichkeiten geboten das Finden solcher Beziehungen zu unterstützen. Wie du schon sagst, sind ja die einzigen Möglichkeiten eine Gilde zu finden:
– Man stellt sich in ein dicht besiedeltes Gebiet und liest Rekrutierungsnachrichten oder schreit selbst in die Welt hinaus, ob nicht irgendjemand bitte dein Freund sein will.
– Man versucht in den temporären Gruppen während des Levelns längerfristige Bekanntschaften zu knüpfen, was aber zumindest mir schwer fällt, weil sich die Kommunikation auf den Textchannel beschränkt und während der Kämpfe einfach wenig Gelegenheit ist ernsthafte Gespräche in Schriftform zu führen.
– Man sucht extern per Google oder “Gilden-Such-Seiten” wie z. Bsp. mmo-scout. Hier gibt es jedoch zig Anlaufstellen und an jeder ist nur ein Bruchteil der Gesamtmasse vertreten. Für Wildstar hat mir mmo-scout für meine Fraktion und meinem Server z. Bsp. keine einzige Gilde gelistet…
Wie soll man nun mit diesen Mitteln eine Gilde finden, die ähnliche Prioritäten setzt wie man selbst und deren Mitglieder ähnlich ticken, um Bekanntschaften zu knüpfen für die man ein Spiel tatsächlich länger spielt als die eigentlichen Spielinhalte alleine rechtfertigen würden?
Rift ist das einzige MMO, glaube ich, das ingame ein vernünftiges Gilden-Suchtool zur Verfügung stellt. Das haben die echt gut gemacht, so habe ich dort damals auch meine Gilde gefunden.
Wo die Raider von damals sind, die jahrelang nach so einem Spiel gerufen haben? …. wahrscheinlich nicht mehr im Studentenheim oder in der WG. Sondern in der eigenen Wohnung mit eigener Familie und anderen Prioritäten. … zumindest der Großteil von denen.
Vanilla WoW-Raids, dass waren 4 Abende die Woche zu je 4 Stunden. Das waren zusätzlich noch einige Stunden an Farmen für Flasks etc. und am Ende hat es auch nur zu 3 Bossen in Naxx gereicht, den Rest haben wir auch erst später in einem Nostalgierun gesehen.
Also wen man das wirklich auf die “alten Veteranen” bezieht, dann ist das für mich ein Fall von romantisierender Vergangenheitsbewältigung, damit man als ehemaliger Hardcoreraider seine verschwendete Jugend rechtfertigen kann. (Ich habe selbst dazu gehört)
Und dann im Fortgeschrittenen Alter (so +8 Jahre), wenn man sich dann um Heim, Frau, Kind kümmern muss und dann eben zurückblickt, dann war das Gras noch grüner und die Zeiten goldener.
Wenn ich aber ehrlich zu mir selbst bin, werde ich den Raidcontent wohl nicht bis zum Ende sehen können, wenn er so bleibt. Das ist mir persönlich aber auch nicht wichtig. Das Spiel macht Spaß. Allerdings habe ich das Spiel auch als das akzeptiert was es ist: ein Spiel – mit dazu passendem Stellenwert.
Wenn es aber nicht alle ehemaligen Hardcoreraider auch in den Raid zieht, dann muss halt jemand die Lücke füllen. Wer? Die Neulinge, die die alten Zustände nur aus “Großvaters Erzählungen” oder “Geschichtsbüchern” kennen. Und für die bedeutet das nun Konzentration, Willen und Durchbeißen.
Von daher finde ich die Diskussion nach dieser kurzen Zeit etwas verfrüht. Würde Carbine jetzt einen dritten Raid entwickeln, den nur die Leute sehen, die schon die ersten beiden Raids abgeschlossen haben, dann …. könnte man über falsche Prioritätensetzung bei Carbine reden.
Ja, sehr gute Antwort. Ich seh das auch so. Wir werden die nächsten Tage, ich überleg das auch schon länger, einen Artikel bringen über das Phänomen, was du beschreibst. Ob die Spiele, die wir wollen, auch die sind, die wir am Ende spielen. Wir neigen dazu, einem Selbstbild nachzuhängen, das der Realität nicht mehr entspricht – genau aus den Gründen, die du nennst.
Gewissermaßen gebe ich dir recht doch wenn man realistisch bleibt ist es di h so das man die raus etc garnicht nerven braucht. Das tun sie mit jedem Kontent der kommt automatisch. Den es wird bessere items geben die lvl werden sicher irgendwann steigen etc. Heisst also in Kurzform das die Hardcore Gemeinde jetzt auf ihre Kosten kommt und eben wir mit weniger Zeit erst in einem halben Jahr da die Grünen questitems nah an das geforderte gear ran kommen und sich damit die Tore zu Dingen öffnen die auch wir sehen wollen. Ja ich habe auch nicht die Zeit 7/24 zu zocken aber ich liebe das Spiel und den Schwierigkeitsgrad. Und bin auch ein Gegner von jeglichem nerv. Weil das was den Leuten heut zu tage in meinen Augen fehlt ist der Blick nach vorn, eben etwas weiter als nur bis morgen… Und wen wildstar so bleibt wie es ist werden wir länger Spaß haben als an einem lausigen wow, in dem man nach einer Woche, nach neuem content /addon wieder nur gelangweilt in der Hauptstadt steht und überlegt was man macht, weil man eigentlich schon wieder alles gesehen hat.
Das ist wirklich ein interessantes Thema. Nach einer gewissen Zeit verschwindet das Faktenwissen und es bleibt nur noch das emotionale übrig. Die “Früher-war-alles-besser”-Mentalität ist ja nichts neues. So musste ich bspw. letzten an mein erstes Auto zurückdenken – ein uralter VW-Polo BJ1991. Den habe ich mir damals gebraucht für 1000 DM und knapp 160 Tkm gekauft. Und letztens habe ich mich auf derm Nostalgietrip erwischt, weil mein Auto (ein recht neuer Passat) mal wieder rumgezickt hat.
Was waren meine Gedanken: “Mit dem Polo hatte ich NIE eine Panne, und was wir mit dem gefahren sind. Zur Ostsee, nach Kroatien und was wir da für geile Sachen gemacht haben.” Nun hat aber ein Auto immer noch eine ganz gute Möglichkeit sich wieder auf die aktuelle Realität einzustellen. Denn auf die Frage “Möchte ich mich wieder in so eine alte Rostlaube ohne Sicherheitsfunktionen und ohne jeglichen Komfort setzen und damit mein aktuelles Jahrespensum von rund 100 Tkm fahren?” ist die Antwort sehr schnell und sehr klar und eindeutig formuliert: NEIN, im Leben nicht mehr!
Nur fehlt mir bei Spielen aber so ein Bezugspunkt zur Realität. Da fällt mir keine vernünftige Frage ein um die Vergangenheit mit der aktuellen notwendigen Realität in den Kontext zu schieben und neu nach Kriterien zu bewerten, die nicht rein emotional vorbalastet sind.
Das ist bei Spielen ähnlich, da hat man oft so ein Wahnsinnsbild noch von den Games und dann kriegt man so einen Nostalgie-Flash und installiert das mal wieder (oft sucht man vorher noch stundenlang die entsprechenden CDs) und dann kriegt man die große Ernüchterung, Grafik, Menüs, Sound.
Da wachsen die Ansprüchen mit den Jahren einfach mit.
Es ist ja in letzter Zeit auch so ein starken Trend zu “Retro-Games” und die heutigen Indie-Perlen sehen ja oft aus, wie vor 15 Jahren gemacht – aber ich denke der “normale” Spieler tut sich da unheimlich schwer. Da passt dein Auto-Beispiel auch sehr gut. Wir sind heute bei den Spielen an einen Komfort und an eine Optik gewöhnt, die früher undenkbar war.
Heute meckern wir ja schon über jeden überflüssigen Tastendruck, über jeden Zwischenschritt, bis wir in das Menü kommen, in das wir wollen.
Ich merk das bei Dark Age of Camelot auch, da denken die Leute immer an die wenigen Highlights, an die tollen Kämpfe. Dass man bis dahin oft 30 Minuten durch die Pampa gegurkt ist und es ist nix passiert, dass das Spiel überhaupt kein PvE und riesige Balance-Probleme hatte und furchtbare Design-Entscheidungen da waren – das ist alles weg. Sondern es bleiben diese wenigen Highlights zurück.
Zudem hat es das Internet eben möglich gemacht, das sich relativ kleine Gruppierungen (hier: “HC Raider”) sehr bequem durch “lautes Geschrei” in den einschlägigen Foren Gehör verschaffen können. Im Guten, wie im Schlechten 🙂
Das beobachte ich immer wieder: Man kriegt ein so verzerrtes Bild durch die sehr engagierten Spieler.
Hab ich schon mal erzählt: TESO “Wir wollen kein AE-CAP” – da haben die PvP-Gilden ihre Leute in diese “Abstimmungen” und “Threads” da reingetragen, da sah’s dann aus wie: 95% sind gegen das AE-Cap und hören sofort auf, wenn das kommt (dabei war’s schon im Spiel).
Ich glaube bis heute, dass 98% der Spieler von TESO nicht mal wissen, was das AE-Cap macht und wenn sie’s wüssten und im eigenen Interesse abgestimmt hätten, wären sie dafür gewesen, dass es kommt, weil’s nur Gank-Gruppen bevorteilt hat.
Es ist halt so: Auch 30 Seiten in einem Forum oder 1500 Kommentare und “+”-Bewertungen bei reddit, sind noch überhaupt keine “Die Masse der Spieler” oder “Das ist der Konsens”. Weil das eben keine stichprobenartigen Umfragen “unter allen” sind, sondern das nur die Meinung einer kleinen Gruppe abbildet.
Mal davon ab, dass die oft recht haben, wenn’s nicht grad darum geht, den eigenen Spielstil gegen den der Masse abzuwägen. Muss ich sagen: Ich hab schon in solchen Foren von Spielern messerscharfe Analysen gelesen, was falsch läuft, und was man ändern müsste. Die richtigen Fans machen sich halt auch ihre Gedanken.