Gaming in der Schule: “Level up” anstelle von Schulnoten?

Gaming in der Schule: “Level up” anstelle von Schulnoten?

Schon seit einer ganzen Weile versucht man, das doch deutlich veraltete Bildungssystem zu revolutionieren, aber besonders in Deutschland tut sich die Politik schwer, zu sehr hängt man an alten Vorstellungen.

Schaut man dabei aber ein wenig über die Grenzen des Landes hinaus, so erkennt man einige interessante Ansätze. In Österreich hat ein Lehrer ein vollkommen neues Benotungssystem eingeführt: Es basiert auf Quests und Erfahrungspunkten!

Die Problematik der Transparenz

Der Entwickler des neuen Bewertungssystems ist Christian Haschek, natürlich selbst ein Lehrer. Er erinnert sich oft an seine Studienzeit zurück, in denen er selbst unmotiviert war und kaum Lust hatte, noch für eine Prüfung zu lernen oder sich für ein Seminar vorzubereiten. Den Ursprung dieser Unlust sieht er in der mangelnden Motivation und diese wiederum basiert auf der nicht vorhandenen Transparenz der Bewertung.

Ein Schüler oder Student weiß in der Mitte des Halbjahres nie so ganz genau, wie es eigentlich um seine Note bestellt ist und auch die Lehrer können oft nur schwammige Aussagen geben. Dies resultiert dann in der Auffassung, dass man ein wenig der Willkür ausgeliefert ist und sowieso nicht garantierten Einfluss auf seinen Erfolg nehmen kann. Und genau an dieser Problematik setzt das System von Haschek an.

Haschek - Levelsystem in der Schule

Games + Schulnoten = Volle Motivation?

Und so schaut die Lösung aus: Zu Beginn des Schuljahres wird der ganze Unterrichtsstoff in Erfahrungspunkte aufgeteilt und Grenzwerte festgelegt, die erreicht werden müssen, um eine entsprechende Note zu erhalten. Selbstverständlich können die Schüler jederzeit einsehen, wie sie aktuell stehen und was sie noch leisten müssen, um sich weiter zu verbessern. Orientiert hat sich Haschek hierbei an den Levelsystemen, wie sie etwa in MMORPGs vorkommen.

So soll man einmal erhaltene Erfahrungspunkte (XP) auch nicht wieder verlieren können, denn dies würde einen der größten Motivationsfaktoren ausmachen. Ein paar einfache Beispiele um das Ganze etwas zu veranschaulichen: Eine konstruktive Meldung während des Unterrichts gibt 5 XP, eine besonders gute Hausarbeit 20 XP und ein Referat vielleicht 35 XP. Wer seine Hausaufgaben nicht erledigt, der verpasst natürlich einige Punkte.

XP vergeben - Haschek

Probleme und Befürchtungen

Gerade eine Vielzahl der älteren Lehrer übt Kritik an dieser Vorgehensweise und ein paar Negativaspekte lassen sich auch nur schwer von der Hand weisen. Ein so umfangreiches System benötigt natürlich Kenntnisse in den neuen Medien und eine Schulklasse ohne flächendeckende Ausstattung mit Computern wird wohl kaum eine Chance haben – ganz zu schweigen davon, dass viele Lehrer den Umgang mit den Rechnern noch immer scheuen.

WIldStar Level Up

Ein zweiter Kritikpunkt ist, dass Schüler keinen Anreiz mehr hätten, sich anzustrengen, wenn sie die benötigten Erfahrungspunkte für eine Note bereits hätten, aber hier hat Haschek Gegenteiliges zu berichten: Gerade Jugendliche, die sich schon “in Sicherheit” einer guten Note befinden, würden ihren Mitschülern umso engagierter helfen, dieses Phänomen hat er “High-Level-Syndrom” genannt. Wer sich keine Sorgen mehr um seine eigene Note machen muss, der hilft gerne anderen – auch das vergleicht er mit Onlinespielen, in denen hochstufige Charaktere gerne den kleineren helfen.

Persönliche Meinung

Ich finde, es ist längst Zeit für neue Systeme in der Schule. In diesem Beispiel nimmt man etwas, dass den Jugendlichen in ihrer Freizeit viel Spaß macht, und wendet es auf einen Bereich an, der tendenziell eher unbeliebt ist. Als Schüler muss es ungeheuer motivierend sein, wenn man seine aktuelle Leistung stets vor Augen hat und auch genau weiß, was man noch tun muss, um die nächstbessere “Stufe” zu erreichen.

[pullquote]Wenn ich jedes Mal 5 XP für das Wäschewaschen bekommen würde, könnte ich mich sicher öfter dazu aufraffen.[/pullquote]

In erster Linie bietet ein solches System aber deutlich mehr Transparenz und Fälle, in denen man sich sagt “Ach, der Lehrer mag mich einfach nicht” – egal ob begründet oder unbegründet – würden damit sicher der Vergangenheit angehören. Das Konzept hat natürlich noch ein paar Schwachstellen und lässt sich nicht überall anwenden – das sagt auch Haschek selbst. Dennoch wird es Zeit, sich von alten Konzepten zu verabschieden und neue Dinge auszuprobieren. Und dies ist ein guter, erster Schritt.

Wenn ich jedes Mal 5 XP für das Wäschewaschen bekommen würde, könnte ich mich sicher öfter dazu aufraffen… erstaunlich, wie sehr uns diese Spiele doch prägen.

Quelle(n): blog.haschek.at (plus Bilder)
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André Zazzles

“Kommste heute mit Feiern?” – “Ne geht nicht, muss noch n Raid für die Schule machen” 😀

Gorden858

Sehr interessant. Ich erinnere mich auch noch an einen Lehrer in meiner Schulzeit, der hat einfach für jede Doppelstunde direkt mündliche Noten vergeben und die am Anfang der nächsten Stunde einmal rumgegeben. Und am Ende des Schuljahres wurde dann einfach der Durchschnitt gebildet. Das fand ich schon extrem motivierend, weil man direkt Feedback hatte und auch wirklich das ganze Schuljahr bewertet wurde. Viele Lehrer hatten zur Notenvergabe ja nur noch die letzten zwei Wochen im Kopf. Bei mir und meinem Sitznachbarn ging das sogar so weit, dass wir immer versucht haben den anderen zu übertrumpfen :-D. Also nicht nur kooperative und soziale Elemente aus MMOs lassen sich auf solche Systeme übertragen, sondern auch kompetitive 😉

Ich denke, es würde schon einen großen Schritt nach vorne bedeuten, wenn man Schulen überhaupt erstmal solch ein (möglichst einheitliches) Portal zur Verfügung stellt und die Lehrer darin schult, solche neuen Konzepte darin umzusetzen. Wenn es dann nicht jeder in vollen Zügen ausnutzt, ist es ja trotzdem bei denen die es tuen besser geworden. Solch ein System würde den Informationsfluss zwischen Lehrer und Schüler (in beide Richtungen), den Schülern untereinander und in den niedrigeren Klassen zwischen Schule und Eltern erheblich verbessern.

Cortyn

Um Mal Hagen Rether zu zitieren: “Früher als Student habe ich mir wilde Verschwörungstheorien ausgedacht. Heute als Erwachsener habe ich gelernt, dass die Realität viel schlimmer als jede Verschwörungstheorie ist”

Es gibt schon Dinge, die mich massiv stören. Warum haben wir in Deutschland kein vernünftiges Anti-Korruptionsgesetz? (bzw. seit neustem die “Light-Version”, bei dem man nur von Korruption sprechen darf, wenn eine Quittung ausgestellt wurde).
Bei unsere Bildungspolitik sehe ich das Probleme aber wirklich eher in den alten Menschen, die über das Ganze entscheiden. Und natürlich darin, dass es in Deutschland nicht einheitlich ist, sondern jedes Bundesland seine eigene Regelung hat – da will natürlich keiner als Beispiel voran gehen, um dann zu scheitern.

Gorden858

Eigentlich sollte das System es doch ermöglichen auf niedrigerer Ebene einfacher solche Sachen durchzusetzen. Aber das Problem ist glaube ich, dass es auf der anderen Seite auch einheitlich sein soll. Denn eine 2 in Sachsen soll trotz aller Unterschiede im Bildungssystem ja immer noch vergleichbar sein mit einer 2 in NRW. Darum ist es einfach schwierig eine Teilgruppe aus dem Gesamtsystem herauszunehmen und mit deren Bildung herumzuexperimentieren. Und damit das ganze System geändert wird will man sich erst 100%ig sicher sein, dass es auch die gewünschten Erfolge bringt, um den großen Aufwand und das Risiko zu rechtfertigen. Und das wiederum kann man im Grunde nie. So wird es meistens den Schulen und Lehrern auf unterster Stufe überlassen im Ihnen gegebenen Spielraum Dinge zu probieren, was ja durchaus möglich ist, wie dieses Beispiel zeigt.

Forwayn

Ich finde das System auch ganz spannend. Motivierender könnte es schon sein. Auch dieses Jemanden-durch-Inis-ziehen-Prinzip scheint mir sehr vorteilhaft für das soziale Klima der Klasse.

Nur mache ich mir ein wenig Sorge um den Vorbereitungsaufwand für die Lehrer. Meine Frau sitzt an der Konzeption für Oberstufenklausuren teilweise 3-4 Stunden.

Außerdem ist es sicherlich schwer umzusetzen, den gesamten Stoff eines Schuljahres in entsprechende XP umzuwandeln. Das würde bedeuten, der Lehrer müsste bereits am Anfang des Schuljahres alle Hausarbeiten, Arbeiten, Stoffeinheiten so durchstrukturiert haben, dass er XPs verteilen kann und das geht am Arbeitsalltag, an den unterschiedlichen Lern-Niveaus der Klassen vorbei. Wenn eine Klasse aus unterschiedlichsten Gründen nicht so schnell arbeitet wie eine andere, würden sie ja alle nicht die entsprechenden XP erreichen können und insgesamt schlechter bewertet werden.

Cortyn

Das kann man ja durch andere Dinge ausgleichen. Reine Teilnahme (ohne Störungen) gibt ja auch zB. XP. Und für den Bonus einer konstruktiven Meldung ist es ja fast egal, wie weit eine Klasse ist.
Generell hast du natürlich recht, das System wird bei jeder Klasse etwas anders aussehen.

chaschek

Hallo! Erfinder des Systems hier.

Ich persönlich habe keine Probleme bei den Vorbereitungen, da ich am Anfang des Jahres überlege, welche Themengebiete ich mit den Schülern machen will, dann setze ich für jedes Gebiet ein Maximum von 500XP und es kann schon los gehen.

Wenn ich unter dem Jahr darauf komme, dass ich dieses Thema doch nicht so lange unterrichten kann/werde, setze ich die Maximal XP des Teilbereiches einfach etwas runter, oder gebe mehr XP.

Die zweite Methode, die für Ihre Frau womöglich die bessere wäre habe ich in meinem Blog beschrieben: Sie setzen alle Teilbereiche auf einen Maximalen XP-Gehalt von 0 (null) und bei der Vergabe von XP gibt es einen Button, durch den die XP in dem Teilbereich um den höchsten Wert, den Sie gerade eingegeben haben erhöht wird. Das benötigt keine zusätzliche Vorbereitung und ist sofort Einsatzbereit.

Gerd Schuhmann

Die Politik/Höhere Ebene (“Puplisher”) will keine zufriedenen Schüler, die auch dann gut ausgebildet sind. Zu viele zu gut ausgebildete Menschen denken und hinterfragen. Das will man verhindern… Ein dummes Volk lässt sich einfach leichter lenken als eines, dass gut gebildet ist und nicht einfach ein Kreuz macht, bei der Partei, die nen Keks oder ein Kipferl auf der Straße verteilt z.b -.-

—–
Wie kommst du denn darauf?

Ich finde das sind immer so popkulturelle Verschwörungstheorien. Es ist sicher so, dass ein Teil der Wirtschaft nicht unbedingt die Konsumenten dumm halten wird, aber sie in so einem “dumpfen” Stadium belassen möchte und sich darauf spezialisiert, deren Ansprüche zu erfüllen, ohne das Volk zu fordern oder zu fördern. Und es ist auch so, dass ein Teil der Spitzenpolitik die Dinge so “erklärt”, dass man das Gefühl hat, die halten das Volk wirklich für blöd.

Aber allein schon die Idee, dass der “Staat” als so eine Art Kollektiv das als Handlungsmaxime ausgibt, ist doch absurd. “Die da oben” gibt es nicht in der Form, es gibt kein System in dem Sinne, keine geheimen Weltenlenker, sondern Konzerne und Interessengruppen, die ihre eigenen Interessen vertreten und das nicht unbedingt öffentlich haben möchten, aber das sind keine sinistren Bond-Schurken.

Nur weil du in den Bundestag gewählt wirst, bekommst du keine Gehirnwäsche oder du wirst in irgendein Geheimwissen eingeweiht (Übrigens: Wir halten die Leute seit Jahrhunderte schön dumm lolololol.)

Diese Verschwörungstheorien sind wirklich gefährlich, weil sie ein so einfaches Weltbild propagieren, in dem man selbst machtlos ist, dass man aufhört wirklich nach Gründen zu suchen und zu versuchen, die Welt zu verstehen.

Alastor Lakiska Lines

“Ja….es gibt auch keine Illuminated *schaut sich verstohlen um* …nein wirklich nicht.”

Das ist doch eher was für The Secret World. Besonders in Deutschland, wo man jetzt schon den zukünftigen Fachkräftemangel fürchtet liegt es eher im Interesse des Landes ein neues motivierendes Schulsystem einzuführen (die Motivation des Rohrstocks/ Lineals wurde entfernt, der Rest beibehalten) um eben jene Fachkräfte im Land selbst auszubilden.

Gerd Schuhmann

Sollte jedem klar sein, dass wir ein komplett anderes Bildungs-System brauchen. Schon einfach weil sich die Schule den Bedürfnissen der Welt anpassen muss und vor allem den Realitäten darin.

Und die haben sich in den letzten 15, 20 Jahren eben in die Richtung verändert, dass es Realität ist, dass wir von jedem Ort der Welt Zugriff auf das ganze Wissen der Welt haben. Und es geht darum, das als gegeben zu begreifen und die Bildung entsprechend anzupassen.

Da mag so mancher Alt-Philologe oder Physiklehrer in den 50ern die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und dann sagen: Und was macht Ihr beim Stromausfall? Dann arbeiten wir eh nicht, sondern schließen uns mit einer Schrotflinte, Chips und einer Kerze im Keller ein und warten auf Zombies oder das Ende aller Tage.

Alastor Lakiska Lines

Man muss heute nicht mehr Alt-Griechisch lernen, da es dafür inzwischen genug Bücher und Programme gibt. Ich wünschte diese Auffassung hätte sich schon vor 3 Jahren durchgesetzt.

Koronus

Nein für Archeologie auf der Uni braucht man es noch und in Österreich gibt es immer noch drei Schulen bei denen das im Unterricht ist.

Alastor Lakiska Lines

Ja, ich habe es auch gelernt(, vergessen und nachgelernt), aber die logische Notwendigkeit der Sache hat sich mir nie erschlossen.

Alastor Lakiska Lines

Ich bin fasziniert. Das System könnte tatsächlich die mehr als veralteten Strukturen des deutschen Bildungssystems modernisieren.

Jetzt muss man nur noch etwas gegen die Ruhe und Abschottung während Prüfungen tun. Nichts ist schlimmer als die Stille während Prüfungen, wenn das einzige was man hört kratzende Stifte, das eigene pochende Hirn und der Herzschlag ist. Das war immer meine größte Prüfungsstress-Quelle…ein Professor hat nach dem ich ihn dieses Problem geschildert hatte mit mir ein Experiment gemacht…zuerst habe ich mit allen die Prüfung geschrieben – gerade so bestanden, danach direkt im Anschluss mit den selben thematischen Inhalten das ganze mündlich – 2,3 als Note. Er hat es auch anderen frei gestellt das so zu testen, aber niemand sonst wollte.
Auch sind Prüfungen als solche vollkommen gegen die Natur der späteren Arbeitswelt. Man soll später teamfähig sein, seine Unterlagen und vorbereiteten Materialien direkt zur Hand haben und auf dem effizientesten Weg seine Aufgaben erfüllen und doch wird man angehalten alles allein zu machen und ohne jegliche vorher erstellte Materialien nutzen zu können alles aus dem Kopf direkt zu ziehen (während man sich auf 10 Gebieten auskennen muss, während die Professoren sich fast nur auf ihrem Gebiet (natürlich meistens besser) auskennen). Im 3. Semester wurden wir zu 14. ohne Aufsicht bei der Prüfung allein gelassen. Wir haben uns gegenseitig beraten, da fast jeder einen Teil wusste wo der andere eventuell Lücken hatte und uns die nötigen Schemata und Diagramme gegenseitig detailliert beschrieben (ich glaube immer noch der Professor wusste was wir da taten). So sollten Prüfungen aussehen, da sie so mehr der Realität entsprechen. Jeder sollte die Grundlagen beherrschen, aber im speziellen soll man zusammen arbeiten.

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