Cortyns Arbeitsalltag – ein geknechteter Dämon packt aus

Das klingt eigentlich ganz lustig, möchte man nun meinen. Doch wie sieht die nüchterne Realität aus?

Es ist 8 Uhr morgens. Die Kinder auf der Straße schreien und wecken mich. Für einen kurzen Moment hasse ich sie, denn ich hatte zu wenig Schlaf. Im nächsten Augenblick hasse ich mich selbst dafür, dass ich sie hasse, denn immerhin sind sie auf dem Weg in die Schule und tun bereits etwas Produktives. Ich drehe mich noch mal rum.

Um 10 werde ich wieder wach. Ich weiß, dass Schuhmann sicher schon wieder rotiert und die Seite am Laufen hält. Ich weiß auch, dass ich aussehe wie der lebende Tod und sicher bis zum Mittag weiterschlafen könnte. Das schlechte Gewissen treibt mich dann doch aus dem Bett. Oder waren es die spielenden Kinder der Schule gegenüber, die so einen unsagbaren Lärm veranstalten? Ich drücke mich um alles herum, frühstücke und dusche, versuche irgendwie menschlich auszusehen. Ich erledige irgendwas Belangloses, eine Aufgabe, für die mein Gehirn nicht benötigt wird. Wäsche waschen. Staubsaugen. In der Sonne liegen.

Erst gegen 11 fahre ich dann den PC hoch und schaue auf die Liste. “Die Liste” bestimmt, wie ich meinen Tag nun plane. Sie enthält die aktuellen News, die aus den Tiefen des Internets ausgegraben wurden. Ein neuer Skin in Smite, ein neuer Boss in World of Warcraft, irgendein Idiot in Amerika hat wieder jemanden geswattet und neue Informationen zum anstehenden Rift-Update.

Manche Texte fallen mir förmlich aus den Fingern. Wenn es um World of Warcraft, Smite oder die ewige Sexismus-Debatte in Videospielen geht, verfalle ich in einen kleinen Schreibrausch. 400, 500, 600 Worte sind dann nur selten ein Problem. Ein spannendes Thema, viel Inhalt, viel Platz für die eigene Meinung. Passt.

Das sind die schönen Sachen, so wie der Mecker Mittwoch und fast alle News über Spiele, die ich selber so mag.

Die unschönen Aufgaben

Andere Texte sind schwieriger. Nehmen wir die Rift-News. Ich habe es nicht gespielt. Darüber einen kleinen Artikel zu schreiben, der die Leute informiert und dann auch noch den Eindruck vermittelt, dass der Autor wüsste, über was er da eigentlich schreibt, ist gar nicht so einfach. Vielleicht verschwindet das Thema einfach aus “der Liste“, wenn ich es lange genug ignoriere. Meistens passiert das nicht – wenn aber doch, fühle ich mich schlecht. Es wäre mein Job gewesen, aber ich hab das Ding ausgesessen, bis es nicht mehr aktuell genug war. Gut gemacht, Cortyn. So kommst du im Leben weiter.

Ich nehme meine Arbeit durchaus ernst. Auch News, die mir überhaupt nicht gefallen, will ich gut gestalten – wenn ich es denn muss. Den inneren Dämon zu überwinden, ist allerdings schwierig. Wenn ich mich erst mehrere Stunden in ein Thema einlesen muss, um wenigstens die Grundzüge zu verstehen, wird der Auftrag nicht gerade attraktiver. Und doch schreibe ich auch das manchmal – aber wenn ich etwas schreibe, dann soll es gut werden. Denn mit dem Kopf über die Tastatur rollen, kann jeder. Ich will nicht wie jeder sein. Ich will gute Texte schreiben. So wie jeder gute Arbeit leisten will. Ach, verdammt.

Gegen 14 Uhr ist der Tag endlich strukturiert. Zumindest für mich. Schuhmann hat sicher seit 8 Uhr heute Morgen schon ausgetüftelt, wer welche Nachricht zu welchem Zeitpunkt veröffentlicht. Wenn er besonders gestresst ist, hinterlasse ich ihm ein Anime-Bildchen, das sich quer über “die Liste” zieht. Niedliche Mädchen mit Kulleraugen. Es ist eigentlich als Geschenk gedacht, aber ich glaube, er ist davon überzeugt, dass ich ihn ärgern will.

Alles kann, nichts muss.

Zwischen 2-5 News am Tag ist aktuell mein Aufgabenbereich. Vermutlich könnte ich deutlich mehr schaffen, wenn ich denn wollte. Und genau da liegt dann das Problem. Ich glaube zwar nicht, dass ich wirklich faul bin, aber ungeheuer leicht ablenkbar. Eigentlich wollte ich nur den Namen eines Gegenstandes in WoW erfahren, den ich für eine News brauchte, doch schon bin ich mitten in einem Petbattle. Und den wöchentlichen Raid muss ich ja auch noch machen. Oder ich könnte den netten Paladin da vorne anspielen und für einen kleinen Moment RP betreiben …

Um 2 Uhr nachts schaue ich dann verzweifelt auf die Uhr. Aus dem kurzen RP ist mal wieder ein abendfüllendes Programm geworden. Auch der Skypeanruf und die Frage, ob wir nicht “1-2 Ründchen Heroes of the Storm spielen wollen” hat nicht wirklich geholfen, meine Arbeitskraft voll auszunutzen.

Manchmal, wenn der grüne Tee mich noch nicht schlafen lässt, schreibe ich noch eine News für den nächsten Tag vor. Immerhin wurde eine neue Karte für HearthStone vorgestellt. Doch im Grunde beruhige ich damit nur präventiv mein schlechtes Gewissen, das ich auch morgen wieder haben werde, wenn ich mich um 8 Uhr im Bett noch einmal herumdrehe.

Es ist 4:30 Uhr. Die Sonne beginnt zu dämmern und ich schalte den Anime ab. Das Bett ruft nach mir.

Ich schaue noch mal auf die Liste. Titel: Montags-Special. Autor: Cortyn.

Ich trage in die “Abgeschickt?”-Spalte ein “Ja” ein. Und dann ist dieser Text hier auch fertig. Ich liebe meine Arbeit.